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Heft 18 /2010 - Deutsche Gesellschaft für Logotherapie und ...

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Sinn <strong>und</strong> Sein<br />

Umschweife: Die Philosophie kann Tabucchis Problem nicht lösen. Die Kraft<br />

des transzendentalen Denkens reicht nur bis zu den Einheiten „größerer Selbste“.<br />

Je höher wir steigen in Richtung auf die große Ganzheit, umso mehr<br />

lässt die Kraft des Denkens nach. Wir können uns ohne weiteres in das Denken<br />

von Pereiras Arzt hineinversetzen, ohne den Boden unter den Füßen zu<br />

verlieren. Die Ganzheit des Ich gehört nicht zu den Annahmen, die nicht hinweggedacht<br />

werden können, ohne dass die menschliche Existenz zusammenbräche.<br />

Das Wegdenken mag unerfreulich erscheinen, unmöglich ist es nicht.<br />

In dem Satz „Ich habe einen freien Willen“ steht das wirkliche Fragezeichen<br />

nicht hinter „frei“, sondern hinter „Ich“.<br />

Ist es erstaunlich, wie bald die Philosophie die Segel streicht? Die Frage:<br />

Wer bin ich? ist dem philosophischen Denken ebenso wenig zugänglich wie<br />

der Wissenschaft. Sie ist deswegen nicht sinnlos. Die Antwort muss jenseits<br />

des Denkens in der Gesamtheit der Lebenserfahrung gef<strong>und</strong>en werden, dort,<br />

wo es um den Sinn des Lebens im Ganzen geht <strong>und</strong> letztlich um den Sinn der<br />

Welt <strong>und</strong> die Frage nach Gott.<br />

Fassen wir den Abschnitt in einem Satz zusammen: Geistiges Leben mit<br />

all seinen Vorstellungen, Entscheidungen <strong>und</strong> Wertbildungen wurzelt in der<br />

dunklen Tiefe des Selbst <strong>und</strong> kann nicht ohne weiteres einem Ich zugeordnet<br />

werden. Das mag als philosophische Fehlanzeige gesehen werden. Sie geht<br />

darauf zurück, dass wir sehr tief hinab (zum Selbst) <strong>und</strong> sehr hoch hinauf<br />

(zum Ich) gegriffen haben. Nun kehren wir in die der Philosophie gemäßere<br />

Mitte des Alltags zurück. Welche Leitlinien des Sinns <strong>und</strong> der Werte sind<br />

dort auszumachen?<br />

3. Werte <strong>und</strong> Ethos<br />

Sinn ist Geschehen <strong>und</strong> Ruf zugleich, ein Ruf zu den Werten. Zunächst – als<br />

„Sinndruck“ – ein Ruf zu den Werten überhaupt: Bilde <strong>und</strong> verwirkliche<br />

Werte; versinke nicht in der Sinnleere! Sodann ein Ruf zu den „richtigen“<br />

Werten. Hinter diesen winkt das Glück. Drei Vorgaben, die als Wert- <strong>und</strong><br />

Glückskriterien gelten können, wurden genannt: Mehrung bzw. Stärkung<br />

(einschließlich Selbsterhaltung), Harmonie <strong>und</strong> Ganzheit. Sie sollen nun in<br />

ihrem Zusammenwirken auf den verschiedenen Schienen des Lebens näher<br />

entfaltet werden. Daraus wird sich eine Art Gesamtbild des Sinnes ergeben.<br />

Seine eigentliche Aussagekraft entfaltet es im alltäglichen Leben. Je weiter<br />

wir uns allerdings über den gewöhnlichen Alltag erheben, umso mehr verliert<br />

es seine transzendentale Überzeugungskraft. Hierbei werden die zunächst<br />

„harten“ Vorgaben der Philosophie gewissermaßen „weicher“ – ähnlich<br />

dem soeben beschriebenen Aufstieg vom „kleinen“ Selbst über die „grö-<br />

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