Klinoptikum 2/2011 - LKH-Univ. Klinikum Graz
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Ist klar, dass bei Kleinkindern der Erziehungsberechtigte<br />
über einen Eingriff entscheidet,<br />
konfrontiert die Behandlung Jugendlicher Arzt<br />
und Pflegekraft oftmals mit verschiedenen Fragen:<br />
ab welchem Alter muss ein Minderjähriger aufgeklärt<br />
werden? Darf ein 17-Jähriger ohne Verständigung<br />
der Eltern entlassen werden? Kann ein Kind<br />
eine Behandlung ablehnen?<br />
Auf die präzise Frage des Arztes „ab welchem<br />
Alter muss ein Kind unterschreiben?“ kann der<br />
Jurist nur weniger präzise antworten. Orientiert<br />
man sich auch gerne an fixen Altersgrenzen,<br />
ist bei der Frage nach der Einwilligung in eine<br />
Behandlung kein konkretes Alter zu nennen.<br />
Vielmehr geht es um die Einsichts- und Urteilsfähigkeit<br />
des Kindes. Diese darf keinesfalls mit der<br />
Geschäftsfähigkeit gleichgesetzt werden und<br />
meint das Erkennen von Grund und Bedeutung<br />
einer Behandlung sowie Fähigkeit, seinen Willen<br />
nach dieser Einsicht zu bestimmen. In einfacheren<br />
Worten ausgedrückt: im Gespräch hat der Arzt zu<br />
klären, ob der Patient die vorgesehene Behandlung<br />
versteht, dem Gesagten folgen, Vor- und Nachteile<br />
der Behandlung abwägen und Risiken einschätzen<br />
kann. Für die Beurteilung ist kein Psychiater<br />
erforderlich. Das Vorliegen dieser Einsichts- und<br />
Urteilsfähigkeit ist nicht nur bei Kindern, sondern<br />
bei jedem Patienten Voraussetzung für eine gültige<br />
Einwilligung und daher jeder Behandlung<br />
immanent.<br />
Bei Jugendlichen hilft das Gesetz dem Arzt bei<br />
der Beurteilung der Einsichts- und Urteilsfähigkeit:<br />
hat der Arzt nach seinem Gespräch mit dem<br />
Jugendlichen Zweifel an dessen Einsichts- und<br />
Urteilsfähigkeit, darf er ihr Vorliegen bei mündigen<br />
Minderjährigen (vollendetes 14. bis zum 18.<br />
Lebensjahr) vermuten. Daraus den Schluss zu<br />
ziehen und die Eingangsfrage des Arztes doch kurz<br />
und präzise mit „14“ zu beantworten, ist natürlich<br />
verlockend, aus rechtlicher Sicht jedoch unrichtig.<br />
Das Gesetz verpflichtet auch zur Einholung der<br />
Einwilligung bei einem 13-Jährigen, wenn dieser<br />
als einsichts- und urteilsfähig beurteilt wird. Auf<br />
28 Ausgabe 2/<strong>2011</strong><br />
RECHT aktuell<br />
„Nicht ohne meine Tochter ...“<br />
Die medizinische Behandlung von mündigen Minderjährigen<br />
Claudia Hautumm/www.pixelio.de<br />
der anderen Seite kann ein 16-Jähriger noch so unreif<br />
sein, dass der Arzt das Vorliegen der Einsichts-<br />
und Urteilsfähigkeit ausschließt.<br />
Nach diesen Vorbemerkungen zur Einsichts- und<br />
Urteilsfähigkeit ist nun hinsichtlich der konkreten<br />
medizinischen Behandlung von folgenden Grundsätzen<br />
auszugehen.<br />
1. Entscheidend ist der Wille des einsichts- und<br />
urteilsfähigen Patienten. Damit dieser Wille<br />
rechtswirksam geäußert werden kann, bedarf es<br />
der Aufklärung. Ist ein Kind also als einsichts-<br />
und urteilsfähig beurteilt worden, ist es nicht<br />
nur aufzuklären, sondern jedenfalls seine Einwilligung<br />
in den Eingriff erforderlich.<br />
2. Eine Einwilligung in nicht gravierende medizinische<br />
Behandlungen kann der einsichts-<br />
und urteilsfähige Minderjährige alleine erteilen.<br />
Nicht gravierende Behandlungen sind all jene<br />
Eingriffe, die nicht die Voraussetzungen einer<br />
schweren Körperverletzung erfüllen. (z.B.<br />
Röntgenuntersuchung ohne Kontrastmittel, Kataraktoperation,<br />
kleinerer chirurgischer Eingriff<br />
ohne zu erwartenden Risiken oder Komplikationen<br />
etc.)<br />
Wann kann ich bei Behandlungen mitreden?