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Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

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Brav wie e<strong>in</strong> Hilfsreferent gibt Groß die Bitte weiter. Von der Kneipe "Kastanienkrug" <strong>in</strong><br />

Oldendorf aus bestellt er telefonisch die gewünschte Verstärkung. Das Bonner Innenm<strong>in</strong>isterium,<br />

das seit Freitag bereits auf e<strong>in</strong> Hilfeersuchen des <strong>Land</strong>es Niedersachsen wartet, erhält damit endlich<br />

e<strong>in</strong>e Antwort. Auf der Rückfahrt nach Hannover beschleicht M<strong>in</strong>ister Groß zum erstenmal das<br />

Gefühl, vielleicht doch nicht entschlossen genug gehandelt zu haben: "Das Ganze vor Ort war mir<br />

unheimlich."<br />

Unheimlich s<strong>in</strong>d dem FDP-Politiker nicht nur das gespenstische Bild lodernder Feuersäulen,<br />

sondern vor allem die Zuständigkeitsfragen, denen er sich unversehens ausgesetzt sieht. Der<br />

ehemalige Stadtdirektor von Hameln (1964-1972), seit e<strong>in</strong>em Jahr Chef des Innenm<strong>in</strong>isteriums, hat<br />

aus se<strong>in</strong>er <strong>Zeit</strong> als Kommunalbeamter mächtige Ehrfurcht vor den Autokraten der niedersächsischen<br />

Prov<strong>in</strong>zen. So traut er sich auch jetzt nichts, sondern sagt: "Ich habe die Oberkreisdirektoren<br />

als tüchtige und erfahrene Männer kennengelernt, die bisher jeden Brand gelöscht haben. Wenn ich<br />

e<strong>in</strong>em OKD ablöse, der dort seit 30 Jahren amtiert, der dort e<strong>in</strong>e Autorität ist, der sich e<strong>in</strong> Vertrauenskapital<br />

gewonnen hat ... das kann tödlich se<strong>in</strong>."<br />

Das Zaudern des M<strong>in</strong>isters ist verhängnisvoll. Groß, der 1962 unter Helmut Schmidt die<br />

Hamburger Sturmflutkatastrophe miterlebte ("Er war me<strong>in</strong> Vorgesetzter"), hat daraus nichts<br />

gelernt. Helmut Schmidt, damals Innensenator von Hamburg (1961-1965), hatte sich ohne langes<br />

Federlesen über alles Kompetenzgezanke h<strong>in</strong>weggesetzt, widerborstige Beamte kurzerhand nach<br />

Hause geschickt und so <strong>in</strong> kürzester <strong>Zeit</strong> e<strong>in</strong>e wirksame Katastrophenbekämpfung möglich<br />

gemacht. Der Jurist Groß hätte e<strong>in</strong>en solchen formal zweifelhaften Kraftakt nicht e<strong>in</strong>mal nötig<br />

gehabt. Denn, so bestimmt Paragraf 48 des niedersächsischen "Gesetzes über die Öffentliche<br />

Sicherheit und Ordnung": Der Innenm<strong>in</strong>ister führt die Dienstaufsicht über die Gefahrenabwehr.<br />

Und nach Paragraf 47 ist der Innenm<strong>in</strong>ister bei Katastrophen sogar berechtigt, den nachgeordneten<br />

"Verwaltungsbehörden" (Regierungspräsidenten und Oberkreisdirektoren) klare Anweisungen zu<br />

erteilen.<br />

Nichts dergleichen tut er. Als das <strong>Land</strong> von e<strong>in</strong>er wahren Feuerwelle heimgesucht wird, als<br />

Dutzende immer neue Brände ausbrechen, riesige Waldgebiete von der Heide im Süden bis zum<br />

Rand von Hamburg im Norden und bis h<strong>in</strong> zu den Forsten bei Lüchow Dannenberg im Osten vom<br />

Flammenmeer verwüstet werden, als dann noch Verrückte und Verbrecher überall <strong>in</strong> Niedersachsen<br />

zündeln, als Tausende verzweifelte Helfer bis zum Umfallen kämpfen und <strong>dieser</strong> Kampf durch e<strong>in</strong><br />

organisatorisches Chaos sondergleichen noch erschwert wird - da bleibt <strong>dieser</strong> Notstand für diesen<br />

M<strong>in</strong>ister e<strong>in</strong>e Verwaltungssache.<br />

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