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Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

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Frage: Die Mehrheit der Bevölkerung hat sich e<strong>in</strong>deutig für die Bundeswehr<br />

ausgesprochen. Das haben doch die Bundestagswahlen klar gezeigt.<br />

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Antwort: Ich verstehe nicht, was Sie damit me<strong>in</strong>en.<br />

Frage: Wir wollen Ihnen damit nur sagen, dass Sie sich gegen die Mehrheit der<br />

Bevölkerung <strong>in</strong> der Bundesrepublik stellen.<br />

Antwort: Ja, aber, das ist doch me<strong>in</strong>e persönliche Entscheidung. Me<strong>in</strong> Vater war im Krieg<br />

Unteroffizier und <strong>in</strong> russischer Kriegsgefangenschaft. Er kam verwundet zurück. Als ich ihn mal<br />

fragte, Vati, warum bist du eigentlich <strong>in</strong> den Krieg gezogen und hast fremde Menschen getötet? Da<br />

hat er mir gesagt, das haben doch alle gemacht. Vor e<strong>in</strong>iger <strong>Zeit</strong> habe ich bei uns <strong>in</strong> Oerlenbach mit<br />

Leuten vom Bundesgrenzschutz gesprochen, warum sie da eigentlich h<strong>in</strong>gegangen s<strong>in</strong>d. Die sagten<br />

mir, sie wollten ihren Dienst abreißen, Mäuse kassieren und 'nen fe<strong>in</strong>en Lenz machen. Übers<br />

Schießen haben die überhaupt nicht nachgedacht. Ich kann das jedenfalls nicht (... ).<br />

Beschluss der Prüfungskommission: "Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass beim<br />

Antragssteller ke<strong>in</strong>e echten Gewissensgründe vorliegen. Der Wehrpflichtige Feser ist deshalb nicht<br />

berechtigt, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern." So der Schriftsatz. Mündlich<br />

begründete Regierungsrat Walter Bendrien die Entscheidung damit, dass Fesers Abneigung, den<br />

Wehrdienst abzuleisten, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em antikapitalistischen Denken zu sehen sei.<br />

Als letzten Absatz schrieb Dieter Feser am Küchentisch <strong>in</strong> Oerlenbach <strong>in</strong> das alte<br />

Schulheft: "Ich habe Angst davor, dass auch <strong>in</strong> mir Aggressionen geweckt werden können. Ich<br />

weiß, dass sie ausgenutzt werden können. Ich b<strong>in</strong> gegen Gewalt, es gibt nur Gott, ke<strong>in</strong>e Gewalt,<br />

nur Angst."<br />

Kurz nach 16 Uhr benachrichtigte e<strong>in</strong> Bauer das Mord-dezernat <strong>in</strong> Schwe<strong>in</strong>furt. - Er hatte<br />

den 19jährigen am Waldrand von Oerlenbach tot aufgefunden, erhängt mit e<strong>in</strong>em Abschleppseil.<br />

Der Tod Dieter Fesers alarmierte Pädagogen, Pastoren, Rechtsanwälte und Politiker, die Bendriens<br />

Rücktritt forderten. Der Würzburger Professor Franz Rauhut (*1898 +1988), seit fünfzehn Jahren<br />

gerichtlich ermächtigter Berater der Kriegsdienstverweigerer: "Ich kenne den Vorsitzenden<br />

Bendrien nur zu gut. Der hat den jungen Mann fertig-gemacht. Daran besteht ke<strong>in</strong> Zweifel." Die<br />

Rechtsanwält<strong>in</strong> Roswitha Wolff : "Solche Behandlung ist grundgesetzwidrig." Und der frühere<br />

SPD-Bundestagsabgeordnete Uwe Lamb<strong>in</strong>us(1972-1994): "Bendrien muss zurücktreten, er hat <strong>in</strong><br />

unverantwortlicher Weise se<strong>in</strong> Amt missbraucht."<br />

Doch Bendrien blieb e<strong>in</strong>stweilen <strong>in</strong> Amt und Würden, obwohl dem<br />

Verteidigungsm<strong>in</strong>isterium bereits acht Beschwerden wegen dessen umstrittener<br />

Verhandlungsführung vorlagen. - Alltag <strong>in</strong> Deutschland. Die Bonner M<strong>in</strong>isterialen von der<br />

Hardthöhe standen vor der pe<strong>in</strong>lichen Situation, ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Verhör rekonstruieren zu können.<br />

Sitzungsprotokolle existieren nicht.<br />

Dessen ungeachtet machte Bendrien weiter so wie bisher. "Was <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Sitzungen<br />

passiert, geht niemanden etwas an. Das ist e<strong>in</strong> Dienstgeheimnis." Genauso wie die<br />

Selbstmordquoten der nichtanerkannten Kriegsdienstverweigerer, die vom<br />

Verteidigungsm<strong>in</strong>isterium unter Verschluss gehalten werden. Sie liegen nach Angaben des<br />

Beauftragten für den Zivildienst, Hans Iven (*1928+1997; Bundesbeauftrager 1970-1983),<br />

"erheblich über dem Durchschnitt der Gleichaltrigen". An der Gewissensprüfung Gescheiterte<br />

sträuben sich <strong>in</strong> der Kaserne, die Waffe <strong>in</strong> die Hand zu nehmen. Viele kommen <strong>in</strong> den<br />

Arrestbunker, etliche ergreifen die Dienstpistole nur, um sich zu erschießen. Andere hauen ab. Im

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