Heft 18 /2010 - Deutsche Gesellschaft für Logotherapie und ...
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Rezensionen<br />
Nach dem sogenannten zweiten Block der Begleitung, im Juni 2007, bekommt<br />
der Therapeut einen Dankesbrief von Ulis Mutter, <strong>und</strong> er freut sich,<br />
denn Uli „war psychisch deutlich stabiler“, <strong>und</strong> „seine Augen strahlten mehr<br />
Freude <strong>und</strong> Vertrauen zum Leben aus. Und im Allgemeinen ist er [Uli] lockerer“<br />
(S. 48).<br />
Nach jedem Block spricht Böschemeyer – oft in poetischer Sprache – auch<br />
den Leser an <strong>und</strong> legt dar, „was ich darüber hinaus sagen möchte“. Man<br />
bekommt wertvolle Leit-Ideen, wie z. B.: seine eigene Musik suchen; sich<br />
nicht auf seine Not fixieren; einen anderen Blickwinkel suchen; Leben gestalten<br />
(S. 49–53). Texte aus früheren Büchern von Böschemeyer ergänzen den<br />
praktisch-therapeutischen Teil (z.B. „Die unverbrannte Erde – ein Gespräch<br />
in der inneren Welt“), <strong>und</strong> man erfährt so, wie der Mut <strong>und</strong> die Verzweiflung<br />
einen spannenden Dialog miteinander führen.<br />
Der konkrete Verlauf der therapeutischen Begleitung des Teenagers ist freilich<br />
nicht immer glatt <strong>und</strong> erfolgreich. Uli kann auch – zwischendurch – spöttisch<br />
sein, sich ängstlich <strong>und</strong> verzweifelt zeigen. Dann fühlt sich Böschemeyer<br />
besonders herausgefordert, geduldig weiter zu machen <strong>und</strong> mit dem Jungen<br />
zu ringen, damit er sein früheres Selbstbewusstsein wieder erlangt. Wir<br />
erfahren, dass Uli, eine Woche nach der Operation ziemlich wütend war, nachdem<br />
er langsam wieder zu sich kam <strong>und</strong> realisieren musste, dass er nicht<br />
mehr alles tun kann, was er früher wollte <strong>und</strong> auch tat. Das Gespräch steuert<br />
auf den „Sinn des Unfalls“ <strong>und</strong> dann auf „Gott“ zu (S. 67–69) <strong>und</strong> dann wird<br />
wieder über die Ohnmacht, Kraftlosigkeit <strong>und</strong> Mut gesprochen.<br />
Inzwischen geht Uli wieder in die Schule, sein Leben entfaltet sich in Wellenbewegungen.<br />
Als er über seine imaginäre Fre<strong>und</strong>in spricht, spürt er ihre<br />
Liebe zu ihm (S. 92), er sagt aber auch: „Besser wär’s, sie wäre echt“ <strong>und</strong> Böschemeyer<br />
kann darauf in jener Situation nichts erwidern (S. 94).<br />
Hier stellt sich die Frage: Kann <strong>und</strong> muss ein Therapeut – auch ein Logotherapeut<br />
<strong>und</strong> Existenzanalytiker – immer etwas sagen oder erwidern, wenn<br />
der homo patiens gerade von Gefühlen der Trauer, der Ohnmacht <strong>und</strong> der Verzweiflung<br />
überrumpelt wird? Oder eine innere <strong>und</strong> äußere Situation schildert,<br />
der zunächst keinen Sinn abgewonnen werden kann? Das Schweigen<br />
<strong>und</strong> das Mitfühlen sind dann genauso wichtig, wie beispielsweise die Pause<br />
in der Musik. Gewiss wird dieser Aspekt in den Imaginationen mit Uli immer<br />
wieder beachtet. Weitere Wanderungen in die innere Welt folgen <strong>und</strong><br />
Uli hat luzide Momente, in denen er zu begreifen beginnt, dass es auf seine<br />
Einstellung zu den Dingen, die er nicht mehr ändern kann, ankommt. Ein<br />
genuin logotherapeutischer Gedanke.<br />
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