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Download - Freud Lacan Gesellschaft - Psychoanalytische ...

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der Nebelmorgen ausgestülpt und liefe jetzt in sich selbst, eine<br />

schleppende Zeit in einem kahlen, nur mit Trax und kalten Vulkanen<br />

möblierten Winterraum.<br />

Das Grundstück ist zur Gänze abgetieft, 2 1/2 m, der Grubenboden<br />

nivelliert und einheitlich mit weißen Kieswacken bedeckt. In einer<br />

dicken, aufrecht stehenden Betonröhre wird Grundwasser gefaßt und<br />

in zwei Schläuchen über die Straße, das Feld in den Kanal gepreßt. Um<br />

über die Schläuche fahren zu können, ist aus Sand und Schalungsbrettern<br />

eine doppelseitige Rampe gebaut. Der an geschüttete Sand ist<br />

gefroren, auch das rosarote Bauvlies darüber, in Falten und Dellen,<br />

wie eine steife Haut.<br />

Das Tier saß am Rande eines verschneiten Ackers, einen halben<br />

Kilometer nördlich der Baugrube, direkt am Wegrand. Ich hab' es<br />

zuerst von hinten gesehen, seinen massigen schlammschwarzen Rükken,<br />

unten breit, oben schmal, als wäre es direkt aus dem Acker<br />

gewachsen. Dick die Haut, feucht und grob, einem Walroß ähnlich,<br />

auch in der plumpen Gliederlosigkeit des Rumpfes. Ein Schrecken<br />

war da. Das Tier hat sich nicht gerührt, es hat sich nie gerührt. Es hat<br />

nur geschaut, kein Zucken, kein Laut, nur dieses geballte Schauen.<br />

Vorne war eine große Dunkelheit und daraus heraus ein Schauen.<br />

Dieses Schauen hat etwas mit sich getragen, aus dieser Dunkelheit<br />

heraus, das war deutlich und spürbar, und wenn man in diesem<br />

Schauen war, hat das Tier etwas gesagt, stumm. Ich fresse Dich, hat<br />

es gesagt, wenn man sein Schauen in Worte übersetzen will. Ich fresse<br />

Dich. Ich fresse Dich. Ruhig, ohne Drohung, keine Gier. Ich fresse<br />

Dich.<br />

Der folgende Samstagmorgen zeigt die Grube 4 m tief. Beide<br />

Absaugschächte gurgeln. Furchen durchziehen den weißbekiesten<br />

Grubenboden, dazwischen bildet der Kies meterhohe helle Kämme.<br />

Die Furchen fUhren zu den Betonröhren - Bodendrainage. Es ist<br />

schwierig in der Grube zu gehen, der Kies ist grob und in Klumpen<br />

gefroren, gibt weder nach noch rutscht er weg. Die Knöchel knicken<br />

mir, ich stolpere andauernd. An einer Stelle drückt Wasser durch,<br />

lautlos und hell. Die Schlauchrampe auf der Straße ist grob betoniert,<br />

die Autos bremsen, ihre Lichter leuchten in den grauen Himmel,<br />

langsam fällt der Strahl wieder auf die Erde zurück, sie beschleunigen.<br />

Der Grubenboden ist eine Woche später flachgewalzt. Graues, mit<br />

Schalungstafeln beschwertes Bauvlies verhindert an der Südwand das<br />

Nachrutschen von Sand und Kies. Ein kleiner Poclain und eine Walze,<br />

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