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Krieg und Frieden - Institut für soziale Dreigliederung

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«Karl Marx knüpfte in echt Hegelscher Weise an die Dialektik an. Er sagte: Wir wollen als Proletarier gar nichts, was wir erfinden,<br />

sondern was uns die Entwickelung selber lehrt; wir wollen bloß das Rad etwas ins Rollen bringen, daß es bewußt weiterrollt. All<br />

das, was wir wollen, würde schon von selber kommen, indem sich das Unternehmertum immer mehr <strong>und</strong> mehr in Gesellschaften, in<br />

Trusts <strong>und</strong> so weiter zusammentut. Indem es die staatlichen Impulse in seinen Dienst stellt, sorgt das Unternehmertum schon da<strong>für</strong>,<br />

daß es sich immer mehr <strong>und</strong> mehr als eine Klasse absondert von der Klasse des Proletariats, daß die Besitzenden <strong>und</strong> Besitzlosen<br />

immer schroffer einander gegenüberstehen, aber so, daß das alles immer mehr <strong>und</strong> mehr uniformiert wird, daß immer weniger einzelne<br />

Besitzende da sind, sondern immer größere Gesellschaften von Besitzenden, die notwendigerweise auch gerade in dieser<br />

Weise vom Proletariat hervorgerufen würden. Der Besitz organisiert sich. - Kampfstimmung war vor allen Dingen das, was im Proletariat<br />

aufdämmerte aus der marxistischen Dialektik, aus der marxistischen Wissenschaft. Und diese Kampfstimmung lebte seit<br />

Jahrzehnten in dem Gegensatze zwischen dem Proletariat, das über alle nationalen, über alle sonstigen Grenzen hin sich bloß als<br />

Proletariat fühlte, <strong>und</strong> zwischen dem Unternehmertum, das sich immer mehr <strong>und</strong> mehr auch vergesellschaftete <strong>und</strong> endlich auswuchs<br />

in den Imperialismus. So daß nach <strong>und</strong> nach das moderne Leben die alte politische Form immer mehr <strong>und</strong> mehr verlor <strong>und</strong><br />

dasjenige, wovon man konfuserweise sich noch die Illusion machte, daß es alte Staatsgebilde seien, zu den neuen Imperialismen<br />

wurde, die eigentlich nichts anderes sind als die Verkörperung desjenigen, was dem Proletariat gegenübersteht als das Unternehmertum.<br />

Und im eminentesten Sinne gehört zu solchen Imperialismen dasjenige, was sich einbildet, ein altes politisches Gebilde<br />

zu sein, was aber nach <strong>und</strong> nach ganz <strong>und</strong> gar nur eine Unternehmerveranstaltung geworden ist: das Britische Reich; dazu gehören<br />

die Vereinigten Staaten. Sie können das in den älteren Schriften <strong>und</strong> Vorträgen von Wilson nachlesen, der ja das alles bewiesen hat,<br />

daß es so ist in Wirklichkeit, denn in diesem Gebiete, in bezug auf das Sehen in diesem Gebiete - ich habe es ja schon von anderer<br />

Seite gezeigt - ist Woodrow Wilson wirklich ein einsichtiger Mann.<br />

Also das ist es, was, man könnte sagen, eigentlich zugr<strong>und</strong>e liegt diesem <strong>Krieg</strong>e, sogenannten <strong>Krieg</strong>e; das ist es, was lauerte, <strong>und</strong><br />

was sich maskiert hat in dem sogenannten Gegensatze der Zentralmächte <strong>und</strong> der Entente. Das hat sich seit Jahrzehnten herausgebildet.<br />

Das mußte zum Ausdruck kommen in irgendeiner Weise <strong>und</strong> wird weiter zum Ausdruck kommen. Immer mehr <strong>und</strong> mehr wird<br />

der Kampf die Form annehmen, in irgendeiner Maske den Gegensatz, der sich in dem Unternehmertum <strong>und</strong> dem Millionen-<br />

Proletariat vorgebildet hat, zum Ausdruck zu bringen. Staat heißen in dem Sinne, wie die westlichen Staaten Staaten bleiben wollen,<br />

Staat heißen wird man nur können, wenn man in irgendeiner Weise den Staat benützt als Rahmen <strong>für</strong> Unternehmerbestrebungen,<br />

Kapitalistenbestrebungen; <strong>und</strong> Gegner, Gegnerschaft wird sich herausbilden da, wo das Bewußtsein des Proletariats überwiegt.<br />

Das gloste, wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, gloste, glimmte, sengte - was nicht ganz glimmt, das glost -, glomm<br />

unter dem, was sich als eine große Lüge, als die Lüge des sogenannten Weltkriegs über die Welt hin erstreckte; das benützte all<br />

dasjenige, was nun phrasenhaft hineinklang von «Freiheit der Nationen, Selbstbestimmungsrecht jeder Nation». «Freiheit der<br />

Nationen» klingt ja schöner, als wenn man sagt: Wir brauchen im Osten von Europa ein Absatzgebiet, denn wo Produktion ist, muß<br />

Konsumtion sein. - Man sagt es vielleicht nur dann, wenn man einer ganz geheimen Loge angehört, die von den hinteren Machtgefilden<br />

aus die ganze Situation beherrscht. An der Außenseite verbrämt man die ganze Sache mit schönklingenden Phrasen, putzt sie<br />

dadurch auf, daß man möglichst Worte prägt, über die sich die Leute entrüsten können, von allen möglichen ungeheuerlichen<br />

Taten <strong>und</strong> so weiter. Dasjenige aber, was als Wahrheit hinter den Dingen ist, das wird sich den Menschen schon zeigen; das wird<br />

sich eben zeigen, daß herausspringt aus der Summe von Unwahrhaftigkeit dasjenige, was dahintersitzt <strong>und</strong> was nur geheilt werden<br />

kann durch ein so tiefes Verständnis der Wirklichkeit, wie es einzig <strong>und</strong> allein der Geisteswissenschaft möglich sein kann.»<br />

Wirtschaftlich-geistige Ausbeutung des Osten<br />

GA196, S.288-289, 22 2 1920, Dornach<br />

Kurzfassung: Westen muß eigenes Geistesleben entwickeln. Beutet sonst Osten nicht nur wirtschaftlich, sondern noch dazu geistig<br />

aus.<br />

«Also es handelt sich darum, daß man wirklich aufsteigt zu dieser Erkenntnis des Phrasenhaften in der Gegenwart. Und das ist<br />

dadurch erschwert, daß eben derjenige, der in der Phrase lebt, bloß die Wortrepräsentanten alter Begriffe in seinem Gehirn herumkollert<br />

<strong>und</strong> glaubt zu denken. Aber man kann nur wirklich zum Denken wieder kommen, wenn man das innere Seelenleben mit<br />

Substanz durchdringt, <strong>und</strong> die kann nur aus der Erkenntnis der geistigen Welt, dem spirituellen Leben kommen. Nur durch dieses<br />

Sich-Durchdringen mit dem spirituellen Leben kann der Mensch wiederum ein vollinhaltlicher Mensch werden, nachdem er ein<br />

Phrasendarm, ein Phrasengedärme geworden ist, das ausgeleert ist, das sich mit Worthülsen zufrieden gibt.<br />

Aus diesem, was ich gestern schon andeutete als ein Schamgefühl, wird der Ruf nach dem Geistigen entstehen. Und die Möglichkeit,<br />

daß Geistiges sich verbreite, wird nicht anders kommen als dadurch, daß das geistige Leben selbständig sich entwickelt.<br />

Sonst muß man immer in kleine Löchelchen hineinarbeiten, wie wir es bei der Waldorfschule machen mußten, weil das württembergische<br />

Schulgesetz eben noch dieses eine Loch gehabt hat, daß es möglich war, eine Waldorfschule einzurichten bloß nach geistigen<br />

Gesetzen, nach geistigen Prinzipien, das fast auf keinem andern Fleck der Erde jetzt möglich wäre. Aber man kann ja dasjenige,<br />

was mit dem Geistesleben zusammenhängt, nur wirklich aus dem Geiste einrichten, wenn die andern beiden Glieder des <strong>soziale</strong>n<br />

Organismus nicht hineinsprechen, wenn wirklich nur aus dem Geistigen heraus die Dinge geholt werden.<br />

Vorläufig geht die Tendenz des Zeitalters ganz dawider. Aber diese Tendenz des Zeitalters wird niemals damit rechnen, daß tatsächlich<br />

mit jeder neuen Generation immer mehr <strong>und</strong> mehr auf der Erde ein neues Geistesleben erscheinen wird. Ganz gleichgültig,<br />

ob man heute einen absolutistischen Staat oder eine Räterepublik errichtet, würde man mit solchen Einrichtungen fortfahren ohne<br />

das Bewußtsein, daß alles, was entsteht, dem Leben unterworfen ist <strong>und</strong> sich fortwährend umwandeln muß, auch durch Tode gehen<br />

muß, neue Gestalten, Metamorphosen durchmachen muß, dann würde man nichts anderes vorbereiten, als daß jedesmal die nächste<br />

Generation revolutionär wird, denn man würde ja nur <strong>für</strong> die Gegenwart, das, was man <strong>für</strong> die Gegenwart gut hält, dem <strong>soziale</strong>n<br />

Organismus einverleiben. Zu den Gr<strong>und</strong>sätzen, welche in westlichen Gegenden noch sehr in die Phrase hineingeheimnißt sind,<br />

muß der kommen, den <strong>soziale</strong>n Organismus als ein Lebendiges anzusehen. Man sieht ihn als ein Lebendiges nur an, wenn man ihn<br />

in seiner Dreigliedrigkeit durchschaut. Daher liegt es gerade in der starken, in der furchtbaren, in der intensiven Verantwortlichkeit<br />

derjenigen, die durch die wirtschaftliche Begünstigung heute einen Imperialismus nahezu über die ganze Welt ausdehnen, sich<br />

bewußt zu werden, daß in diesen Imperialismus hineingegossen werden muß die Pflege eines wahren Geisteslebens. Als Hohn muß<br />

es empf<strong>und</strong>en werden, daß auf den Britischen Inseln ein Wirtschaftsreich über die ganze Welt gegründet wird, <strong>und</strong> daß man dann,<br />

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