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Heft 18 /2010 - Deutsche Gesellschaft für Logotherapie und ...

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Sinn <strong>und</strong> Sein<br />

Hirnes könnte man in solchen Fällen ebenso gut den Algorithmus eines Computers<br />

arbeiten lassen, der zielsicher das Richtige trifft. Rechter Gebrauch<br />

der Freiheit ist hier tatsächlich identisch mit „Einsicht in die Notwendigkeit“.<br />

Das aber ist ein Sonderfall, der das schöpferische Element von Freiheit<br />

<strong>und</strong> Sinn ausklammert. Das Nachvollziehen von Sachzwängen kann ebenso<br />

wenig als Schöpfung gelten wie das Begehen von Fehlern.<br />

Mit schöpferischer Freiheit ist der volle Freiheitsbegriff <strong>und</strong> zugleich die dritte<br />

Stufe der Voraussetzungen des Sinnes erreicht. Schon bei dem Fahrplanbeispiel<br />

kann sich der Übergang vollziehen. Es genügt, dass eine Zugverbindung<br />

zwar schneller, aber unsicherer ist, weil bei ihrer kurzen Umsteigezeit<br />

Verspätungen den Anschluss gefährden würden. Oder eine andere Strecke<br />

wäre zwar länger, aber landschaftlich reizvoller. Dann gibt es keine eindeutig<br />

besseren Gründe; denn die Gründe da<strong>für</strong> <strong>und</strong> dagegen unterstehen keinem<br />

einheitlichen Maßstab, sondern liegen auf verschiedenen Ebenen; sie<br />

sind „inkommensurabel“. Nun heißt es, im vollen Sinne frei zu entscheiden.<br />

Dazu müssen wir die Alternativen anhand von Leitbildern oder Sinnvorstellungen<br />

werten, die wir uns zurecht gelegt haben oder jetzt zurecht legen,<br />

z.B. „Eile mit Weile“ – Landschaftserlebnis geht vor. Für solche Vorstellungen<br />

steht der wichtige Begriff „Werte“. Während elementare Freiheit Handeln<br />

nach Gründen bedeutet, meint schöpferische Freiheit Handeln nach Werten.<br />

Werte machen es wert, sich so <strong>und</strong> nicht anders zu entscheiden.<br />

Werte sind ein sehr weites Feld; wo aber kommen sie her? Die Frage führt,<br />

nun auf höherer Stufe, erneut zu den Extremen Geb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong> Beliebigkeit.<br />

Hätten wir eine Art „Super-Navi“, das Werte fest vorgibt, wäre es mit<br />

der schöpferischen Freiheit zu Ende. Fehlte den Werten umgekehrt jede Verankerung<br />

im Sein <strong>und</strong> wären sie von uns vor oder in der Entscheidung frei<br />

„geworfen“, dann hätten wir den „Super-Würfler“. Diesen können wir auch<br />

auf dieser Ebene nicht gebrauchen, ebenso wenig wie es in der Kunst genügt,<br />

bloß den Farbeimer umzustoßen <strong>und</strong> beliebige Muster zu erzeugen.<br />

Häufig klettern wir geistig noch eine Stufe höher zu abstrakteren Hintergr<strong>und</strong>-<br />

Werten, die ihrerseits die Werte bestimmen. Die Frage Wo kommen diese her?<br />

bleibt indessen völlig die gleiche. Eine erste umrisshafte Antwort lautet: Wir<br />

schöpfen die Werte zum Teil aus dem bewusst oder unbewusst vorgef<strong>und</strong>enen<br />

Sein, zu dem neben „Sachzwängen“ <strong>und</strong> Erfahrungen auch bindend vorgegebene<br />

Normen gehören. Zum anderen Teil entstammen die Werte dem<br />

freien „Wurf“ des Menschen. Dieser „erschafft“ aus beiden Quellen etwas<br />

nicht vorhersehbar Neues – so wie ein Künstler teils den Gesetzmäßigkeiten<br />

seines Materials <strong>und</strong> den Stilvorgaben seiner Zeit folgt, teils eine völlig neue<br />

Idee zum Vorschein bringt. Man mag einwenden: Ein schöner, aber hoch ge-<br />

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