09.11.2012 Aufrufe

Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

verwundet, erhielt den Len<strong>in</strong>-Orden, die zwei Orden des Roten Banners und den Roten Stern.<br />

1959 avancierte er zum General. Gleichzeitig übernahm Grigorenko e<strong>in</strong>en Lehrstuhl an der<br />

Frunse-Militärakademie <strong>in</strong> Moskau. Er veröffentlichte 67 wissenschaftliche Arbeiten.<br />

Grigorenkos Karriere endete abrupt, als er auf e<strong>in</strong>er Parteikonferenz im September 1961<br />

<strong>in</strong> Moskau den damaligen KP-Chef Chruschtschow scharf angriff. Er warf ihm vor, dass noch<br />

immer nicht, wie Chruschtschow es auf dem XX. Parteitag 1956 versprochen hatte, die<br />

stal<strong>in</strong>istischen Funktionäre ihrer Ämter enthoben worden waren, und er forderte außerdem, die<br />

hohen Gehälter der Parteisekretäre zu reduzieren und Schluss zu machen mit den Repressalien<br />

gegen reformfreudige Kommunisten. Grigorenko, selbst e<strong>in</strong> überzeugter Kommunist, glaubte, mit<br />

legalen Mitteln e<strong>in</strong>e Demokratisierung der Partei und Gesellschaft erreichen zu können. Se<strong>in</strong><br />

Auftreten auf der Parteikonferenz hatte schwerwiegende Folgen. Auf Betreiben Chruschtschows<br />

wurde der General aus dem Militärdienst entlassen und verlor se<strong>in</strong>en Lehrstuhl.<br />

Vorerst blieb Pjotr Grigorenko noch ungebrochen. Im Herbst 1963 organisierte er e<strong>in</strong>en<br />

Freundeskreis und gründete e<strong>in</strong>e politische Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft mit dem Namen "Kampfbund für<br />

die Wiederherstellung des Len<strong>in</strong>ismus". Auf dem Vorplatz des Kasaner Bahnhofs <strong>in</strong> Moskau<br />

verteilte er Flugblätter mit der provozierenden Frage: "Warum gibt es bei uns nicht genügend<br />

Brot?" Damit war Grigorenkos Weg <strong>in</strong> die psychiatrische Kl<strong>in</strong>ik vorgezeichnet. Am 1. Februar<br />

1964 verhaftete der KGB Grigorenko und se<strong>in</strong>e Freunde. Grundlage war Artikel 70 des<br />

sowjetischen Strafgesetzbuches: "Wer Agitation oder Propaganda betreibt, um den sowjetischen<br />

Staat zu schwächen oder zu unterwandern oder, <strong>in</strong> besonderem, gefährliche Verbrechen gegen<br />

diesen Staat zu begehen, wer zu demselben Zweck gefälschte Nachrichten <strong>in</strong> Umlauf br<strong>in</strong>gt,<br />

anfertigt oder für sich behält, oder Schriften dieses Inhalts besitzt, soll mit e<strong>in</strong>er Freiheits-strafe<br />

zwischen sechs Monaten und sieben Jahren belegt werden."<br />

Nur e<strong>in</strong>ige Wochen verbrachte Grigorenko im Moskauer Lubjanka-Gefängnis. Am 12.<br />

März 1964 verlegte ihn die Staatsanwaltschaft <strong>in</strong>s "Serbskij"-Institut, um ihn auf se<strong>in</strong>en<br />

Geisteszustand untersuchen zu lassen. Die Kommission unter Leistung des Kl<strong>in</strong>ikchefs Professor<br />

G.W. Morosow kam zu dem Ergebnis, der ehemalige General sei für se<strong>in</strong>e Taten nicht<br />

verantwortlich und benötige e<strong>in</strong>e Behandlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er psychiatrischen Sonderkl<strong>in</strong>ik. In dem<br />

"Serbskij"-Gutachten heißt es: "Grigorenkos psychologische Situation charakterisieren se<strong>in</strong>e<br />

reformistischen Ideen, <strong>in</strong>sbesondere se<strong>in</strong>e Vorstellungen von der Neu-Organisation des<br />

Staatsapparates. Diese Ideen s<strong>in</strong>d verbunden mit e<strong>in</strong>er Überschätzung se<strong>in</strong>er Person, die<br />

messianische Ausmaße angenommen hat. Er berichtete von se<strong>in</strong>en Erfahrungen mit ausgeprägten<br />

Emotionen und war unerschütterlich von se<strong>in</strong>en Handlungen überzeugt." Das Gericht hielt sich an<br />

Morosows Maxime: "Warum sollen wir uns mit politischen Prozessen plagen, wo wir doch<br />

psychiatrische Sonderkl<strong>in</strong>iken haben!" Und schickte Grigorenko <strong>in</strong> die Len<strong>in</strong>grader Sonderkl<strong>in</strong>ik<br />

für Geisteskranke.<br />

Um Grigorenko zum Schweigen zu br<strong>in</strong>gen, brachen Richter, Staatsanwälte und die Partei<br />

das sowjetische Recht. <strong>Ke<strong>in</strong></strong> Rechtsanwalt durfte den Generalmajor verteidigen, er selbst durfte am<br />

Prozess nicht teilnehmen, und nicht e<strong>in</strong>mal das Urteil durfte er lesen. Zwei Wochen nach se<strong>in</strong>er<br />

Kl<strong>in</strong>ik-E<strong>in</strong>weisung warf ihn das Zentralkomitee der KPdSU aus der Partei, stufte ihn rechtswidrig<br />

vom General zum e<strong>in</strong>fachen Soldaten zurück und strich ihm rechtswidrig se<strong>in</strong>e Pension. Nach dem<br />

Gesetz stehen e<strong>in</strong>em Militärangehörigen, der geisteskrank wird, die vollen Pensionsbezüge se<strong>in</strong>es<br />

letzten Dienstgrades zu. Im März 1965 musste sich Grigorenko noch e<strong>in</strong>mal untersuchen lassen.<br />

Die Ärzte <strong>in</strong> Len<strong>in</strong>grad bestätigten die "Serbskij"-Diagnose, hielten aber e<strong>in</strong>e stationäre<br />

388

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!