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Krieg und Frieden - Institut für soziale Dreigliederung

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«Nun, bei denjenigen Kulturen, die von den westlichen Ideen beherrscht sind (siehe Schema Seite 252), neigt die menschliche<br />

Organisation, weil sich diese immer einseitig ausbildet, mehr dahin, die Aufmerksamkeit auf dasjenige zu lenken, was vermöge des<br />

erdartigen Elementes im Menschen erlebt wird. Bei denjenigen Kulturen, die nach dem Bösen, dem Tod, der Befreiung, der gegenseitigen<br />

Hilfeleistung hingeneigt sind, da neigt die Natur durch ihre natürlichen Anlagen dazu, die Aufmerksamkeit mehr auf<br />

dasjenige zu richten, was infolge des Lebensäthers erlebt werden kann. Das sind die beiden Einseitigkeiten: die Einseitigkeit des<br />

Westens, die mehr infolge des irdischen, des erdartigen Elementes im Menschen erlebt wird, die Einseitigkeit des Ostens, die mehr<br />

infolge des einseitigen Erlebens im Lebensäther erlebt wird.<br />

In tiefste Geheimnisse der Evolution unseres Zeitraumes führen uns gerade diese Betrachtungen hinein. Und sie müssen wohl<br />

ins Auge gefaßt werden, denn dadurch droht gewissermaßen der Menschheit die einseitige Geltendmachung von polar einander<br />

entgegengesetzten Impulsen. Heute ist diese Evolution, des einen <strong>und</strong> des anderen, noch nicht besonders weit, aber <strong>für</strong> den, der<br />

nicht gegenüber dem Leben Vogel-Strauß-Politik treiben will, sich betäuben will gegenüber dem Anblick der Wirklichkeit, doch<br />

schon deutlich wahrnehmbar, wenn er nur die Begriffe hat, um die Dinge zu beherrschen. Es entwickelt sich auf der einen Seite<br />

immer mehr <strong>und</strong> mehr der Drang, nur das Sinnlich-Wirkliche gelten zu lassen, auf der anderen Seite der Drang, nur dasjenige, was<br />

aus der imaginativen Welt kommt, gelten zu lassen als das Berechtigte nicht nur in der Erkenntnis - da vielleicht sogar noch am<br />

wenigsten -, aber in alle dem, was das Leben durchdringt <strong>und</strong> durchgestaltet, was man gerade ins <strong>soziale</strong> Leben eindrängen will.<br />

Darinnen entwickeln sich diese Dinge. Es ist <strong>für</strong> die eine Gruppe, die links stehende (Seite 252), schon deutlich zu sehen; <strong>für</strong> die<br />

andere Gruppe sind wir erst sehr im Beginne einer anderen Einsicht. Der eine Impuls geht dahin, wenigstens <strong>für</strong> die Erkenntnis das<br />

imaginative Leben zu bekämpfen <strong>und</strong> nur gelten zu lassen das bloße Phänomen. Sie sehen diese Tendenz rein ausgesprochen, wenn<br />

Sie all dasjenige ins Auge fassen, was Darwin selbst geschrieben hat. Denn Hypothesen, Theorien hat ja erst der Haeckelismus in<br />

den Darwinismus hineingebracht. Bei Darwin haben wir immer die Sehnsucht, die Phänomene zu beschreiben.<br />

Er zieht nur die großen Linien aus den Voraussetzungen heraus, auf die ich Sie neulich aufmerksam gemacht habe, <strong>und</strong> er zieht<br />

die großen Linien nach dem, was das Leben anstrebt innerhalb dieser Kulturgemeinschaft, nun wiederum nur das äußere Physische<br />

gelten zu lassen <strong>und</strong> immer mehr <strong>und</strong> mehr den Blick nur auf das äußere Physische zu richten, zu bekämpfen die imaginative Welt,<br />

auszumerzen die imaginative Welt, auszumerzen auch aus dem <strong>soziale</strong>n Leben. Und so entsteht, ich möchte sagen, aus diesem<br />

Begriffskomplex heraus ein ganz bestimmtes Menschenideal, ein Menschenideal, das sich in alles hineinfrißt <strong>und</strong> alles durchdringen<br />

will, das den Menschen in einer bestimmten Weise zu einem Erkennenden machen will, einem solchen Erkennenden, der die<br />

äußere physische Welt überschaut, aber mit Bezug auf alles dasjenige, was in die geistige Welt hineinführt, ablehnend sich verhält.<br />

Manchmal täuscht er sich darüber hinweg, daß er sich eigentlich ablehnend verhält, indem er allerlei Worte prägt <strong>für</strong> sonderbare<br />

Begriffe, die geistig, oftmals sogar mystisch sein sollen, die aber in Wirklichkeit doch auf nichts anderes hinauslaufen als auf<br />

dasjenige, was ich jetzt charakterisiert habe.<br />

Das ist zum Beispiel bei der Bergsonschen Philosophie der Fall. Gewiß, bei der Bergsonschen Philosophie glauben heute viele,<br />

sie sei wie eine Art Mystik <strong>und</strong> stelle sich als eine Art Mystik in das gegenwärtige Leben herein. Aber nicht darauf kommt es an,<br />

was man über etwas meint, sondern was in der Realität herauskommt. Und gerade nicht zu einer Widerlegung, sondern zu einer<br />

Stütze einer bloß positivistischen Weltanschauung wird dennoch diese vermeintliche Mystik führen.<br />

Gewiß, es liegen in diesem Kulturimpuls alle Elemente, das Urphänomenale herbeizuführen; aber es bereitet sich darin auch die<br />

Einseitigkeit vor, alles Imaginative zum Phantasieprodukt zu stempeln <strong>und</strong> es vom sogenannten Wissenschaftlichen auszumerzen,<br />

<strong>und</strong> das mit Bezug auf den Menschen als einem Erkennenden.<br />

Auch mit Bezug auf den Menschen als einem Handelnden, als einem <strong>soziale</strong>n Wesen, bereitete sich das vor, daß immer mehr <strong>und</strong><br />

mehr das Prinzip der bloßen Nützlichkeit des Erlebens <strong>und</strong> Handelns in dem, was äußerlich wahrnehmbar ist, was äußerlich da ist,<br />

was <strong>für</strong> den Menschen Wert hat zwischen Geburt <strong>und</strong> Tod, in den Vordergr<strong>und</strong> tritt, <strong>und</strong> alles andere gewissermaßen nur dazu da<br />

sein soll, damit in der richtigen Weise in eine glückseligmachende Welt oder in eine Nützlichkeitswelt eingespannt ist, was in der<br />

Sinneswelt da ist.<br />

Gesetze, Ideale werden gemacht, um gewissermaßen das Sinnlich-Wirkliche besser genießen zu können. Diesen Zug, man kann<br />

ihn sowohl bei den Utopisten wie auch bei den Sozialisten des Westens deutlich wahrnehmen. Überall dringt er durch, ich möchte<br />

sagen von Morus bis Comte, von Adam Smith bis Karl Marx, überall tritt er in der Theorie auf. Aber er tritt auch in den Lebensgewohnheiten<br />

auf, er durchsetzt das <strong>soziale</strong> Fühlen, das <strong>soziale</strong> Denken, aber auch das Handeln. Und man kann sagen: Das Ideal vom<br />

Menschen, das sich herausbildet unter dem Einflusse dieser Impulse, die hier durch ein paar Abstraktionen notdürftig angedeutet<br />

sind, das ist das Gespenst, könnte man sagen, des Bourgeois, der wie eine Art Ideal spukt überall da, wo der charakterisierte einseitige<br />

Impuls einseitig sich ins Dasein treiben will. Nur eine Hinwegtäuschung über Wesentlichstes ist es, wenn heute der Sozialist<br />

oftmals meint, er sei nicht mehr beherrscht von dem Bourgeois-Ideal. Er strebt oftmals gerade erst recht dem Bourgeois-Ideal zu,<br />

indem er <strong>für</strong> sich auch haben will nach <strong>und</strong> nach, was dem Bourgeois zuteil wurde durch die Zeit, in welcher der Bourgeois eben<br />

heraufgekommen ist. Der Bourgeois erkennt die Sinnenwelt <strong>und</strong> betrachtet dasjenige, was <strong>für</strong> ihn geltend ist. Begriffe <strong>und</strong> Ideen<br />

sind nur dazu da, die Sinnenwelt mit Klammern zusammenzuhalten. Der Bourgeois erlebt sich in dem, was <strong>für</strong> die Zeit zwischen<br />

Geburt <strong>und</strong> Tod wesentlich ist, <strong>und</strong> betrachtet alles übrige, was an <strong>soziale</strong>n Einrichtungen, an <strong>soziale</strong>n Idealen ausgedacht werden<br />

kann, insoweit, als es fördern kann dasjenige, was zwischen Geburt <strong>und</strong> Tod eingeschlossen ist.<br />

Viele, die heute tief drinnenstecken in diesem Ideale des Bourgeoistums, werden sich in ihrem Bewußtsein furchtbar dagegen<br />

wehren. Aber auf sie ist anwendbar, vielleicht nur variiert, dasselbe, was der Mephisto sagt: «Den Teufel spürt das Völkchen nie,<br />

<strong>und</strong> wenn er sie beim Kragen hätte.» So merken die Menschen oftmals dasjenige nicht, wovon sie am meisten beeinflußt sind.<br />

Nun, ich habe Ihnen das letzte Mal charakterisiert, wie auch das Spirituelle, wenn man das erreicht hätte, was gewisse Kreise mit<br />

der Blavatsky wollten, was aber dann durchkreuzt worden ist, wie auch das Geistige in den Dienst des reinsten Bourgeois-Ideales<br />

hätte gestellt werden sollen: Da hätten eben errichtet werden sollen Auskunftsstellen, in denen man die Medien benützt hätte,<br />

damit man auf diese Weise durch «Geistes Kraft <strong>und</strong> M<strong>und</strong>» so manches Börsen- <strong>und</strong> sonstige Geheimnis <strong>für</strong> das Leben erfahren<br />

hätte. Daß übrigens dieser Drang nicht gar so ohne Widerhall in den Herzen der gegenwärtigen Menschen ist, da<strong>für</strong> ließen sich<br />

sogar viele dokumentarische Beweise anführen; denn die Briefe sind nicht so selten, die bei mir einlaufen von Leuten, die immer<br />

wieder <strong>und</strong> wiederum schreiben, sie seien um ihr Vermögen gekommen <strong>und</strong> ich möchte ihnen <strong>für</strong> diese oder jene Lossorte angeben<br />

aus K<strong>und</strong>gebungen der geistigen Welt heraus, welche Nummer gezogen werden wird, <strong>und</strong> ähnliche Dinge. Sie lachen darüber, aber<br />

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