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Krieg und Frieden - Institut für soziale Dreigliederung

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das germanische Element. Von diesem hat er die Kühnheit <strong>und</strong> Frische der Anschauung, einen gewissen Freimut <strong>und</strong> festes Eintreten<br />

<strong>für</strong> dasjenige, was er sich vorgesetzt hat. Aus diesen drei Elementen setzt Carducci das Seelenleben Dantes zusammen.<br />

Das erste weist uns hin auf Altkeltisches, das ihn irgendwie durchblutet <strong>und</strong> ihn zurückführt in den dritten nachatlantischen<br />

Zeitraum, denn das Keltische im Norden führt zurück in dasjenige, was wir kennengelernt haben als den dritten nachatlantischen<br />

Zeitraum. Dann finden wir den vierten nachatlantischen Zeitraum im romanischen, den fünften im germanischen Elemente. Aus den<br />

drei Zeiträumen <strong>und</strong> ihren Impulsen setzt Carducci die Elemente in Dantes Seele zusammen, so daß wir also wirklich drei Schichten<br />

haben, welche nebeneinander oder vielmehr übereinander gelagert sind: dritter, vierter, fünfter Zeitraum, keltisch, romanisch, germanisch.<br />

Gute Dante-Forscher haben viele Bemühungen angestellt, um dahinterzukommen, wie Dante von der geistigen Welt aus<br />

sein Blut in der Weise hat mischen können, daß es ein derartig zusammengesetztes wurde. Sie haben es natürlich nicht mit diesen<br />

Worten ausgesprochen, wie ich es jetzt sage, aber sie haben diese Bemühungen angestellt, <strong>und</strong> manches ist, wie man glaubt, dadurch<br />

zustande gekommen, daß ein gutes Stück von Dantes Vorfahrenschaft in Graubünden zu finden ist.<br />

Das kann die Geschichte schon bis zu einem gewissen Grade bestätigen: Nach allen Windrichtungen hin, aber auch nach dieser<br />

Gegend, wo so viel Blutmischung stattgef<strong>und</strong>en hat, weist der Vorfahrenzug Dantes hin.»<br />

Deutscher Haß auf Goethe<br />

GA185, S.228-230, 3 1982, 3.11.1918, Dornach<br />

Kurzfassung: Goetheanismus als Individualismus von Deutschen am meisten gehaßt. Soll keine Konzession an Wilson sein. Er ist<br />

zwar zur weltweiten Autorität geworden, aber durch Auslese der Schlechtesten.<br />

«Als ich meine «Philosophie der Freiheit» hier vor acht Tagen besprochen habe, da habe ich versucht, Ihnen darzustellen, wie<br />

ich mit meinem Wirken eigentlich es dahin gebracht habe, überall herauslanciert zu werden. Sie erinnern sich wohl noch an dieses<br />

Herauslancieren auf den verschiedensten Gebieten. Ja, ich darf wohl sagen: Auch mit dem Goetheanismus darf ich mich von den<br />

verschiedensten Seiten her als herauslanciert betrachten, da, wo ich versucht habe in den letzten schweren Jahren, die Menschheit<br />

auf ihn hinzuweisen. Goetheanismus ist ja nun wirklich nicht, daß etwas über Goethe gesagt wird, sondern Goetheanismus kann es<br />

auch sein, wenn man sich die Frage aufwirft: Was geschieht am besten irgendwo an irgendeiner Stelle der Welt, jetzt, wo alle Völker<br />

der Welt miteinander raufen? - Aber auch da fühlte ich mich überall herauslanciert. Das sage ich nicht aus Pessimismus, denn dazu<br />

kenne ich die Konstitution des Karma viel zu gut. Das sage ich auch nicht, weil ich nicht morgen doch dasselbe machen würde, was<br />

ich gestern gemacht habe, wenn sich mir die Gelegenheit dazu bieten würde. Aber ich muß es sagen, weil es notwendig ist, manches<br />

zur Kenntnis der Menschheit zu bringen, weil die Menschheit nur dadurch, daß sie in die Wirklichkeit hineinschaut, dazu kommen<br />

kann, ihrerseits selbst die Impulse zu finden, die dem gegenwärtigen Zeitalter angemessen sind.<br />

Muß es denn durchaus sein, daß die Menschen gar nicht dazu kommen können, durch das Regemachen desjenigen, was in ihren<br />

Herzen <strong>und</strong> ihren innersten Seelen sitzt, den Weg zu finden zum Lichte? Muß es denn auf dem Wege des äußeren Zwanges sein?<br />

Muß es denn auf dem Wege geschehen, daß erst alles zusammenbricht, damit die Menschen anfangen zu denken? Soll man nicht<br />

diese Frage doch jeden Tag, jeden Tag aufs neue aufwerfen? Nicht verlange ich, daß der einzelne dies oder jenes tut, denn ich weiß<br />

sehr gut, wie wenig man in der Gegenwart tun kann. Aber was notwendig ist, ist Einsicht zu haben, nicht immer dieses falsche Urteil<br />

<strong>und</strong> dieses Nichtbemühen zu haben, in die Dinge hineinzuschauen, wie sie ihrer Wirklichkeit nach sind.<br />

Einen merkwürdigen Eindruck hat mir eine Bemerkung gemacht, die ich heute morgen lesen konnte. Ich las in der «Frankfurter<br />

Zeitung», also in einer deutschen Zeitung, die Betrachtung eines Mannes, den ich vor achtzehn, zwanzig Jahren gut gekannt habe,<br />

mit dem ich viele einzelne Dinge besprochen habe. Ich las in der «Frankfurter Zeitung» ein Feuilleton von ihm. Ich habe ihn seit<br />

sechzehn, achtzehn Jahren nicht mehr gesehen. Er ist Dichter <strong>und</strong> Dramatiker, seine Stücke sind aufgeführt worden. Paul Ernst heißt<br />

er; ich habe ihn seinerzeit einmal sehr gut kennengelernt. Heute las ich einen kleinen Artikel von ihm über den sittlichen Mut,<br />

darinnen einen Satz - ja, es ist ja sehr schön, wenn einer heute einen solchen Satz schreibt, aber man muß immer wieder <strong>und</strong> wiederum<br />

fragen: Muß denn erst so etwas hereinbrechen, wie es jetzt hereingebrochen ist, damit solch ein Satz möglich geworden ist? - Da<br />

schreibt ein Urdeutscher, ein sehr gebildeter Deutscher: Man hat immer bei uns behauptet, man hasse die Deutschen. Ich möchte<br />

wissen, sagte er, wer in aller Welt den deutschen Geist wirklich gehaßt hat?<br />

Ja doch, da erinnert er sich: In den letzten Jahren haben den deutschen Geist die Deutschen am allermeisten gehaßt!<br />

Und vor allen Dingen, ein wirklicher innerer Haß ist schon vorhanden in bezug auf den Goetheanismus. Aber das sage ich nicht,<br />

um nach irgendeiner Seite hin eine Kritik zu üben, <strong>und</strong> schon gar nicht, um nach irgendeiner Seite hin - das sind Sie alle von mir<br />

nicht gewöhnt - etwas Schönes zu sagen, um etwa dem Wilson Konzessionen zu machen. Aber es macht einen wehmütigen Eindruck,<br />

wenn die Dinge nur unter Zwang kommen, während sie wahrhaft heilsam doch nur sein können, wenn sie aus dem freien<br />

Menschen heraus kommen. Denn es ist auch heute schon notwendig, daß aus den freien Gedanken heraus diejenigen Dinge kommen,<br />

die Gegenstand der Freiheit sein müssen. Immer muß ich es aber betonen: Nicht um Pessimismus zu erregen, sage ich diese<br />

Dinge, sondern um zu Ihren Seelen, zu Ihren Herzen zu sprechen, damit Sie wiederum zu anderen Seelen, zu anderen Herzen sprechen<br />

<strong>und</strong> versuchen, Einsicht zu erwecken, damit Urteil entsteht. Denn dasjenige, was am meisten ins Schlimme gekommen ist in<br />

der letzten Zeit, das ist ja das Urteil, das sich so trüben läßt über die ganze Welt hin unter der Anbetung von Autorität. Wie ist die<br />

Welt heute froh - man möchte sagen, über den ganzen Erdkreis hin -, daß sie einen Schulmeister als einen Götzen anbeten kann; wie<br />

ist die Welt darüber froh, daß sie nicht selbst zu denken braucht! Das ist keine nationale Tugend oder Untugend, das ist etwas, was<br />

jetzt in der Welt liegt <strong>und</strong> was bekämpft werden muß dadurch, daß der Mensch versucht, sich die Unterlage zu einem Urteil zu<br />

geben. Aber man kommt nicht zu einem Urteil, wenn man sich bloß - verzeihen Sie den harten Ausdruck - auf seine Hinterbeine<br />

stellt <strong>und</strong> unter allen Umständen Urteile, Urteile fällt. Man braucht den Willen, einzudringen in die Wirklichkeit. Diejenigen Menschen,<br />

die heute oft die führenden Menschen sind, ich habe in anderem Zusammenhange hier gesagt: Es ist die Auslese der<br />

Schlechtesten, durch die besonderen Verhältnisse der letzten Zeit herbeigeführt. - Dies muß man durchschauen.»<br />

Siehe auch das Schlagwort «Haß auf beunruhigende deutsche Universalität»: Da sich die deutsche Volksseele zugunsten der<br />

individuellen Freiheit zurückzieht, können Deutsche sich selber verpassen.<br />

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