Editorial 17 - Zm-online
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48 Medizin<br />
Analgetika und Sicherheit<br />
Schmerzpatienten im Straßenverkehr<br />
Wolfgang Sohn<br />
Unbehandelte Schmerzen erhöhen die Unfallgefahr im Straßenverkehr. Andererseits<br />
können auch Analgetika die Verkehrssicherheit beeinträchtigen. Als<br />
Arzt sollten Sie deshalb Ihre Patienten über die relevanten Nebenwirkungen wie<br />
Müdigkeit, Schwindel und Muskelrelaxation aufklären. Besondere Vorsicht ist<br />
bei zusätzlicher Begleit- oder Dauermedikation sowie Alkoholkonsum geboten.<br />
Schmerzmittel gehören zu den Medikamenten,<br />
die besonders häufig im Rahmen der<br />
Selbstmedikation, aber auch langfristig bei<br />
chronischen Schmerzen eingenommen<br />
werden. Mögliche Nebenwirkungen treten<br />
vor allem in Form gastrointestinaler Beschwerden,<br />
wie Magenschmerzen, auf.<br />
Psychotrope Wirkungen wie Müdigkeit,<br />
Schwindel oder verminderte Reaktionsfähigkeit<br />
sind seltener, können aber zu Beeinträchtigungen<br />
im Straßenverkehr führen.<br />
Patienten fürchten<br />
Mobilitätsverlust<br />
Für eine gezielte Selbstmedikationsberatung<br />
zeigt sich nur etwa ein Drittel der<br />
Ärzte aufgeschlossen, obwohl zwei Drittel<br />
der Patienten sich dies wünschen würden<br />
[1]. Ein solches Defizit in der Arzt-Patienten-<br />
Kommunikation wiegt umso schwerer, als<br />
Analgetika unverändert einen vorderen<br />
Rang bei selbst gekauften Arzneimitteln<br />
einnehmen [2]. Zwar schätzen 72,7 Prozent<br />
der Patienten die Gebrauchsinformation<br />
(„Beipackzettel“) als wichtige Informationsquelle<br />
ein, doch tut sich etwa die Hälfte aller<br />
Patienten mit dem Verständnis von Neben-<br />
oder Wechselwirkungen schwer [3].<br />
Damit wird die seit langem bestehende Kritik<br />
bestätigt, nach der Beipackzettel von Juristen<br />
für Juristen formuliert sind und nicht<br />
der Information, der Compliance oder Einnahmesicherheit<br />
dienen. Trotzdem werden<br />
ärztliche Hinweise auf eine vorliegende<br />
krankheits- oder behandlungsbedingte Unfähigkeit,<br />
am Straßenverkehr teilzunehmen,<br />
in unserer „mobilen“ Gesellschaft oft<br />
als Zumutung erlebt. Dabei sind neben den<br />
PKW-Fahrern auch Fahrradfahrer und<br />
Fußgänger betroffen. Offenbar wird die reduzierte<br />
Mobilität mit einem Verlust von<br />
Autonomie gleichgesetzt, was besonders<br />
bei älteren Schmerzpatienten festzustellen<br />
ist [5].<br />
Wenn Bedenken gegen die<br />
Fahreignung bestehen<br />
Bestehen von ärztlicher Seite Bedenken gegen<br />
die Fahreignung eines Patienten, müssen<br />
entsprechende Hinweise (Pflicht zur Sicherungsaufklärung)<br />
deutlich vermittelt<br />
und dokumentiert werden. Anderenfalls<br />
läuft der Arzt Gefahr, dass im Falle eines Unfalls<br />
Haftungsansprüche an ihn gestellt werden,<br />
weil der Patient bei Rückschluss auf<br />
eine Medikamentenwirkung dem Arzt ein<br />
Versäumnis anlastet. Begutachtungsleitlinien<br />
wie „Krankheit und Kraftverkehr“ vom<br />
Beirat für Verkehrsmedizin [6] oder die<br />
Empfehlungen des Deutschen Verkehrssicherheitsrates<br />
[7] bieten dazu übersichtliche<br />
Informationen.<br />
Allerdings führen auch starke, unbehandelte<br />
Schmerzen zu einer erheblichen Verschlechterung<br />
der kognitiven und psychomotorischen<br />
Leistung und bieten deshalb<br />
ebenfalls ein Risikopotenzial.<br />
Risiken der Komedikation<br />
beachten<br />
Schmerzmittel können<br />
müde machen –<br />
außerdem reagiert<br />
jeder Organismus<br />
anders. Daher –<br />
Hände weg vom<br />
Steuer – wer starke<br />
Schmerzmittel nehmen<br />
muss.<br />
In der Therapie chronischer Schmerzen<br />
geht es aber nicht nur um die Gruppe der<br />
Analgetika, sondern auch um so genannte<br />
Koanalgetika – Medikamente, die ihre ursprüngliche<br />
Zulassung nicht für die Behandlung<br />
von chronischen Schmerzen,<br />
sondern für andere Indikationen hatten.<br />
Dazu zählen trizyklische Antidepressiva<br />
(Doxepin, Amitriptylin) und Antikonvulsiva<br />
(Carbamazepin, Gabapentin). Auch die oft<br />
notwendige Begleitmedikation (Antiemetika,<br />
Laxanzien, Benzodiazepine und mehr)<br />
oder Mischpräparate mit Kodein- oder Koffeinanteilen<br />
können das Reaktionsvermögen<br />
zusätzlich beeinträchtigen.<br />
zm 93, Nr. <strong>17</strong>, 1. 9. 2003, (2092)