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Heft 18 /2010 - Deutsche Gesellschaft für Logotherapie und ...

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Werner Reiland<br />

können die Verhältnisse in die Resignation zwingen; sonst aber ist der Drang<br />

zu Ausdehnung <strong>und</strong> Erweiterung unverkennbar. Die Vitalisten wollten dahinter<br />

einen Lebensdrang („elan vital“) sehen. Das mag auf sich beruhen;<br />

auch bei nüchterner Betrachtung ist klar: Der Sinn drängt; er will mehr. Er<br />

will nicht nur die Kosten decken, sondern den Ertrag steigern.<br />

Das ist quantitativ gemeint – mehr Geld, mehr Besitz, mehr Macht – <strong>und</strong><br />

insbesondere qualitativ – nicht nur mehr, sondern Besseres <strong>und</strong> vor allem<br />

Neues. Dies bezeichnet die reife Form des Sinnes: Er ist schöpferisch. Gleichsam<br />

als Abenteurer zieht er durch die Welt <strong>und</strong> erschließt neue Gebiete. Auf<br />

dieser Ebene ist nicht mehr nur die Überwindung der Spannung durch Spannungslosigkeit<br />

das Ziel. Vielmehr schließt der schöpferische Sinn die bewältigte<br />

Spannung sozusagen als Beute in sich ein <strong>und</strong> genießt sie wie in einem<br />

spannenden Film; dialektisch ausgedrückt: Er hebt sie in sich auf. Es kann<br />

sich um Spannungen im Wortsinne handeln oder nur um Verschiedenheit.<br />

Denn auch das Verschiedene wirkt durch die Spannen zwischen sich gespannter<br />

als die spannungslose Gleichförmigkeit. Derart kann der von Not befreite<br />

Sinn die bunte Vielfalt der Welt in seine Schöpfung eingliedern, in eine Sammlung<br />

von Münzen, Briefmarken oder Käfern oder in einen von den verschiedensten<br />

Blumen überreichen Garten.<br />

So erhebt sich der Sinn über das Sein. Doch gr<strong>und</strong>sätzlich bleibt er auf<br />

dieses bezogen. Er kommt aus dem Sein <strong>und</strong> zielt ins Sein, will sich in ihm<br />

verwirklichen. Vorstellungen haben die Tendenz, sich zu verwirklichen. Sinn<br />

braucht Sein, will <strong>und</strong> sucht Sein. Er fragt, ob das Sein „Sinn hat“, das heißt:<br />

Erfüllung verspricht. Völlig geht er im Sein nicht auf <strong>und</strong> bleibt in Maßen<br />

selbständig. Darum kann er sich auch selbst befriedigen, „im eigenen Saft<br />

schmoren“. Sein Eigentliches ist das jedoch nicht, das ist immer das „Fremdgehen“<br />

zum Sein.<br />

Das Sein begleitet die verschiedenen Stadien der Sinnerfüllung. Am Anfang<br />

stehen auf der einen Seite die Not <strong>und</strong> das Bedürfnis des Menschen, dazu die<br />

äußeren Schranken seines Handlungsspielraums – auf der anderen Seite seine<br />

Macht <strong>und</strong> Möglichkeiten aller Art, von physischer Kraft über Geschicklichkeit<br />

<strong>und</strong> finanzielle Mittel zu sozialer Unterstützung. Man spricht in diesem<br />

Zusammenhang von Handlungsfreiheit <strong>und</strong> betrachtet in Anlehnung an<br />

die Mechanik die Freiheitsgrade, die dem Handeln offen stehen. Die helfenden<br />

Ausgangsbedingungen der Sinnerfüllung kann man auch als Dispositionen<br />

bezeichnen oder – etwas farbiger <strong>und</strong> in einem ganz allgemeinen Verständnis<br />

– als Stärken oder Stärke.<br />

Dem Abschätzen der Stärkeverhältnisse folgt die wirkliche Auseinandersetzung,<br />

der eigentliche Erfüllungsprozess. Sein als Gegen-Stand des Sinnes

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