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Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

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Exportgüter des <strong>Land</strong>es - Fleisch, Wolle, Häute - bescherten Uruguay <strong>in</strong> beiden Weltkriegen und<br />

während des Koreakrieges ständig wachsenden Reichtum.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs: Die herrschende Schicht Großgrundbesitzer kümmerte sich nicht darum,<br />

Industrie <strong>in</strong>s <strong>Land</strong> zu holen, um die wirtschaftliche Basis Uruguays zu verbreitern. Sie verpulverte<br />

lieber das Geld - etwa für den Bau e<strong>in</strong>er Prachtavenue aus rosa Basalt <strong>in</strong> Montevideo, die locker<br />

den Gegenwert von vier Fabriken kostete - oder, was noch schlimmer war, sie deponierte ihr<br />

Kapital im Ausland.<br />

Der Zusammenbruch der Agrarpreise Ende der fünfziger Jahre des vergangenen<br />

Jahrhunderts und ständig steigende Preise für Importprodukte stürzten das <strong>Land</strong> <strong>in</strong> die Krise. E<strong>in</strong>e<br />

politische L<strong>in</strong>ke bildete sich. Mit e<strong>in</strong>em nationalistisch-sozialistischen Konzept wollte sie das <strong>Land</strong><br />

retten: Vergesellschaftung von Boden und Fabriken, Zurückdämmung des E<strong>in</strong>flusses<br />

<strong>in</strong>ternationaler, <strong>in</strong>sbesondere amerikanischer Konzerne. Zur l<strong>in</strong>ken Szene gehörten seit Mitte der<br />

sechziger Jahre auch die Tupamaros -Movimient de Liberación Nacional (Stadtguerilla) - allerd<strong>in</strong>gs<br />

nur e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derheit. Gegründet hatte sie der Jura-Student Raúl Sendic (*1925+1989), der sich als<br />

<strong>Land</strong>arbeiter im Norden Uruguays verd<strong>in</strong>gte und dort e<strong>in</strong>en Hungermarsch der Zuckerrohrarbeiter<br />

nach Montevideo organisierte. Er wurde von 1972 bis 1985 - Rückkehr zur Demokratie -<strong>in</strong><br />

Libertad <strong>in</strong>terniert.<br />

In den ersten Jahren hatten die Tupamaros die Unterstützung der Bevölkerung. E<strong>in</strong><br />

Hauch von Rob<strong>in</strong> Hood umgab sie. Sie überfielen Banken und verteilten das Geld an die Armen,<br />

fuhren mit Lastwagen voll Brot durch die Elendsquartiere. Sie kidnappten den Chef der<br />

Telefongesellschaft, der im Fernsehen die wirtschaftliche Not der Massen geleugnet und erklärt<br />

hatte, er komme mit 20 Dollar aus - zehn g<strong>in</strong>gen für Miete ab, fünf für Verpflegung, fünf für<br />

Kleidung. Sie steckten ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>es ihrer "Volksgefängnisse", filmten ihn beim Re<strong>in</strong>igen se<strong>in</strong>er<br />

Zelle. Dann besetzten sie während der Vorstellung e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>o <strong>in</strong> Montevideo und spulten ihren Film<br />

ab. Als Ton lief mit: "Wir zahlen ihm 20 Dollar. Davon behalten wir zehn für Miete, fünf für<br />

Verpflegung, fünf für Kleidung."<br />

Die Aktionen der Tupamaros und die Reaktionen der Regierung setzten e<strong>in</strong>e<br />

verhängnisvolle Eskalation von Gewalt <strong>in</strong> Gang. Die Tupamaros verspielten ihren Kredit, als sie<br />

immer militanter wurden. Wahllos ermordeten sie Polizisten, die als Wachen vor Amtsgebäuden<br />

standen.<br />

Die Regierung rief im Jahre 1971 die Armee zu Hilfe. Innerhalb von drei Monaten<br />

konnten die Militärs die ganze Tupamaros-Bewegung ausheben. E<strong>in</strong>er der Tupa-Gründer, Héctor<br />

Amodio Perez, war mit sämtlichen Organisationsunterlagen übergelaufen. Die bürgerliche<br />

Regierung wurde die Geister nicht mehr los, die sie gerufen hatte. Die Armee blieb. Im Februar<br />

1973 putschte das Militär gegen den gewählten Präsidenten und erzwang die Aufnahme mehrerer<br />

Offiziere <strong>in</strong> die Regierung. Der Präsident, Juan Maria Bordaberry (1972-1976), durfte der besseren<br />

Auslandswirkung wegen im Amt bleiben. Die Militärs hatten Blut geleckt. Jetzt richteten sich ihre<br />

Aktionen gegen alle, die sich der Alle<strong>in</strong>herrschaft der Generale nicht unterwarfen. Die Offiziere<br />

erstickten jedes politische Leben. Nur e<strong>in</strong>es schafften sie nicht: besser zu regieren. Inflation und<br />

Arbeitslosigkeit erreichten jedes Jahr im vergangenen siebziger Jahrzehnt neue Rekordhöhen.<br />

Vor der Fahrt nach Libertad besuchten wir Aparîco Mendez, seit September 1976 bis<br />

1981 von den Militärs als neuer Präsident e<strong>in</strong>gesetzt. Mendez ist e<strong>in</strong> Mann von 72 Jahren. Er hat<br />

uns nicht viel zu sagen, weil er wenig zu sagen hat. Als er vor e<strong>in</strong>igen Monaten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview<br />

mit der regierungsamtlichen <strong>Zeit</strong>ung "la manana" etliche ausländische Staaten beschuldigten,<br />

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