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Editorial 17 - Zm-online

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16 Das aktuelle Thema<br />

Öko-Test von Zahnpasten<br />

Ein Bärendienst für den Verbraucher<br />

Gisela Hetzer<br />

Typische Sommerloch-News: Die Titelseite der August-Ausgabe 2003 des<br />

Magazins Öko-Test schockt mit der Schlagzeile „Zahnpasta – So machen Sie<br />

sich die Zähne kaputt“. Nur sechs von 30 bewerteten Produkten schneiden<br />

mit „sehr gut“ ab, darunter zwei fluoridfreie Zahnpasten. Dagegen<br />

werden eine Reihe fluoridhaltiger Zahnpasten „wegen gesundheitsschädlicher<br />

Inhaltsstoffe“ nur mit „mangelhaft“ oder „ungenügend“<br />

bewertet. Fazit: Verwirrung pur für den Patienten. Deshalb<br />

hier eine Klarstellung aus wissenschaftlicher Sicht.<br />

In der Inhaltsübersicht des Magazins wird<br />

empfohlen, angesichts künftiger Zuzahlungen<br />

für Zahnarztbesuche „besser schleunigst<br />

auf eine der wenigen ordentlichen<br />

Marken“ umzusteigen. So wird der Verbraucher<br />

nun tatsächlich ratlos und verunsichert<br />

sein, denn unter der Rubrik „Tipps<br />

für gesunde Zähne“ weist Öko-Test darauf<br />

hin, wie wichtig Fluoride für die Zahngesundheit<br />

sind. Trotzdem fließen weder der<br />

Fluoridgehalt in die Bewertung ein, noch<br />

wird die Wirksamkeit der Produkte geprüft<br />

oder gar bewertet.<br />

Gesetzlich festgelegt<br />

Zahnpasten müssen ohne Zweifel gesundheitlich<br />

unbedenklich, aber auch wirksam<br />

sein. Das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz<br />

legt deshalb fest (§ 24): „Es<br />

ist verboten, kosmetische Mittel (dazu<br />

gehören bekanntlich auch Zahnpasten) für<br />

andere derart herzustellen oder zu behandeln,<br />

dass sie bei bestimmungsgemäßem<br />

oder vorherzusehendem Gebrauch geeignet<br />

sind, die Gesundheit zu schädigen ...“<br />

Was sind laut Öko-Test die vermeintlich gesundheitsschädlichen<br />

Inhaltsstoffe in Zahnpasten?<br />

1. Das Tensid Natriumlaurylsulfat (NLS)<br />

wird zum wiederholten Male als „gefährlicher<br />

Schaumschläger“ bezeichnet, der<br />

„Zahnfleisch reizt und Zähne möglicherweise<br />

anfälliger für Karies macht“. NLS ist<br />

klinisch und toxikologisch gut untersucht.<br />

Konzentrationen bis zu zwei Prozent gelten<br />

als unbedenklich. Eine entsprechende<br />

Stellungnahme der Deutschen<br />

Gesellschaft für Zahn-,<br />

Mund- und Kieferheilkunde<br />

(DGZMK) aus dem Jahre<br />

1993 wurde erst kürzlich<br />

aus dem Verzeichnis der<br />

wissenschaftlichen Stellungnahmen<br />

herausgenommen,<br />

weil der Vorstand<br />

gehofft hatte, die Diskussion<br />

habe sich mittlerweile definitiv erledigt.<br />

2. Duftstoffe (vor allem Eugenol), die Allergien<br />

auslösen können, werden erstmalig zur<br />

Beurteilung von Zahnpasten herangezogen.<br />

Hier wird einer anstehenden Novellierung<br />

der Kosmetikverordnung vorgegriffen. Es ist<br />

zu begrüßen, wenn potenzielle Allergene<br />

künftig deklariert werden müssen.<br />

3. Ein weiterer Stein des Anstoßes sind Polyethylenglykol<br />

(PEG)-Verbindungen. Das war<br />

auch in vorangegangenen Berichten zu lesen.<br />

Diese Stoffe sind Emulgatoren, die das<br />

Feststoff-Wasser-Öl-Gemisch der Zahnpaste<br />

stabilisieren. Sie seien in der Lage, „die<br />

Schleimhaut durchlässig für Schadstoffe zu<br />

machen“. Dazu ist grundsätzlich erst einmal<br />

festzustellen, dass Zahnpasten keine Schadstoffe<br />

enthalten dürfen, sondern ausschließlich<br />

toxikologisch unbedenkliche Substanzen.<br />

Insofern ist dieser Vorwurf irrelevant.<br />

Öko-Test verurteilt pauschal alle Emulgatoren,<br />

ohne die eingesetzte Menge zu berücksichtigen<br />

und ohne zwischen den einzelnen<br />

sehr zahlreichen PEG-Verbindungen zu unterscheiden.<br />

Die Deutsche Gesellschaft für<br />

Dermopharmazie konstatiert in einer Stellungnahme<br />

(2001), dass die „generelle Annahme<br />

einer penetrationsfördernden Wirkung<br />

von PEG-Verbindungen nicht sachgerecht<br />

ist“. Beispielsweise ist das vielfach in<br />

Zahnpasten eingesetzte PEG-40 Hydrogenated<br />

Castor Oil (hydriertes, mit PEG-40<br />

umgesetztes Riziniusöl) einer der am<br />

besten schleimhautverträglichen<br />

und<br />

toxikologisch geprüften<br />

Inhaltsstoffe in<br />

Zahnpasten.<br />

4. Schließlich wird vor<br />

dem „aggressiven Bakterienkiller<br />

Triclosan“<br />

gewarnt, der die Leberfunktion<br />

beeinträchtigen<br />

könne. Triclosan wird seit<br />

Jahrzehnten als Desinfektionsmittel<br />

in Kosmetika<br />

verwendet und gilt auch<br />

als wichtiger dermatologischer<br />

Wirkstoff in Fertigarzneimitteln.<br />

In der europäischen Kosmetikverordnung<br />

ist Triclosan als Konservierungsstoff<br />

zugelassen. Die amerikanische<br />

Food and Drug Administration (FDA) hat<br />

Triclosan als nicht toxisch und sicher für die<br />

topische und orale Anwendung (Zahnpasten)<br />

bewertet. Wegen der geringen Konzentration<br />

in Zahnpasten und Spüllösungen<br />

besteht kein gesundheitliches Risiko<br />

und der Hinweis auf Leberschädigungen ist<br />

haltlos.<br />

Summa summarum:<br />

■ Öko-Test hat die Wirksamkeit von Zahnpasten<br />

nicht getestet, sondern lediglich deren<br />

Inhaltsstoffe bewertet. Diese Bewertung<br />

enthält falsche Verallgemeinerungen.<br />

■ Der aus zahnmedizinischer Sicht wichtigste<br />

Wirkstoff Fluorid hat bei der Bewertung<br />

keine Rolle gespielt. Dem Verbraucher<br />

wurde damit ein Bärendienst erwiesen.<br />

Prof. Dr. Gisela Hetzer<br />

Leiterin der Abteilung Kinderzahnheilkunde<br />

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der<br />

TU Dresden, Zentrum für Zahn-, Mundund<br />

Kieferheilkunde<br />

Fetscher Str. 74<br />

01307 Dresden<br />

zm 93, Nr. <strong>17</strong>, 1. 9. 2003, (2060)

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