Gesellschafts- politische Kommentare - Leo Schütze Gmbh
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gpk SONDERAUSGABE GESELLSCHAFTSPOLITISCHE KOMMENTARE Nr. 3/07 – September 2007 – Seite 13<br />
Hilfs- und Pflegebedürftigkeit<br />
Vielfach sind Patienten mit entzündlich-rheumatischen<br />
Erkrankungen durch die Einschränkung der<br />
Alltagsfunktion auf die Hilfe anderer Personen bis hin<br />
zur Pflege angewiesen. Im Wesentlichen kommt diese<br />
Unterstützung aus der Familie. In den ersten fünf<br />
Jahren benötigt ein Viertel der Kranken mit rheumatoider<br />
Arthritis Hilfe im Haushalt oder bei der Selbstversorgung<br />
(Westhoff et al., 2000).<br />
Bei mehr als 20-jähriger Krankheitsdauer ist bei mehr<br />
als der Hälfte der Betroffenen mit Hilfebedarf zu rechnen,<br />
einschließlich des Grundpflegebedarfs für Körperpflege,<br />
An- und Ausziehen, Mobilität oder Ernährung,<br />
bei mindestens 15 Prozent.<br />
Physikalisch-therapeutische und psychosoziale<br />
Interventionen<br />
Trotz erheblicher Fortschritte der rheumatologischen<br />
Versorgung und medikamentösen Therapie treten bei<br />
zahlreichen Patienten relevante Einschränkungen der<br />
Alltagsaktivitäten (Zink, 2007) und die beschriebenen<br />
sozialmedizinischen Folgen auf. Sie erfordern vor allem<br />
funktionsorientierte physikalisch-therapeutische<br />
Behandlungen und psychosoziale Interventionen sowie<br />
umfassende Rehabilitationsmaßnahmen, bei denen<br />
in Deutschland verschiedene Defizite festzustellen<br />
sind.<br />
Mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses<br />
(G-BA) seit dem Jahr 2002 und der Budgetierung<br />
der Heilmittelausgaben von Internisten einschließlich<br />
der Rheumatologen auf weniger als 4 Euro<br />
pro Patient und Quartal seit 2006, wurde die ambulante<br />
Heilmittelverordnung auch für Rheumapatienten<br />
erheblich eingeschränkt.<br />
Von 1994 bis 2003 gingen mit Ausnahme der Krankengymnastik<br />
alle Heilmittelverordnungen in den<br />
Rheumazentren deutlich zurück. Sogar in diesen spezialisierten<br />
Zentren erhielten unter den Patienten mit<br />
einer rheumatoiden Arthritis in den letzten 12 Monaten<br />
nur 5 Prozent ambulant ergotherapeutische Maßnahmen<br />
(Zink et al., 2004). Selbst bei erheblichen<br />
Behinderungen im Alltag (Funktionskapazität 50 Prozent<br />
oder weniger im Funktionsfragebogen Hannover)<br />
bekamen im Jahr 2004 nur 55 Prozent Einzelkrankengymnastik,<br />
9 Prozent Ergotherapie, 5 Prozent<br />
Psychotherapie und 2 Prozent eine Patientenschulung<br />
(A. Zink, pers. Mitteilung).<br />
Auch bei den für Rheumakranke wichtigen funktionsorientierten<br />
Gruppenangeboten, dem Funktionstrai-<br />
ning und Rehabilitationssport, wurde trotz der gesetzlichen<br />
Verankerung als Pflichtleistungen der gesetzlichen<br />
Krankenkassen die Leistungsdauer deutlich begrenzt.<br />
Auch in den Akutkrankenhäusern, zu denen in<br />
Deutschland zahlreiche hoch qualifizierte Rheumakliniken<br />
und -abteilungen zählen, wurden die Möglichkeiten<br />
einer intensiven physikalisch-therapeutischen<br />
Behandlung und psychosozialen Unterstützung drastisch<br />
eingeschränkt: u.a. Aufnahme und Aufenthalt<br />
nur für die Dauer der stationär notwendigen Diagnostik<br />
und Therapie, Verweildauerverkürzungen als Folge<br />
der Fallpauschalenabrechnung, Einschränkungen<br />
der Art und des Umfangs der Komplextherapie.<br />
Rehabilitation<br />
Aufgaben<br />
Auch in Anbetracht der Defizite in anderen Versorgungssektoren<br />
hat die Rehabilitation für Patienten mit<br />
entzündlich-rheumatischen Erkrankungen eine besondere<br />
Bedeutung. Sie bietet eine kompetente, interdisziplinäre<br />
und umfassende Versorgung, die in<br />
Deutschland in der Regel ganztägig als medizinische<br />
bzw. berufliche Rehabilitation erfolgt (Jäckel et al.,<br />
1996). Ihre beiden zentralen gesetzlichen Aufträge<br />
sind auf die oben dargestellten sozialmedizinischen<br />
Krankheitsfolgen ausgerichtet:<br />
● die Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen oder zu<br />
erhalten („Rehabilitation vor Rente“ – Leistungsträger<br />
vor allem gesetzliche Rentenversicherung<br />
nach Sozialgesetzbuch VI) und<br />
● Behinderung und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden<br />
oder deren Ausmaß zu vermindern („Rehabilitation<br />
vor Pflege“ – Leistungsträger vor allem Gesetzliche<br />
Krankenversicherung nach Sozialgesetzbuch<br />
V).<br />
Die vielfältigen Aufgaben der Rehabilitation erfordern<br />
ein interdisziplinäres Team aus verschiedenen Berufsgruppen.<br />
Im Gegensatz zur begrenzt verfügbaren<br />
ambulanten Versorgung durch diese Therapeuten, die<br />
oft fern von den Verordnern einzeln arbeiten, ist das<br />
interdisziplinäre Rehabilitationsteam, das hinsichtlich<br />
der Rehabilitation von Patienten mit rheumatischen<br />
Erkrankungen speziell geschult und erfahren ist,<br />
durch regelmäßige Abstimmung der Teammitglieder<br />
gekennzeichnet.<br />
Spezifische Kompetenzen der medizinischen Rehabilitation<br />
sind die sozialmedizinische Begutachtung und<br />
die Weichenstellung für eine systematische Rehabili-