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Krieg und Frieden - Institut für soziale Dreigliederung

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Daraus sehen Sie schon, daß das Proletariat mit Bezug auf sein ganzes Denken der Erbe ist desjenigen, was von der Bourgeoisie<br />

gerade mit Bezug auf menschliche Gedanken, mit Bezug auf menschliche wissenschaftliche Hervorbringungen getan worden ist.<br />

Das wird sich als eine ganz außerordentlich wichtige Tatsache in die nächste Zukunft hinein zeigen, <strong>und</strong> es würde ungeheuer notwendig<br />

sein, daß man gerade auf solche Dinge achten lernen kann. Sonst wird man über Wichtigstes, was sich heranschleicht, nun,<br />

eben wiederum in bequemen Illusionen, die von der Lüge nur durch eine schmale Kluft getrennt sind, leben wollen.<br />

Es gibt zum Beispiel nichts, was der Wahrheit abträglicher ist in dem Sinne, wie ich von dieser Wahrheit vorhin gesprochen habe,<br />

als der Nationalismus. Aber der Nationalismus gehört gerade zu dem Programm, das als ein besonders segensreiches Programm<br />

der nächsten Zukunft gelten wird. Er gehört zu dem Programm der nächsten Zukunft. Daher wird man es erleben müssen, wenn<br />

dieser Nationalismus wird bauen wollen - er kann ja in Wirklichkeit nur zerstören -, daß die Illusionen, die von der Lüge durch eine<br />

schmale Kluft getrennt sind, sich eben fortsetzen werden. Denn so viel Nationalismus in der Welt entstehen wird, so viel Unwahrheit<br />

wird in der Welt sein, besonders gegen die Zukunft hin. Und so werden sehr viele Quellen <strong>für</strong> neue Unwahrheiten da sein.<br />

Unwahrheit hat in vieler Beziehung die Welt regiert. Aber sie wird nicht regieren können, indem die Menschheit in sich aufgenommen<br />

hat jene Impulse, jene Strömungen, die heute chaotisch in den proletarischen Massen zutage treten <strong>und</strong> die, wie Sie gesehen<br />

haben - ich habe Ihnen das neulich aus geisteswissenschaftlichen Unterlagen vorgeführt -, einer der drei großen Strömungen in<br />

der Menschheitsentwickelung entsprechen.<br />

Mit diesen Dingen hängen die tatsächlichen Ereignisse ganz wesentlich zusammen. Aber man war abgeneigt, namentlich in den<br />

letzten Jahrzehnten, so in die Welt hineinzuschauen, daß man wirklich das Wirkliche gesehen hätte. Man konnte nur nicht, ohne<br />

daß man auf den Geist schaute, in die Welt hineinschauen, wenn man nicht das Wirkliche sich entgehen lassen wollte.<br />

Sehen Sie, all das, was sich zugetragen hat in den letzten Jahren, es geht ja zurück im Gr<strong>und</strong>e genommen auf geistig durchschaubare<br />

Kräftewirkungen in der zivilisierten Welt. Es war eigentlich nichts gräßlicher im Verlaufe dieser traurigen Ereignisse als das<br />

Reden aus diesem oder jenem sogenannten nationalen oder anderen Standpunkte heraus. Da redete man zumeist von Dingen, die<br />

mit dem Gang der Ereignisse nicht das allergeringste zu tun hatten. Das Eigentümliche war ja, daß die leitenden Staatsmänner auch<br />

so redeten, daß ihre Reden mit dem Gang der Ereignisse nicht viel zu tun hatten.»<br />

Nationalismus als Sackgasse<br />

GA73, S.343-351, 2 1987, 17.10.1918, Zürich<br />

Nationaler Impuls gründet nicht auf die Staatszugehörigkeit, sondern auf die Natur (Naturprodukt, Naturwachstum). Die Persönlichkeit<br />

will sich in der Französischen Revolution aus diesem unproduktiven Zwang befreien. Revolution ist daher nicht als<br />

Wirkung, sondern als Sprengung des Nationalen ansehen. Nationaler Glanz wirkt aber weiter, führt zur elssäsischen Sackgasse.<br />

«Wir sehen als hervorragendsten Impuls z.B. den nationalen, der sich gründet nicht auf die Nationszusammengehörigkeit - wie<br />

man es heute vielfach identifiziert sieht als Staatszusammengehörigkeit aufgefaßt -, sondern der sich gründet auf das Nationale,<br />

insofern es sich auf natürlichen Untergründen der menschlichen Natur aufbaut. Wir sehen ihn als einen, der aufgenommen wird<br />

vom Menschen, ohne daß der Mensch ihn von innen heraus produziert. Der Mensch ist Franzose oder Engländer durch seine Natur.<br />

Und indem er sich, schauend die geschichtliche Konfiguration, auf seine Nationalität bezieht, bezieht er sich nicht auf etwas, das er<br />

in seinem Geiste produziert, sondern er bezieht sich auf etwas, das er in seinem Geiste bloß von außen aufnimmt!<br />

Vergleicht man das, was da in das geschichtliche Werden mit dem nationalen Prinzip eintritt, mit den früheren Impulsen, dann<br />

kommt man darauf, wie unendlich viel näherliegend in bezug auf das Produktive der Menschennatur alle die Impulse sind, die wir<br />

aufeinanderfolgend in der Griechenzeit, in der römisch-lateinischen Zeit in die Menschheit hineindringen sehen. Und insofern man<br />

zu einem Neuen greift, nimmt man etwas, was man nicht selbst produziert, in der neueren Entwicklung auf, etwas, was von außen an<br />

den Menschen herantritt. (…)<br />

Es wird nicht in der gleichen Weise wie früher aus der Seele heraus ein Neues produziert <strong>und</strong> dem geschichtlichen Leben übergeben,<br />

sondern es wird das Alte produziert <strong>und</strong> konserviert, all das, was da ist, ohne daß der Mensch etwas dazu tut, <strong>und</strong> es wird nur<br />

der Mensch in ein neues Verhältnis dazu gebracht.<br />

(…) Dasjenige, was aus dem Dreißigjährigen <strong>Krieg</strong> hervorgegangen ist, das führte später dann zu dem großen königlichen Glanze<br />

von Frankreich. Wir sehen die königliche Macht Frankreichs Europa überstrahlen in der folgenden Zeit.<br />

Und wiederum, in dem Schoße desjenigen, was da sich herausbildet, was fortpflanzt den alten nationalen Impuls, gerade im eminentesten<br />

Sinne fortpflanzt, in dem erwächst etwas, was weit über das bloße Nationale hinausgeht, was gewissermaßen das Nationale<br />

sprengt. Es erwächst dasjenige, was später sich auslebt in der Französischen Revolution: die Persönlichkeit. Die rein auf sich<br />

selbst gestellte menschliche Persönlichkeit will sich emanzipieren aus dem Zwange derjenigen Gemeinschaft, die nun auch nicht<br />

aus irgendeinem produktiven Impuls genommen ist, sondern die aus der Natur, aus der menschlichen Umgebung heraus von der<br />

menschlichen Seelenverfassung aufgenommen worden ist. Und wiederum sehen wir, wenn wir hinblicken auf das, was sich symptomatisch<br />

vollzieht, wie dann herauswächst, ganz unorganisch, könnte man sagen, ohne daß irgendeine Motivierung da ist, Napoleon,<br />

wie der Testamentvollstrecker der Französischen Revolution.<br />

(…) Wir sehen nämlich entstehen aus jenem Glanze, der sich durch das Nationalwerden des französischen Staates entwickelt hat,<br />

ein Art Anspruch, weiter <strong>und</strong> weiter gehen.<br />

Gewertet soll nicht werden; nicht mit Sympathie oder Antipathie sollen diese Dinge verfolgt werden, sondern ganz objektiv.<br />

Aber wir sehen, wie sich durch den Zusammenhang desjenigen, was da im Westen entsteht, mit dem, was weiter nach Osten läuft,<br />

etwas entwickelt, was von den Einsichtigen in der Zeit, in der es geschehen ist - ganz gleichgültig, wie sie sich zu dem, ob es hat<br />

geschehen sollen oder nicht, gestellt haben -, als ein unlösbares, zunächst unlösbares europäisches Problem angesehen worden ist.<br />

Man kann dabei sogar ganz absehen, ob Elsaß vorher bei Frankreich war oder nachher bei Deutschland - aus dem europäischen<br />

Leben heraus entwickelt sich dasjenige, was man heute kennt als die elsässische Frage.<br />

(…) Und man sollte es eigentlich als etwas außerordentlich Bedeutsames ansehen <strong>und</strong> fühlen, insbesondere in diesen Tagen, wie<br />

etwas wie Unlösbares gegeben ist in der Art <strong>und</strong> Weise, wie sich Mitteleuropa stellen muß zu Westeuropa wegen einer Frage, die<br />

nach gewissen geschichtlichen Voraussetzungen in der Weise <strong>und</strong> in der anderen Weise gelöst gefordert werden kann, eine Frage,<br />

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