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Download - Freud Lacan Gesellschaft - Psychoanalytische ...

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Aber was hieße das, Stefan, ein Vorgang, eine kollektive Halluzination,<br />

die bis ins einzelne choreographiert, deren Inhalt aber dunkel<br />

ist? Was wissen wir über die Azteken und ihre rituellen Handlungen?<br />

Was hieße es, den Blick nicht so sehr auf Menches zu richten, sondern<br />

auf "ein ganzes Volk"?<br />

Ich hätte mich mit Oe. zu befassen, der mein Schulkamerad war,<br />

den ich dreißig Jahre nicht gesehen habe, der diese wilden Kommentare<br />

schrieb. In Erinnerung war er mir als ein immer lachender,<br />

quirliger Junge,jetzt taucht er als Hetzer auf. Ich hätte mich mit N. zu<br />

befassen, die mehrmals versucht hat, mir etwas zu der Geschichte zu<br />

sagen, und es mir nie gesagt hat. Ich kann mich nicht darauf herausreden,<br />

daß ich immer nur für ein paar Tage im Land bin. Ich hätte<br />

mich mit H. zu beschäftigen, dem Chef der Kripo, der ums Leben<br />

gekommen ist, mit dem ich oft zusammen war, vor dreißig Jahren, als<br />

ich bei der KFZ-Zulassungsstelle in Vaduz arbeitete, bei dem ich die<br />

Nachträge zur Verkehrsünderkartei abholte, die ich alphabetisch<br />

abzulegen hatte.<br />

Ich bin auf der Landesbibliothek gewesen, um zu verifizieren, ob<br />

es wirklich Oe. war, ob es wirklich H. war, die ich gekannt habe. Ich<br />

hoffte auf die kleine Chance, mich geirrt zu haben, ich habe mich<br />

nicht geirrt. Also muß ich meine Erinnerung korrigieren (eigentlich<br />

klassische philologische Arbeit, sehr ähnlich der recensio eines<br />

Textes).<br />

Und mit welchem Ergebnis? Ich habe Dich auf einem Spaziergang<br />

gefragt, wie diese Aztekenstufenpyramide aussieht, und Du hast, ich<br />

glaube mich richtig zu erinnern, erklärt, daß sie aus riesigen Steinquadern<br />

besteht, an ihrem Fuß aber aus Geröll. Und unsichtbar ist das<br />

Ding auch noch. Ich habe angefangen mir vorzustellen, wie sie sich unter<br />

ihrem eigenen Gewicht zermahlen hat, sich weiter zermahlt, in Zeiträumen,<br />

die über Generationen hinausreichen, und wie vielleicht eines<br />

Tages nur noch Geröll ist, ein Haufen Steine, und Stufen gäbe es dann<br />

nicht mehr, vorausgesetzt, die Schwerkraft gilt in dieser Zeit noch.<br />

Eingigantischer Steinhaufen bliebe, aus Wörtern, unbedachten Wörtern,<br />

bedachten Wörtern, Wörtern, an denen sich eine solche Unterscheidung<br />

nicht machen läßt, also ES-Wörtern wie "Es gibt da". Wenn<br />

das die Geschichte der Sprache wäre, könnte ich verstehen, warum es so<br />

schwierig ist, an diesc Menchesgeschichte heranzukommen. Am Ende<br />

ist alles durcheinander, in Menches kann ein ,s' vor ein ,ch' geraten, es<br />

geht ins Allgemeine, und das ist dann einfach nicht mehr schreibbar.<br />

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