27.11.2012 Aufrufe

Klinoptikum 2/2011 - LKH-Univ. Klinikum Graz

Klinoptikum 2/2011 - LKH-Univ. Klinikum Graz

Klinoptikum 2/2011 - LKH-Univ. Klinikum Graz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Nun begann die große Zeit des Höllerhansl als<br />

Heiler. Es begann mit einem Prozess in Stainz,<br />

wo er von den Ärzten der Umgebung wegen Kurpfuscherei<br />

angezeigt worden war. Er wurde verurteilt,<br />

doch die Strafe zahlte er mit Leichtigkeit.<br />

Diese Verurteilung hinderte ihn nicht weiter zu<br />

„ordinieren“. So kam es zur nächsten Anzeige, das<br />

Bezirksgericht Stainz erklärte sich für befangen<br />

und so wurde der Prozess nach <strong>Graz</strong>, zum Bezirksgericht<br />

in der Paulustorgasse verlegt.<br />

Dieser Prozess in <strong>Graz</strong> schlug hohe Wellen und<br />

wurde dort vor allem über die Tageszeitungen<br />

ausgetragen, deren politischer Hintergrund dabei<br />

eine große Rolle spielte. Besonders hetzte der „Arbeiterwille“,<br />

das Kampfblatt der sozialistischen<br />

Partei. So konnte man dort z. B. lesen:<br />

„Die Steiermark ist ein günstiger Boden für alle<br />

Nachtschattengewächse der klerikalen Gehirnversumpfung;<br />

alle Figuren des vom Zauberer in Rom<br />

arrangierten Puppentheaters geistern in diesem<br />

Land, und der `Höllerhansl` in Stainz und die anderen<br />

Abergläubigen, sie bilden zusammen eine große<br />

Sippschaft, die Sippschaft der Kurpfuscher und<br />

Wunderdoktoren, der verschlagenen und pfiffigen<br />

Medizinmänner, die sich mästen an der Dummheit,<br />

dem Aberglauben, der hirnlosen Leichtgläubigkeit<br />

und der biblischen Einfalt der von Ammenmärchen<br />

und Köhlergeschichten infizierten Menschen. Der<br />

Bazillus klerikalis ist es, der Erreger der fatalen<br />

schwarzen Gehirnepidemie, unter dessen Zeichen<br />

die Schwindler jeder Kategorie ihre schönsten Triumphe<br />

feiern ...“.<br />

Die Einvernahme des Höllerhansl durch den Richter<br />

kann man in den Zeitungen nachlesen, der Akt<br />

selbst wurde später leider vernichtet. Obwohl der<br />

Höllerhansl neuerlich mit einer Verurteilung und<br />

Geldstrafe belegt wurde, wurde er von seinen Anhängern<br />

vor dem Gerichtsaal mit Jubelrufen empfangen<br />

und auf deren Schultern durch die Annenstraße<br />

zum Bahnhof getragen. Das, was die Ärzte<br />

mit dem Prozess bezweckt hatten, war gründlich<br />

fehlgeschlagen – im Gegenteil, der Höllerhansl<br />

wurde durch diesen Prozess noch berühmter, als er<br />

es schon war.<br />

Und dieser Ruhm drang immer weiter und überschritt<br />

die engen Grenzen seiner Heimat. Das hatte<br />

auch Auswirkungen auf die lokale Eisenbahn zwischen<br />

<strong>Graz</strong> und Stainz. Hunderte von Heilsuchenden<br />

16 Ausgabe 2/<strong>2011</strong><br />

HISTORISCH<br />

Bahnerlebnis Steiermark<br />

fuhren nun mit ihr. Jeder hatte wenigstens ein<br />

Flascherl Urin mit im Gepäck, so dass der Zug<br />

spöttisch bei der Hinfahrt als „Flascherlzug“, bei<br />

der Rückfahrt als „Tee-Zug“ bezeichnet wurde<br />

(Abb. 4).<br />

Abb. 4: Der Flascherlzug in Stainz<br />

In Stainz angekommen, warteten schon auf jene,<br />

die es sich leisten konnten, Fuhrwerke, die sie<br />

das Sauerbrunntal hinein bis nach Marhof brachten.<br />

Von Marhof an mussten dann aber alle den<br />

steil bergauf führenden Hohlweg bis hinauf nach<br />

Rachling gehen. Den Weg hinauf konnte niemand<br />

verfehlen, denn er war links und rechts gesäumt<br />

von weggeworfenen oder zerschlagenen Flaschen.<br />

Regelrechte „Wettgehen“ fanden statt, denn pro<br />

Tag kamen damals ungefähr 800 (!) Leute zum<br />

Höllerhansl. In den Zeitungen stand geschrieben,<br />

dass man damals beim ihm sogar Wartenummern<br />

ausgab (Abb. 5).<br />

Abb. 5: Wartende vor dem Haus des Höllerhansls auf einer Postkarte der 20er Jahre<br />

In Rachling „ordinierte“ nun der Hansl in seinem<br />

Keller. Dort stand ein langer Tisch, an dem<br />

links und rechts die „Patienten“ saßen und von<br />

ihren Leiden berichteten. Jeder konnte zuhören.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!