Heft 18 /2010 - Deutsche Gesellschaft für Logotherapie und ...
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einem Künstler geschaffene Werk, das uns durch seine innere Geschlossenheit<br />
beeindruckt. Die schon zitierten sprachlichen Wendungen verraten die<br />
Zusammenhänge: „R<strong>und</strong>um“ sind wir mit etwas zufrieden. „Aus einem<br />
Guss“ soll etwas sein oder zustande kommen. Das schätzen wir besonders<br />
bei Beziehungen oder Lebensstellungen. Eine Berufswahl, die organisch aus<br />
unseren Neigungen hervorgeht, befriedigt mehr als eine solche, bei der wir<br />
Vor- <strong>und</strong> Nachteile gegenüber anderen Berufen erst mühsam durch Vergabe<br />
von Punkten ausrechnen mussten. Allerdings sei an das postmoderne Loblied<br />
auf die Differenz erinnert, das das vorliegende Lob der Ganzheit zum<br />
Problem macht; darauf werden wir zurückkommen.<br />
Die eigentliche Ganzheit im Sinnerleben sind wir selbst. Wiederum gibt die<br />
Sprache einen Fingerzeig. Wir sagen „Er hat sich entschieden“ <strong>und</strong> meinen:<br />
Er hat etwas entschieden <strong>und</strong> gleichzeitig auch sich selbst – er ist nach der<br />
Entscheidung nicht mehr derselbe wie vorher. Sinn ist nicht „der“ Sinn, sondern<br />
„mein“ Sinn; in ihm bilde <strong>und</strong> erschaffe ich etwas, außerdem <strong>und</strong> vor<br />
allem aber mich selbst. Er ist, fachsprachlich ausgedrückt, „autopoietisch“,<br />
lässt mich als Subjekt <strong>und</strong> gestaltetes Objekt zugleich erscheinen. So hat er<br />
unverkennbar eine egozentrische Tendenz, die wir manchmal deutlich hervorkehren:<br />
„Das war meine Entscheidung. Ich habe sie getroffen, <strong>und</strong> ich<br />
stehe da<strong>für</strong> gerade!“ Aber diese Tendenz ist nicht das letzte Wort; das Problem<br />
der Personalität des Sinnes wird uns ebenso wie das Problem der Ganzheit<br />
noch beschäftigen: Das Ich – das Selbst – die Person, wie verhält es sich<br />
damit? Eines jedenfalls ist von vornherein klar: Eine Entscheidung ist insofern<br />
die „meine“, als sie in meinem persönlichen Sinnzusammenhang steht.<br />
Jeder Akt des Sinnes ist eingeb<strong>und</strong>en in einen solchen Zusammenhang. Es<br />
wird nicht wie bei einem Zufallsgenerator voraussetzungslos aus dem Leeren<br />
heraus entschieden. Immer habe ich vorher bereits eine Menge im Kopf,<br />
„im Sinn“, womit sich die neue Sinnfrage mehr oder weniger bewusst verknüpft.<br />
Sinn kommt aus einer Ganzheit <strong>und</strong> wirkt in eine Ganzheit.<br />
Von einer organisch-natürlichen Ebene ausgehend sind wir mit solchen<br />
Überlegungen zur geistigen Sphäre vorgedrungen. Ihr wenden wir uns nun<br />
vollends zu <strong>und</strong> betrachten den geistigen Hintergr<strong>und</strong> des Sinnes. Das Wort<br />
„geistig“ versteht sich in umgangssprachlicher, nicht metaphysischer Bedeutung<br />
<strong>und</strong> lehnt sich an den Spruch an: Alle Veränderungen beginnen im Kopf.<br />
Kopf <strong>und</strong> Körper, Seele <strong>und</strong> Leib sind nicht von einander geschieden. Was<br />
im Sein geschieht, wird in den Sinn „hinein genommen“, kommt entsprechend<br />
auch dort vor. Alles bisher Gesagte lässt sich auf das Innere des Sinnes<br />
übertragen. Auch dort ist von Stärke die Rede, geistiger Stärke, Willensstärke,<br />
<strong>und</strong> ebenso von Stärkung, wenn wir etwa zwecks innerer Aufrüstung<br />
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Werner Reiland