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Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

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88<br />

• 30 Prozent der Lehrl<strong>in</strong>ge, die <strong>in</strong> Akkordabteilungen tätig s<strong>in</strong>d, arbeiten selber im<br />

Akkord. Und das Kölner Institut für Sozialökonomische Strukturforschung stellte bei<br />

e<strong>in</strong>er Überprüfung der Verhältnisse <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen und Hessen fest:<br />

• Die wöchentliche Arbeitszeit liegt bei 40 Prozent der Lehrl<strong>in</strong>ge über 40 Stunden,<br />

davon bei jedem vierten sogar über 43 Stunden.<br />

• 63 Prozent der Auszubildenden werden von ihren Lehrherren als Boten, Putzhilfen,<br />

Lastträger und Kaffeeköche missbraucht.<br />

• 56 Prozent der Stifte hatten im dritten Lehrjahr noch ke<strong>in</strong>e Zwischenprüfung<br />

abgelegt.<br />

Bisher hat der Staat dem Missbrauch, der mit den Lehrl<strong>in</strong>gen getrieben wird, tatenlos<br />

zugesehen. Zwar dürfen nach dem Jugendarbeitschutz-Gesetz Stifte zwischen 14 und 16 Jahren<br />

nicht mehr als 40 Stunden, über 16 Jahren nicht mehr als 44 Stunden <strong>in</strong> der Woche arbeiten, doch<br />

die Vorschriften werden von den Firmenchefs nur selten e<strong>in</strong>gehalten. In den vergangenen fünf<br />

Jahren wurden über 300.000 Verstöße gegen das Jugendarbeitschutz-Gesetz registriert. Aber schon<br />

die Missachtung des Gesetzes ist weitestgehend ungefährlich. Im gesamten Bundesgebiet stehen<br />

lediglich 500 Beamte zur Verfügung, um Vergehen zu ahnden. Die Folge: Nur 4,1 Prozent der<br />

Gesetzesverstöße können aufgeklärt werden. Die restlichen 95,5 Prozent bleiben folgenlos.<br />

Im Jahre 1969 versuchte der Gesetzgeber zum ersten Mal, die betriebliche Ausbildung<br />

durch das Berufsbildungsgesetz zu bessern. Nach dem Reformmodell mussten die Ausbilder<br />

persönlich und fachlich für ihre Lehraufgaben geeignet se<strong>in</strong>, die Betriebe e<strong>in</strong>en zeitlich gegliederten<br />

Ausbildungsplan haben und die Lehrl<strong>in</strong>ge über ihr Berufsbild e<strong>in</strong>gehend <strong>in</strong>formiert werden. Vier<br />

Jahre später gibt Bundeswissenschaftsm<strong>in</strong>ister Klaus von Dohnanyi (1972-1974) offen zu: "Das<br />

Berufsbildungsgesetz ist <strong>in</strong> zahlreichen Fällen nicht oder nicht se<strong>in</strong>em S<strong>in</strong>n und Zweck<br />

entsprechend angewendet worden."<br />

Neben der betrieblichen Ausbildung ist der Unterricht an den deutschen Berufsschulen<br />

<strong>in</strong>s Feuer der Kritik geraten. Der Hochschullehrer Wolfgang Lempert (Projektleiter am Berl<strong>in</strong>er<br />

Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung 1964-1995): "Die Berufsschule ist e<strong>in</strong> Feigenblatt, mit<br />

dem die pädagogische Benachteiligung der meisten Lehrl<strong>in</strong>ge nur notdürftig verdeckt wird." Das<br />

Hauptübel ist der erdrückende Lehrermangel. In der Bundesrepublik s<strong>in</strong>d 15.000 Planstellen<br />

unbesetzt. Und die Personal-Prognosen sehen alles andere als optimistisch aus.<br />

Anno 1998 unterrichteten <strong>in</strong> Deutschland 110.000 Berufsschullehrer. Weit über 4.000<br />

Planstellen blieben unbesetzt. Für das Jahr 2015 klafft die Ausbildungslücke noch bedrohlicher<br />

ause<strong>in</strong>ander. Da dürften nach zuverlässigen Hochrechnungen alsbald 45.000 Pädagogen an Berufs-,<br />

Real- und Hauptschulen fehlen. Groteskes aus Deutschland. - Es ist vornehmlich e<strong>in</strong> vielerorts<br />

grassierender Personalmangel, der der wirtschaftlichen Leistungskraft <strong>dieser</strong> Export-Nation auf<br />

h<strong>in</strong>tere Plätze verweisen könnte. Vom Masch<strong>in</strong>enbau über die Informationstechnik bis h<strong>in</strong> zur<br />

Auto<strong>in</strong>dustrie - überall fehlt es an Ingenieuren, Naturwissenschaftler, Technikern. In klassischen<br />

Berufsfeldern wie etwa Dreher, Flugzeugtechniker oder auch Schweißer weist die<br />

Arbeitsmarktstatistik oft doppelt so viele freie Stellen aus wie Bewerber. Insbesondere bei den<br />

Ausbildungsplätzen übersteigt neuerd<strong>in</strong>gs die Zahl der offenen Stellen wieder die der<br />

Schulabgänger. Nach Erhebungen des Instituts verursacht der Personal-Mangel jährlich<br />

Wertschöpfungsdefizite von 28 Milliarden Euro. Konsequenzen? Im Gegenteil.

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