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Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

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SOWJETUNION - STAATSPRÄSIDENT IN PRAG IST<br />

GEISTESKRANK (TEIL 1)<br />

Mitte der siebziger Jahre war Ludvik Svoboda (*1895+1979) Staatspräsident der<br />

CSSR. Für viele se<strong>in</strong>er <strong>Land</strong>sleute war Svoboda e<strong>in</strong>e Vaterfigur, der letzte Repräsentant des<br />

Prager Frühl<strong>in</strong>gs aus dem Jahre 1968. Den Sowjets war er deshalb seit langem e<strong>in</strong> Dorn im<br />

Auge. Im Auftrag des Geheimdienstes KGB reiste der Moskauer Chefpsychiater Georgij<br />

Morosow nach Prag, um dort Ludvik Svoboda auf se<strong>in</strong>en "Geisteszustand" zu<br />

untersuchen. Aufgrund dieses "Gutachtens" wurde Svoboda drei Jahre vor Ablauf se<strong>in</strong>er<br />

Amtszeit im Jahre 1975 zum Rücktritt gezwungen.<br />

stern, Hamburg 27. April 1978 * 9<br />

Die Patienten fürchteten ihn, die jungen Ärzte erschreckte er mit se<strong>in</strong>er herrischen Art,<br />

und selbst die altgedienten Professoren wagten kaum, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gegenwart ihre Me<strong>in</strong>ung zu sagen:<br />

Georgij Wassiljewitsch Morosow, 57, Direktor des "Serbskij-Instituts", ist e<strong>in</strong> machtsüchtiger<br />

Mensch. Seit 1957 leitet er diese höchste gerichts-psychiatrische Instanz <strong>in</strong> der Sowjetunion ganz<br />

im S<strong>in</strong>ne des Geheimdienstes KGB.<br />

Professor Morosow hat ke<strong>in</strong>e Freunde im "Serbskij", die meisten Kollegen haben se<strong>in</strong><br />

Chefzimmer nie betreten. Weshalb Morosow ausgerechnet mich, Dr. Juri Novikov, <strong>in</strong>s Vertrauen<br />

zog, ist mir nie ganz klar geworden. Er machte mich 1975 zu se<strong>in</strong>em jüngsten Abteilungsleiter und<br />

sorgte dafür, dass ich zum Sekretär des mächtigen sowjetischen Psychiaterverbandes avancierte.<br />

An e<strong>in</strong>em Januarmorgen 1977 ließ er mich zu sich rufen. Wie immer tat Morosow auch<br />

diesmal ganz geheimnisvoll: "Wir stehen vor e<strong>in</strong>em der wichtigsten Kongresse der nächsten Jahre.<br />

Du musst mir helfen. Wir müssen den Kollegen <strong>in</strong> unseren sozialistischen Bruderländern erklären,<br />

wie sie sich gegenüber dem Westen zu verhalten haben. Bereite alles vor, morgen fahren wir nach<br />

Berl<strong>in</strong>."<br />

Ich wusste sofort, wovon Morosow sprach. Westliche Ärzte und die Presse <strong>in</strong> den USA,<br />

England sowie <strong>in</strong> der Bundesrepublik hatten unsere psychiatrischen Methoden heftig angegriffen.<br />

Besonders beunruhigt war Morosow, als <strong>in</strong> England e<strong>in</strong> Buch über die sowjetische Psycho-Politik<br />

von Sidney Bloch und Peter Reddaway angekündigt wurde. ("Dissidenten oder geisteskrank?<br />

Missbrauch der Psychiatrie <strong>in</strong> der Sowjetunion". Piper-Verlag, München 1978).<br />

Me<strong>in</strong> Chef befürchtete nicht zu Unrecht, dass die Sowjetunion auf dem Weltkongress für<br />

Psychiatrie im September 1977 <strong>in</strong> Honolulu wegen "Missbrauch der Psychiatrie für politische<br />

Zwecke" verurteilt werden würde. Außerdem schien uns nicht e<strong>in</strong>mal sicher, ob wir uns <strong>in</strong><br />

Honolulu auf die anderen Ostblock-Delegationen hundertprozentig verlassen könnten. Deshalb<br />

wollte Morosow, bevor es im Herbst <strong>in</strong> Honolulu losg<strong>in</strong>g, die Ostberl<strong>in</strong>er Konferenz der<br />

führenden Ostblock-Psychiater dazu benutzen, se<strong>in</strong>e Kollegen auf e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same L<strong>in</strong>ie<br />

festzulegen. Zwar stand die Tagung offiziell unter dem Generalthema "Vorbeugungsmaßnahmen<br />

gegen Alkoholismus und Drogenabhängigkeit". Doch <strong>in</strong>tern war sie e<strong>in</strong>e Generalprobe für<br />

Honolulu.<br />

9 Mit Erich Follath<br />

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