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Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

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Immerh<strong>in</strong> glaubt die Bundeswehr-Führung, durch strikte Befehle den Bierdurst<br />

e<strong>in</strong>schränken zu können. Bereits damals war man sich jedoch auf der Bonner Hardthöhe klar, "dass<br />

alle getroffenen Maßnahmen und geltenden Vorschriften nicht ausreichen; nicht e<strong>in</strong>mal die<br />

Zunahme des Alkoholmissbrauchs ist verh<strong>in</strong>dert worden", heißt es <strong>in</strong> dem vertraulichen Vermerk<br />

(Fü S I5 Az.: 35-20-17-o2). Und <strong>in</strong> den "Richtl<strong>in</strong>ien für das Verhalten gegenüber betrunkenen<br />

Soldaten" räumt das M<strong>in</strong>isterium e<strong>in</strong>: "Es hat sich gezeigt, dass bei der Behandlung betrunkener<br />

Soldaten schwere Fehler gemacht werden ... Soldaten bedürfen dr<strong>in</strong>gend des kameradschaftlichen,<br />

gegebenenfalls sogar ärztlichen Beistandes ... ".<br />

Der <strong>in</strong>zwischen verstorbene General<strong>in</strong>spekteur, Admiral Arm<strong>in</strong> Zimmermann<br />

(*1917+1976), ordnete daher e<strong>in</strong> absolutes Alkoholverbot während der Dienstzeit an.<br />

Zimmermann im Jahre 1974: "Der Alkoholmissbrauch hat e<strong>in</strong> Ausmaß erreicht, das e<strong>in</strong> energisches<br />

E<strong>in</strong>greifen aller zuständigen Vorgesetzten erforderlich macht." Im selben Jahr segnete Georg<br />

Leber, Verteidigungsm<strong>in</strong>ister <strong>in</strong> den Jahren von 19721978, e<strong>in</strong>en vertraulichen Vermerk für die<br />

Personalführung bei den Streitkräften ("Fü S I 4") ab. Dar<strong>in</strong> heißt es: "Die steigende Zahl der<br />

Selbstmordfälle und -versuche besonders bei der Jugend verpflichtet auch die militärischen<br />

Vorgesetzten zu besonderer Aufmerksamkeit ... süchtige B<strong>in</strong>dungen an Alkohol, Arzneimittel oder<br />

Drogen ... gefährden den Soldaten. E<strong>in</strong>e straffe Führung, e<strong>in</strong> ausgewogener Dienst-plan ... und das<br />

Angebot an Freizeit können vorbeugend helfen. Herum gammeln führt nicht selten zu<br />

übermäßigen Alkoholgenuss."<br />

Damals war Karl Wilhelm Berkhan (*1915+1994) noch parlamentarischer Staatssekretär<br />

im Bonner Verteidigungsm<strong>in</strong>isterium. Auf zahllosen Standortbesuchen bemühte er sich um engen<br />

Kontakt zu den Soldaten. Als Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages reiste der umsichtige<br />

Berghan wiederum von Garnison zu Garnison. Se<strong>in</strong>e alte Sorge war fortwährend die alte geblieben:<br />

Suff beim Bund - und ke<strong>in</strong> Ende <strong>in</strong> Sicht. E<strong>in</strong>gebettet im gesellschaftlichen Sog - im Jahre 1950<br />

waren es 200.000, mittlerweile leben <strong>in</strong> der Bundesrepublik über zwei Millionen Alkoholiker -stellte<br />

Berghan <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Jahresbericht für 1978 fest, "dass der Alkoholmissbrauch schwer-wiegende<br />

Bee<strong>in</strong>trächtigungen der militärischen Ordnung und Diszipl<strong>in</strong> bewirkt."<br />

Dass nun ausgerechnet e<strong>in</strong> <strong>in</strong>timer Kenner der Bundeswehr-Szene Bier-und Korn-sucht<br />

der Soldaten schonungslos <strong>in</strong> der Öffentlichkeit rügt, wurde wie e<strong>in</strong>e Rufschädigung des<br />

Unternehmens Armee empfunden. In der Parlamentsdebatte zum Bericht des Wehrbeauftragten<br />

warnte der damalige Verteidigungsm<strong>in</strong>ister Hans Apel davor, die Armee als "e<strong>in</strong>e Horde von<br />

Saufbolden und Sch<strong>in</strong>dern" abzustempeln. Nach se<strong>in</strong>en Angaben s<strong>in</strong>d die Verstöße unter<br />

Alkohole<strong>in</strong>wirkung von 1977 auf 1978 um 27 Prozent zurückgegangen. Auch der CDU-<br />

Wehrexperte Leo Ernesti besche<strong>in</strong>igte der Truppe, "besser als ihr Ruf" zu se<strong>in</strong>. Und se<strong>in</strong> Kollege<br />

Erw<strong>in</strong> Horn erklärte: Die Bundeswehr sei nun mal ke<strong>in</strong>e "Heilsarmee".<br />

Die aufschlussreicheren Zahlen über diszipl<strong>in</strong>argerichtliche Verfahren (<strong>in</strong> der Debatte<br />

g<strong>in</strong>g es um harmlose Dienstvergehen) ließ M<strong>in</strong>ister Hans Apel aus gutem Grund im M<strong>in</strong>isterium:<br />

als "Verschlusssache" und "nur für den Dienstgebrauch". Unter der Rubrik "Alkoholmissbrauch,<br />

Trunkenheit am Steuer" stieg danach die Zahl der Verfahren von 1976 auf 1978 um 138,7 Prozent<br />

und damit auf 74 Anklagen. Unter der Rubrik "Sittlichkeitsdelikte, Ungehorsam, Mord, Totschlag,<br />

Drogen" etc. stiegen die diszipl<strong>in</strong>arrechtlichen Verfahren von 1976 auf 178 um 179 Prozent und<br />

damit auf 53 Anklagen. Und unter der Rubrik "unerlaubtes Fernbleiben" stiegen die<br />

diszipl<strong>in</strong>arrechtlichen Verfahren von 1976 auf 1978 um <strong>in</strong>sgesamt 257 Prozent und damit auf 50<br />

Verfahren.<br />

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