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Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

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verkaufen. Peter von Oertzen: „Jetzt werden die Geschäftsleute durch höhere Anzeigenpreise<br />

ausgebeutet.“<br />

Herbe Kritik handelt sich Alfred Nau für se<strong>in</strong>e Geschäftspolitik auch bei den Experten<br />

der SPD-Bundestagsfraktion e<strong>in</strong>. In e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Resolution bemängelten sie, „dass die<br />

Verantwortlichen für die SPD-Presse offensichtlich nicht bereit s<strong>in</strong>d, sichtbare Zeichen für e<strong>in</strong>e<br />

solide Medienpolitik zu setzen.“ Denn „alle ehrlichen Bemühungen der Medienpolitiker der Partei<br />

müssen unglaubwürdig werden, wenn – wie <strong>in</strong> Hannover – mit re<strong>in</strong> wirtschaftlichen Motiven e<strong>in</strong>e<br />

Fusion vollzogen wird.“ Und der Kommunikations-Wissenschaftler, SPD-MdB Peter Glotz<br />

(*1939+2005) kritisiert die mangelnde Zusammenarbeit <strong>in</strong> der Partei: „Wir beziehen an der Front<br />

Prügel für Unternehmens-Entscheidungen, von denen wir nichts wussten und die wir auch nicht zu<br />

verantworten haben.“ Se<strong>in</strong> Kollege Björn Engholm (SPD-Chef 1991-1993) fürchtet, dass die<br />

Genossen <strong>in</strong> der Diskussion um das geplante Presserechts-Rahmengesetz das die<br />

Mitbestimmungsrechte der Redakteure ausweiten soll, ke<strong>in</strong>en leichten Stand haben werden: „Wir<br />

Sozialdemokraten gehen mit e<strong>in</strong>er relativ schweren Hypothek <strong>in</strong> diese Debatte.“<br />

Die Hypothek wird noch schwerer, wenn erst e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Kooperation zwischen<br />

der SPD-eigenen Westfälischen Rundschau und den CDU-nahen Ruhr-Nachrichten <strong>in</strong> Dortmund<br />

vollzogen ist. Obwohl sich die Westfälische Rundschau vom Partei-Stallgeruch befreien konnte<br />

und mit e<strong>in</strong>er Auflage von rund 250.000 Exemplaren zu den großen deutschen Tageszeitungen<br />

zählt, will Nau-Gehilfe Alois Hüser, Geschäftsführer der SPD-Pressehold<strong>in</strong>g auf dem<br />

Vertriebssektor und dem Anzeigengebiet mit dem CDU-Blatt zusammenarbeiten. Ihm geht es<br />

dabei ums Geld. SPD-Chefredakteur Günter Hammer wehrt sich: „Der Hüser denkt nur an den<br />

Profit. Die SPD ist doch ke<strong>in</strong> Konzern, der Margar<strong>in</strong>e verkauft.“ Erbost schimpft Günter Hammer<br />

über Parteifunktionäre: „Die reden uns immer e<strong>in</strong>, wir sollten e<strong>in</strong>e <strong>Zeit</strong>ung machen, wie der<br />

Vorwärts. Selbst lesen sie aber die BILD-<strong>Zeit</strong>ung. Ich habe dem Nau gesagt, mit solcher<br />

Pressepolitik wollen wir nichts mehr zu tun haben. Denn unsere <strong>Zeit</strong>ung ist gesund.“<br />

Freileich: Noch will sich Alfred Nau zu dem Expansions-Plan e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen<br />

Kooperation <strong>in</strong> Dortmund nicht bekennen. Ihm fehle der Mut, flüstert es <strong>in</strong> den Vorzimmern der<br />

SPD-Baracke zu Bonn. Erst nach dem Bundesparteitag <strong>in</strong> Hannover im April 1973 will er die<br />

bereits e<strong>in</strong>gefädelte Zusammenarbeit bekanntgeben. Im Augenblick überlegt der matt wirkende<br />

Nau, ob er überhaupt noch e<strong>in</strong>mal für das Amt des Schatzmeisters kandidieren soll. Denn nach<br />

Hochrechnungen der Partei-Strategen <strong>in</strong> der Zentrale, würden sich von 435 Delegierten 230 gegen<br />

Alfred Nau aussprechen. Deshalb will der Kassierer e<strong>in</strong>e erneute Kandidatur von dem Votum des<br />

Parteivorsitzenden Willy Brandt (1964-1987) abhängig machen. E<strong>in</strong> Nau-Berater:“Er wird nur<br />

noch antreten, wenn Willy Brandt se<strong>in</strong>e volle Autorität e<strong>in</strong>setzt.“ Die hatte er auch immer bitter<br />

nötig, wenn es um se<strong>in</strong>e Wiederwahl g<strong>in</strong>g. Alfred Nau überlebte jedenfalls noch so manche<br />

Parteitage mit ihrem Anti-Nau-Gebell <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Amt.<br />

Letztendlich wollten die Genossen auch ke<strong>in</strong> öffentliches Gezänk, ke<strong>in</strong>e öffentlich<br />

ausgetragenen Diadochen-Kämpfe mehr um das mittlerweile leidige Thema im die Presse- und<br />

Me<strong>in</strong>ungsfreiheit <strong>in</strong>szeniert wissen. Stattdessen wollten sie lieber wieder mehr Zucht wie Ordnung<br />

<strong>in</strong> den eigenen Reihen. Nach der Devise, „lieber bedeutungslos , aber bequem“ soll selbst das sich<br />

aufsässig mausernde SPD-Organ Vorwärts (1876 von Wilhelm Liebknecht und Wilhelm<br />

Hasenclever gegründet) fest an die Kandare genommen werden. – Pressezensur.<br />

Der für „Pressefragen“ verantwortliche Partei-Vize He<strong>in</strong>z Kühn (*1912+1992) wird <strong>in</strong><br />

Zukunft den Redakteuren regelmäßig Nachhilfe-Unterricht <strong>in</strong> der Darstellungsform der SPD-<br />

Politik geben und mahnend den Zeigef<strong>in</strong>ger erheben, wenn die <strong>Zeit</strong>ung von der offiziellen<br />

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