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Aufbauen: Wohnen und Bauen. Ab jetzt geht’s los.<br />
56<br />
Faktor vier des WohnQuartier 4 -Konzeptes<br />
erfordert zweifellos die größte<br />
Beharrlichkeit und die längere zeitliche<br />
Perspektive. Baumaßnahmen und<br />
Verbesserungen <strong>in</strong> der Infrastruktur<br />
sche<strong>in</strong>en die ungleich größeren Baustellen<br />
darzustellen. Sie liegen nicht <strong>in</strong><br />
der Macht der Bürger und Bürger<strong>in</strong>nen<br />
vor Ort und selten alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Händen<br />
der Kommune oder gar lokaler Träger der<br />
sozialen Infrastruktur. Die Akteure hier<br />
s<strong>in</strong>d Wohnungsgesellschaften, Bauträger,<br />
Investoren, bei Dritten angestellte<br />
Architekten oder Stadtplaner<strong>in</strong>nen. Sie<br />
s<strong>in</strong>d unverzichtbare Partner <strong>in</strong> der Allianz<br />
derer, die schon im Wohnumfeld<br />
aktiv gewordenen s<strong>in</strong>d. Nur auf den ersten<br />
Blick mag der Gedanke überraschen,<br />
dass sich auch die Wohnungswirtschaft<br />
engagiert.<br />
Große Vermieter, Bauträger, Wohnungsgesellschaften<br />
haben e<strong>in</strong> eigenes - sogar<br />
starkes - Interesse an der Stadtteilentwicklung.<br />
Sie vermieten Wohnungen, <strong>in</strong><br />
denen die älter werdenden Menschen<br />
auch bei bester Wohnraumanpassung<br />
nur dann bleiben können, wenn das<br />
soziale Umfeld stimmt. Das soziale Angebot<br />
von Nachbarschaft, von Hilfe im<br />
Haushalt oder von Kultur ist dabei ebenso<br />
wichtig wie der Aufzug <strong>in</strong> die dritte<br />
Etage und manchmal wichtiger als das<br />
barrierefreie Bad. Investitionen <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
soziales Wohnumfeld zahlen sich für Immobilienverwaltungen<br />
oder Bauträger<br />
unmittelbar aus.<br />
Für das Ziel „<strong>in</strong> der eigenen Häuslichkeit<br />
verbleiben“, ist die Wohnungswirtschaft<br />
sensibilisiert - wohl wissend,<br />
dass das soziale Know-how dazu bei<br />
anderen liegt. Entsprechende Aktivitäten<br />
im Stadtviertel bieten somit gute<br />
Chancen, wichtige Bündnisse mit den<br />
lokalen Wohnungsbauunternehmen<br />
knüpfen zu können. Und sei es zunächst<br />
über e<strong>in</strong>en Zuschuss für die Stadtteilzeitung<br />
oder zu den Heizkosten im „Kulturraum“,<br />
der für die Mieter und Mieter<strong>in</strong>nen<br />
zum Treffpunkt geworden ist. An<br />
diesen Punkten s<strong>in</strong>d die Großen bereit,<br />
ihre ersten überschaubaren Beiträge zur<br />
Stadtteilentwicklung zu leisten und so<br />
flankierende Maßnahmen von anderen<br />
zu unterstützen. Das ist noch nicht die<br />
Zusage e<strong>in</strong>er Investition <strong>in</strong> größere, noch<br />
zu entwickelnde Bauvorhaben - aber es<br />
ist der E<strong>in</strong>stieg.<br />
Klug Kooperieren.<br />
Vertrauen wird <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Schritten aufgebaut,<br />
zum Beispiel über e<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle<br />
Beteiligung an e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>stiegsprojekt,<br />
wie etwa dem von Bürger<strong>in</strong>nen und<br />
Bürgern gestalteten Info- und Ausstellungsschaufenster<br />
e<strong>in</strong>es leer stehenden<br />
Ladenlokals auf dem Remscheider Hohenhagen.<br />
Vor Ort überzeugen<br />
Den Impuls hat die demografische Herausforderung<br />
längst gegeben. Das<br />
Grund<strong>in</strong>teresse der Immobilienwirtschaft<br />
an der Sicherung oder auch Aufwertung<br />
von Lagen, die sich nicht von<br />
selbst vermarkten lassen, kann voraus<br />
gesetzt werden (wenn nicht Aufgabe<br />
oder Verkauf strategisches Ziel s<strong>in</strong>d).<br />
Auch Kirchengeme<strong>in</strong>den und geme<strong>in</strong>nützige<br />
E<strong>in</strong>richtungen wie beispielsweise<br />
Altenzentren werden massiv von tief<br />
greifenden demografischen Veränderungen<br />
<strong>in</strong> den Quartieren getroffen und<br />
brauchen Support beim Umgang mit<br />
freiwerdenden Grundstücken oder Gebäuden.<br />
Bei der Sanierung oder Umnutzung<br />
im Bestand s<strong>in</strong>d sie auf fundiertes<br />
Know-how <strong>in</strong> den Bereichen Standortanalyse,<br />
Immobilienwirtschaft, Architektur,<br />
Energieversorgung angewiesen.<br />
Die Chance des WohnQuartier 4 -Konzeptes<br />
liegt dar<strong>in</strong>, dass es Kreise zusammenführt,<br />
die bislang eher von unterschiedlichem<br />
Denken geprägt s<strong>in</strong>d: Soziales<br />
oder harte Wirtschaftlichkeit? Die Reibungsfläche<br />
ist offensichtlich. Zugleich<br />
aber wächst die Zahl der Grenzgänger,<br />
die sich längst der hier geforderten Kooperation<br />
geöffnet haben. Sie braucht es<br />
auf beiden Seiten: Menschen, die bereit<br />
s<strong>in</strong>d, groß zu denken, die sich mutig und<br />
risikofreudig der Frage stellen: Wie kann<br />
das Leben und Wohnen im Quartier bis<br />
<strong>in</strong>s hohe Alter ohne große soziale Verwerfungen<br />
gel<strong>in</strong>gen?<br />
Ob Stadtplaner<strong>in</strong>nen, Architekten, Bauträger<br />
oder Bezirksvertretungen, die für<br />
solche Entscheidungen zuständigen<br />
Kreise brauchen auch Vorlagen und auch<br />
Papier, um solche Ideen <strong>in</strong> ihren Institutionen<br />
und Gremien durchzubr<strong>in</strong>gen.<br />
Was sie vor allem überzeugt, ist der Ort<br />
des Geschehens. Das Gespräch f<strong>in</strong>det<br />
am besten dort statt, wo ihr Geld wirken<br />
soll, wo es schon Zeichen des Engagements<br />
der späteren Nutzer gibt: Bilder,<br />
Dokumente, Plakate etc. Die Kontakte<br />
werden vor Ort geknüpft. Aufgabe der<br />
Stadtteilkoord<strong>in</strong>ation ist es, den nötigen<br />
Resonanzraum für die geforderte Stimmenvielfalt<br />
bereit zu stellen. E<strong>in</strong>beziehen,<br />
die Me<strong>in</strong>ung erfragen, zeigen, was<br />
im Stadtteil bereits läuft und wo man<br />
e<strong>in</strong>steigen und sich e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen kann -<br />
Partizipation ist ke<strong>in</strong>e Strategie, sondern<br />
das Mittel der Wahl. Auch hier.<br />
57<br />
Kapitel ZWEI: Wege zur Entwicklung e<strong>in</strong>es Wohnquartiers