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Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

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Rodolfo Sannemann konnte am 20. Januar 1977 <strong>in</strong> die Bundesrepublik fliegen. In<br />

Bergisch-Gladbach wohnte e<strong>in</strong>e Cous<strong>in</strong>e von ihm, Ursula Kolloch. Geme<strong>in</strong>sam mit ihr wandte er<br />

sich an das Auswärtige Amt <strong>in</strong> Bonn und bat um Familienzusammenführung. Die Frau war ja noch<br />

<strong>in</strong> Paraguay <strong>in</strong> Haft, die K<strong>in</strong>der bei Verwandten. Die deutsche Botschaft <strong>in</strong> der Hauptstadt von<br />

Paraguay, Asunción, hatte sich aus eigenem Antrieb für die Ärzt<strong>in</strong> nicht <strong>in</strong>teressiert. Frau Dr. Sannemann:<br />

"Während me<strong>in</strong>er langen Haftzeit <strong>in</strong> Paraguay kam mich niemand von der Botschaft im Lager<br />

besuchen. Ich glaube, die stecken halt irgendwie zusammen, die von der Botschaft und die von der<br />

Regierung <strong>in</strong> Paraguay."<br />

Ganz abwegig ist diese Vermutung sicher nicht. Dank des "rührigen" E<strong>in</strong>satzes der deutschen<br />

Botschaft <strong>in</strong> Asunción hat Paraguay <strong>in</strong> ganz Südamerika das modernste Telefonnetz (und Abhörsystem).<br />

Kostenfaktor: 44 Millionen Mark Entwicklungshilfe. Gegenwärtig hat Botschafter Hellmut<br />

Hoff (1975-1978) anderes , weitaus Wichtigeres zu bewerkstelligen, als sich um anvertraute Mitbürger<br />

zu sorgen. Er ist nämlich gerade dabei, se<strong>in</strong>em Gastland, der Diktatur Paraguay , e<strong>in</strong>en neuen<br />

deutschen Zehn-Millionen-Kredit zu verschaffen. Der heutige Kanzleramts-M<strong>in</strong>ister und frühere<br />

Staatsm<strong>in</strong>ister im Auswärtigen Amt, Hans-Jürgen Wischnewski (*1922+2005), hat sich schon seit<br />

vielen Jahren um die Übersiedlung vieler verfolgter Südamerikaner nach Deutschland bemüht.<br />

Bedenklich se<strong>in</strong> Urteil über deutsche Auslandsvertretungen <strong>in</strong> Südamerika: "Unsere Botschafter<br />

wollen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie immer gute Beziehungen zu ihrem jeweilige <strong>Land</strong> haben. Gute Beziehungen ,<br />

koste es, was es wolle; gute Beziehungen als Selbstzweck."<br />

Frau Dr. Gladys Sannemann war also weitgehend alle<strong>in</strong> gelassen. Sie alarmierte aus dem<br />

Gefängnis heraus die Kirche und tatsächlich, am 18. März 1977 kam für sie die Entlassung. Sie<br />

durfte ihre Tochter holen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wagen der paraguayischen Polizei wurden die beiden Frauen<br />

zum Flughafen gefahren. Gladys Sannemann er<strong>in</strong>nert sich: "Es war schon gegen Abend, als wir zum<br />

Flughafen gefahren wurden. Alle me<strong>in</strong>e Verwandten waren dort, um sich von mir zu verabschieden.<br />

Ich rief ihnen zu: 'Passt auf, <strong>in</strong> welches Flugzeug die mich br<strong>in</strong>gen. Die wollen mich wieder<br />

verschleppen.' Ich hatte Angst. Ich hatte nämlich gehört, dass Argent<strong>in</strong>ien mich zurückhaben wollte,<br />

um me<strong>in</strong>e damalige Auslieferung an Paraguay zu vertuschen. Denn <strong>in</strong>zwischen hatten sich <strong>in</strong>ternationale<br />

Ärzte-Organisationen, alarmiert von e<strong>in</strong>en me<strong>in</strong>er Kollegen, des Falles angenommen. Zudem<br />

hatte Argent<strong>in</strong>ien begründete Befürchtungen, se<strong>in</strong>en Ruf im Ausland weiterh<strong>in</strong> zu ramponieren.<br />

Und siehe da, me<strong>in</strong>e besorgten Verwandten stellten auf dem Flughafen tatsächlich fest, dass an<br />

diesem Tag gar ke<strong>in</strong>e Masch<strong>in</strong>e nach Deutschland flog."<br />

Die Polizisten warteten mit Frau Sannemann, bis das letzte Flugeug gestartet war - die<br />

Lichter am Airport von Asunción gelöscht wurden. Im Dunkeln fuhren die Uniformierten dann<br />

wieder <strong>in</strong> die Polizeizentrale zurück, unbemerkt von den Angehörigen. Die Täuschung war gelungen.<br />

Erst am nächsten Tag wurde Frau Sannemann mit ihrer Tochter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Militärmasch<strong>in</strong>e nach<br />

Argent<strong>in</strong>ien ausgeflogen. Wieder kam sie für zehn weitere Tage <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Militärkaserne. Von dort<br />

durfte sie aber immerh<strong>in</strong> mit ihren <strong>in</strong> Argent<strong>in</strong>ien lebenden Verwandten telefonieren.<br />

Am 30. März 1977 konnte die Ärzt<strong>in</strong> mit ihren beiden K<strong>in</strong>dern endlich nach Deutschland reisen.<br />

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