Krieg und Frieden - Institut für soziale Dreigliederung
Krieg und Frieden - Institut für soziale Dreigliederung
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kommen über die Dinge. Denn nur Geisteswissenschaft kann einiges Licht verbreiten über die Frage: Wie stehen wir dann überhaupt<br />
als Menschen in Beziehung zu anderen Menschen? Wann ist denn gewissermaßen das rechte Verhältnis von Mensch zu<br />
Mensch <strong>für</strong> das gewöhnliche, alltägliche Bewußtsein, besser gesagt, <strong>für</strong> das gewöhnliche, alltägliche Leben hergestellt? Ja, sehen<br />
Sie, wenn dieses richtige Verhältnis hergestellt ist zwischen Mensch <strong>und</strong> Mensch, dann ist auch zweifellos die <strong>soziale</strong> Ordnung da.<br />
Aber nun liegt - man mag ja sagen: unglückseligerweise, aber der Erkennende sagt: notwendigerweise - die eigentümliche Tatsache<br />
vor, daß wir ein regelrechtes Verhältnis von Mensch zu Mensch nur im Schlafe entwickeln. Nur wenn wir schlafen, stellen wir ein<br />
ungeschminktes, richtiges Verhältnis von Mensch zu Mensch her. In dem Augenblicke, wo Sie das gewöhnliche Tagesbewußtsein<br />
abgelähmt haben, wo Sie in dem Zustande zwischen Einschlafen <strong>und</strong> Aufwachen im traumlosen Schlafe sind, da sind Sie - jetzt rede<br />
ich mit Bezug auf das Vorstellen, mit Bezug auf das Denken - ein <strong>soziale</strong>s Wesen. In dem Augenblicke, wo Sie aufwachen, beginnen<br />
Sie durch das Vorstellen, durch das Denken anti<strong>soziale</strong> Impulse zu entwickeln. Man muß sich nur denken, wie kompliziert dadurch<br />
die menschlichen Gesellschaftsverhältnisse werden, daß eigentlich der Mensch nur im Schlafe zu dem andern Menschen sich richtig<br />
verhält. Ich habe das von anderen Gesichtspunkten aus verschiedentlich angedeutet. Ich habe zum Beispiel angedeutet, daß<br />
man gut chauvinistisch national sein kann im Wachen - wenn man im Schlafe ist, wird man gerade unter diejenigen Menschen<br />
versetzt, ist man mit denen zusammen, namentlich mit ihrem Volksgeist, die man im Wachen am allermeisten haßt. Dagegen läßt<br />
sich schon nichts machen. Der Schlaf ist ein <strong>soziale</strong>r Ausgleicher. Aber da die moderne Wissenschaft über den Schlaf überhaupt<br />
nichts wissen will, so wird sie in ihre <strong>soziale</strong>n Betrachtungen ja noch lange nicht einbeziehen, was ich eben jetzt gesagt habe.»<br />
Siehe auch das Schlagwort «Soziale Freiheit statt Blutsverwandschaft»: Auch Jahve mußte die Nacht ausnutzen, um den Menschen<br />
wenigstens in bezug auf sein eigenes Volk sozial zu machen.<br />
Lehrer <strong>und</strong> Richter<br />
Grenzüberschreitende Richter statt Grenzverschiebung<br />
GA185a, S.218-220, 2 1963, 24.11.1918, Dornach<br />
«Dann gibt es ein drittes Gebiet, das ist das Gebiet des geistigen Lebens. Zu dem rechne ich alles Religionstreiben, das gar<br />
nichts zu tun haben darf mit demjenigen, was Sicherheitsdienst ist <strong>und</strong> wirtschaftliches Leben; dazu rechne ich allen Unterricht,<br />
dazu rechne ich alle Übrige freie Geistigkeit, allen wissenschaftlichen Betrieb, <strong>und</strong> dazu rechne ich auch alle Jurisprudenz. Ohne<br />
daß die Jurisprudenz dazu gerechnet wird, ist alles übrige falsch. Sie kommen sogleich zu einer widersinnigen <strong>Dreigliederung</strong>,<br />
wenn Sie nicht so gliedern: Sicherheitsdienst nach dem Prinzip der Gleichheit, wirtschaftliches Leben nach dem Prinzip der Brüderlichkeit,<br />
die Gebiete, die ich eben aufgezählt habe: Jurisprudenz, Unterrichtswesen, freies geistiges Leben, religiöses Leben,<br />
unter dem Gesichtspunkte der Freiheit, der absoluten Freiheit. Wiederum muß aus absoluter Freiheit die notwendige Verwaltung<br />
dieses dritten Gliedes der gesellschaftlichen Ordnung hervorgehen. Und der notwendige Ausgleich, der kann erst durch den freien<br />
Verkehr der diese drei Glieder Leitenden <strong>und</strong> Bestimmenden gesucht werden. Auf dem Gebiete des geistigen Lebens, zu dem eben<br />
die Jurisprudenz gehört, wird sich ja nicht so etwas herausstellen, wenn es wirklich einmal durchgeführt würde, wie ein Ministerium<br />
oder Parlament, sondern etwas viel freieres; es wird die Struktur ganz anders verlaufen.<br />
Zu dem, was da angestrebt werden muß, müssen natürlich Übergangsformen sein. Aber das sollte den Menschen einleuchten. Und<br />
nicht früher kommen wir zu einer Ges<strong>und</strong>ung, bevor es den Menschen einleuchtet, daß in dieser Weise diese <strong>Dreigliederung</strong>, von<br />
der ich gesprochen habe, zugr<strong>und</strong>e liegen muß, daß alles so gedacht werden muß, daß man nicht einen uniformierten Staat beibehalten<br />
kann. Denn die Staatsidee ist unmittelbar nur anzuwenden auf den ersten Teil, auf den Sicherheits- <strong>und</strong> Militärdienst. Was<br />
unter Staatsomnipotenz gestellt wird außer Sicherheits- <strong>und</strong> Militärdienst, das steht auf unges<strong>und</strong>er Basis, denn das wirtschaftliche<br />
Leben muß auf rein, sei es korporativer, sei es auf assoziativer Basis aufgebaut werden, wenn es sich ges<strong>und</strong> entwickeln will.<br />
Und das geistige Leben einschließlich der Jurisprudenz ist nur dann auf ges<strong>und</strong>er Basis aufgebaut, wenn der einzelne vollständig<br />
frei ist. Er muß frei sein in bezug auf alles andere. Er muß auch, meinetwillen von fünf zu fünf, von zehn zu zehn Jahren seinen<br />
Richter bestellen können, der sowohl sein Privat-, wie sein Strafrichter ist. Ohne das geht es nicht, ohne das kommen Sie zu keiner<br />
entsprechenden Struktur.<br />
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