09.11.2012 Aufrufe

Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

Kein schöner Land in dieser Zeit. Verlorene ... - Reimar Oltmanns

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ehe Goma dann selber <strong>in</strong>terniert wurde, hatte er noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em offenen Brief an den<br />

rumänischen Staatspräsidenten Nicolae Ceausescu (1967-1989 - *1918+1989) geschrieben, Rumanien<br />

respektiere weder die eigene Verfassung, noch die durch <strong>in</strong>ternationale Abkommen e<strong>in</strong>gegangenen<br />

Verpflichtungen über die Gewährung der grundlegenden Menschenrechte. Wörtlich hieß es<br />

<strong>in</strong> dem an Cheausescu - als Adresse war "Königspalast" angegeben: "In diesem <strong>Land</strong> gibt es nur zwei<br />

Menschen, die die Geheimpolizei nicht fürchten: Sie und ich."<br />

Noch schärfer wurde Goma <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief an den tschechoslowakischen Schriftsteller Pavel Kohout<br />

(*1928), e<strong>in</strong>em der markanten Wortführer des Prager Frühl<strong>in</strong>gs, der im Jahre 1979 ausgebügert<br />

wurde und seit 1980 österreichischer Staatsbürger ist. Goma erklärte sich beizeiten solidarisch mit<br />

den Unterzeichnern der Prager Menschenrechts-Deklaration Charta 77. In diesem Brief schrieb<br />

Goma, <strong>in</strong> Rumänien gäbe es "20 Millionen politische Gefangene <strong>in</strong> Zivil", er sprach von der "rumänischen<br />

Besetzung Rumänien" und schloss se<strong>in</strong>e Soldaritätsadresse: "Wir leben alle unter dem<br />

gleichen Druck. Der gleiche Verlust der elementaren Rechte, die gleiche Missachtung des Menschen,<br />

die gleichen Lügen. Überall Armut, wirtschaftliches Chaos, Demagogie, Unsicherheit, Terror."<br />

Zu denen, die am meisten unter den von Goma geschilderten Zustände zu leiden haben,<br />

zählt die 400.000 Personen umfassende deutsche M<strong>in</strong>derheit. Die Banater Schwaben und Siebenbürger<br />

Sachsen, die aus dem Gebiet zwischen Mosel, Maas und Niederrhe<strong>in</strong> stammen und vor rund 800<br />

Jahren das <strong>Land</strong> urbar gemacht und besiedelt haben, wollen <strong>in</strong> immer größerer Zahl dem <strong>in</strong>nenpolitischen<br />

Repressionsklima den Rücken kehren. Erst recht, seit die Integrationspolitik der rumänischen<br />

Kommunistischen Partei bewusst e<strong>in</strong>e Rumänisierung der "mitwohnenden" Deutschen und<br />

damit e<strong>in</strong>e schleichende Demontage deutscher E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> Rumänien betrieb, nehmen die<br />

Anträge auf Ausreise allmählich das Format e<strong>in</strong>er Massenauswanderung an. 50.000 Deutschstämmige<br />

haben das <strong>Land</strong> bereits seit der kommunistischen Machtübernahme 1948 verlassen. Jetzt hat<br />

Ceausescu die Genehmigung zur Auswanderung zurückgeschraubt. Erhielten 1974 noch 8.400<br />

Rumänen-Deutsche die Erlaubnis zum Umzug <strong>in</strong> die Bundesrepublik, so waren es 1975 nur noch<br />

5.000, 1976 nur noch 3.500. "Conducator" (Führer) Ceaucescu begründete das lapidar: "In e<strong>in</strong>em<br />

Jahr fliesst im Fluss weniger Wasser, im anderen Jahr wieder etwas mehr."<br />

Mit der Drohung des Verlustes des Arbeitsplatzes werden die auswanderungswilligen<br />

Rumänien-Deutschen e<strong>in</strong>geschüchtert. So verloren Ende 1976 zum Beispiel mehr als 150 Lehrer<br />

und Lehrer<strong>in</strong>nen deutschsprachiger Schulen ihre Stellung, als sie e<strong>in</strong>en Antrag auf Ausreise gestellt<br />

hatten. Die rumänischen Behörden begründeten die Entlassung damit, die Pädagogen hätten sich<br />

mit diesem Ausreiseantrag ideologisch für die Erziehung der Jugend diskreditiert.<br />

Derartige Repressalien gehören auch zum Repertoire der kommunistischen Machthaber <strong>in</strong><br />

der Tschechoslowakei. Oppositionelle werden mit Berufsverbot belegt, ihre K<strong>in</strong>der werden daran<br />

geh<strong>in</strong>dert, Gymnasien oder Hochschulen zu besuchen. Das war so nach der Zerschlagung des<br />

Prager Frühl<strong>in</strong>gs 1968, als das von den Sowjets e<strong>in</strong>gesetzte Husak-Regime die Kommunistische<br />

Partei von den Reform-Kommunisten "säuberte". (Gustav Husak [*1913+1991] war von 1975 bis<br />

1998 Staatspräsident der Tschechoslowakei). Derlei E<strong>in</strong>schüchterungen griffen gleichsam 1977, als<br />

die Unterzeichner der Menschenrechts-"Charta 77" von den Prager Machthabern wegen "volksfe<strong>in</strong>dlicher<br />

Handlungen" verfolgt wurden. E<strong>in</strong>e Zahl verdeutlicht das Ausmass <strong>dieser</strong> Drangsalierung.<br />

Das Mitglied im Präsidium der Kommunistischen Partei der CSSR, Vasil Bilak (*1917), gab <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Interview bekannt, dass bei der Parteie<strong>in</strong>igung nach 1968 <strong>in</strong>sgesamt 165.00o Männer und<br />

Frauen von ihrem Arbeitsplatz entfernt wurden.<br />

294

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!