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Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

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VIEL KABARETT - ABER KEINE KARRIERE: LEBEN EINES<br />

BÄNKELSÄNGERS: DIETRICH KITTNER<br />

Ausgewandert von Hannover <strong>in</strong>s österreichische "Exil" <strong>in</strong> die Steiermark Von den<br />

„wilden“ Jahren Protest-Jahrzehnten gezeichnet. Dietrich Kittner, widerspenstiger Rebell,<br />

Sänger, Satiriker, der nicht "vernünftig" werden will. Bilanz e<strong>in</strong>es ungeliebten<br />

Außenseiters.<br />

Frankfurter Rundschau 18. April 1972/ 12. Januar 2008<br />

Er ist e<strong>in</strong> Mann der Grenzüberschreitungen, Grenzverletzungen - e<strong>in</strong> feixender Tabu-<br />

Brecher früherer Jahrzehnte. Nahezu 45 Jahre macht Dietrich Kittner politisches Kabarett im<br />

deutsch-sprachigen Europa. Immer unterwegs, immer auf Tour, von Saal zu Kneipe, vom Tresen<br />

zum Barhocker mit über 7.000 Veranstaltungen <strong>in</strong> drei Jahrzehnten. - Lang ist's her; unter<br />

Satirikern Rekord verdächtig.<br />

Damals <strong>in</strong> der so genannten 68er Bewegung, als "Liedermacher" des Protests wie Franz-<br />

Josef Degenhardt oder auch Dieter Süverkrüp mit ihren -Songs über Notstandsgesetze,<br />

Vietnamkrieg Hallen füllten, der Rebellen-Look zum Mode-Schick aufstieg - das waren gleichsam<br />

se<strong>in</strong>e Jahre - Kittner-Jahre. Damals, als Polit-Satire mehr mit bissiger Aufklärung als mit<br />

wohlgefällig vermarkteter Comedy zu tun hatte, da galt der mittlerweile 73jährige Dietrich Kittner<br />

als "gefürchteter, aufmüpfigster Satiriker" deutscher Zunge. Eben, wie Günter Wallraff es e<strong>in</strong>mal<br />

über Dietrich Kittner formulierte: "Er ist der E<strong>in</strong>zelkämpfer und Partisan, der sich wesentlich<br />

weiter vorwagt auf fe<strong>in</strong>dliches Terra<strong>in</strong> als alle etablierten - früher mal politischen Kabaretts<br />

zusammen."<br />

Da hockt er nun <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en alten Tagen <strong>in</strong> der Steiermark im arg verträumten Städtchen<br />

Bad Kersburg zu Österreich. Wer Dietrich Kittner von früher kennt und ihn erneut begegnet, der<br />

spürt schon nach se<strong>in</strong>en ersten Sätzen, <strong>dieser</strong> Mann ist ausgewandert - Distanz und Schutz als Exil.<br />

Er sagt: "Wer nicht kämpft geht unter, wer kämpft reibt sich auf." Der alte Barde lächelt wehmütig,<br />

spürt er irgendwie schon, dass se<strong>in</strong>e letzten Auftritte <strong>in</strong> Deutschland angebrochen s<strong>in</strong>d, müde ist er<br />

geworden - etwa vom Deutschlandlied und Tagesthemen-News von "Mega-Hartz IV" über "Aldi-<br />

Schnellbehandlungszentren" bis zum "Zirkus Bush" oder mit Golf-Viagra <strong>in</strong> den Puff. -<br />

Resignation.<br />

Es s<strong>in</strong>d Lebensskizzen e<strong>in</strong>es Mannes, die ke<strong>in</strong>e Kont<strong>in</strong>uität vermissen lassen, die da<br />

lauten: Aufbruch, Abbruch, Ausdauer, Stehvermögen, Hatz wie Atemlosigkeit - und das mith<strong>in</strong> vier<br />

Jahrzehnte lang. Dabei s<strong>in</strong>d Kittners Programme kaum <strong>in</strong> Schubläden zu suchen. Er beherrscht alle<br />

Stile und Spielrichtungen der 10. Muse; Sketch und Conference, Parodie und Ballade, Nachricht,<br />

Pamphlet und Moritat. Aus all dem mischt er e<strong>in</strong>en Cocktail, der das Publikum wachrüttelt. -<br />

Aufklärung mit Polit-Satire auf höchstem Niveau.<br />

Aufmüpfigkeit, Gegen-Rede, Widerspruch, Widerstand - das waren schlechth<strong>in</strong> noch nie<br />

so recht die Lebensart der Deutschen. Es waren die siebziger Jahre, als Tausende wie Abertausende<br />

junger Menschen wegen ihrer unangepassten Ges<strong>in</strong>nung mit Berufsverboten abgestraft wurden.<br />

Dietrich Kittner bekam Fernseh-Verbot <strong>in</strong> Deutschland - praktisch se<strong>in</strong> Leben lang. Lediglich -<br />

und das ausnahmsweise zur Ma<strong>in</strong>zer Fastnacht - machten die Mächtigen der Republik "gute Miene<br />

zum bösen Spiel", wenn mal da mal e<strong>in</strong>er aus dem politischen Kabarett am sorgsamen Politikeroder<br />

Manager-Image tupfte. So humorvoll artig gab man sich <strong>in</strong> diesem <strong>Land</strong>; nicht so Kittner.<br />

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