Gesellschafts- politische Kommentare - Leo Schütze Gmbh
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gpk SONDERAUSGABE GESELLSCHAFTSPOLITISCHE KOMMENTARE Nr. 3/07 – September 2007 – Seite 60<br />
Da es keine Heilungsmöglichkeiten gibt, kann nur<br />
versucht werden, die Beweglichkeit möglichst lange<br />
zu erhalten. Die Rheuma-Liga Hessen organisiert für<br />
ihre Mitglieder krankengymnastische Übungen, die<br />
von speziell ausgebildeten Therapeuten geleitet werden.<br />
Die Kosten werden von den Krankenkassen<br />
übernommen, da es sich um eine kostengünstige<br />
Prävention handelt. Ohne diese Maßnahmen würden<br />
auf die Krankenkassen noch mehr Kosten für ambulante<br />
und stationäre Behandlung sowie Arzneien und<br />
Hilfsmitteln zukommen.<br />
Obwohl das im Juli 2001 in Kraft getretene SGB IX die<br />
Kostenübernahme des Funktionstrainings sogar als<br />
Pflichtleistung festschreibt, gibt es in der Praxis erhebliche<br />
Schwierigkeiten. Einige Krankenkassen vertreten,<br />
gegen alle medizinischen und wirtschaftlichen<br />
Erkenntnisse die Meinung, Patienten könnten diese<br />
krankengymnastischen Übungen selbst erlernen und<br />
Zuhause durchführen.<br />
Aber nicht nur bei der Warmwassergymnastik in der<br />
eigenen Badewanne treten Schwierigkeiten auf. Der<br />
Zustand der Gelenke und damit ihre Belastbarkeit<br />
können sich von Woche zu Woche dramatisch ändern.<br />
Eine Übung, die man ohne Schwierigkeiten durchführen<br />
konnte, kann innerhalb kurzer Zeit nicht mehr<br />
möglich sein und sogar irreparable Schäden herbeiführen.<br />
Es reicht eben nicht aus, nur für einen bestimmten<br />
Zeitraum Behandlungen zu bekommen, und es reicht<br />
auch nicht aus, nach erfolgter Anleitung zu Hause<br />
allein weiterzumachen. Durch die Schmerzeinwirkungen<br />
werden zu Hause die Übungen verfälscht, da<br />
man immer eine Schonhaltung einnimmt und somit<br />
mehr Schaden angerichtet wird.<br />
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass<br />
hier ein Versuch unternommen wird, am falschen<br />
Ende zu sparen. Die Kosten die auf die Krankenkassen<br />
zukommen, wenn sie ihre Haltung nicht ändert,<br />
sind bedeutend höher. Das Funktionstraining kostet<br />
durchschnittlich rund 300 Euro jährlich. Man kann sich<br />
leicht ausrechnen, dass die Folgen von nicht oder<br />
unsachgemäßen Übungen bedeutend höher sind.<br />
Bereits ein Tag stationäre Behandlung frisst den „Einspareffekt“<br />
wieder auf. Ganz zu schweigen von dem<br />
angerichteten Image-Schaden in der Politik.<br />
So können bei den Betroffenen Schmerzen gelindert,<br />
die Beweglichkeit verbessert sowie der fortschreitende<br />
Krankheitsprozess aufgehalten oder sogar gehemmt<br />
werden. Zur Behandlung stehen Medikamente,<br />
Krankengymnastik und psychologische Therapieformen<br />
zur Verfügung.<br />
Einsatz neuer Medikamente sinnvoll<br />
Eine Behandlung mit den modernen, hochwirksamen<br />
biologischen Medikamenten aus der Gruppe der TNFalpha-Blocker<br />
oder auch dem IL-1-Rezeptor-Antagonist<br />
(Interleukin-1-Blocker) Anakinra ist immer dann<br />
medizinisch gerechtfertigt, wenn eine Behandlung mit<br />
den herkömmlichen langwirksamen Antirheumatika<br />
unwirksam war oder diese Therapie aus anderen<br />
Gründen, z.B. wegen Nebenwirkungen, nicht oder<br />
nicht mehr durchgeführt werden kann.<br />
Der Einsatz dieser neuen Medikamente ist insbesondere<br />
dann sinnvoll und notwendig, wenn trotz einer<br />
ausreichend langen und in ausreichend hoher Dosierung<br />
durchgeführten konventionellen Behandlung mit<br />
langwirksamen Antirheumatika eine hohe Krankheitsaktivität<br />
besteht.<br />
Allerdings sieht es in der Tat so aus, dass die Verordnung<br />
dieser hochwirksamen Substanzen für den behandelnden<br />
Rheumatologen mit ganz erheblichen<br />
Problemen verbunden ist. Viele Rheumatologen<br />
fürchten drohende Regressforderungen der Krankenkassen.<br />
Obwohl die medikamentöse Behandlung von<br />
Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises in<br />
jedem KV-Gebiet Deutschlands als Praxisbesonderheit<br />
zur Anerkennung durch den Prüfungsausschuss<br />
vorgeschlagen wird, entsteht bei der Verordnung von<br />
biologischen Medikamenten oftmals Unsicherheit auf<br />
Grund mangelhafter oder falscher Information der<br />
Ärzte, was nicht einer leitliniengerechten Behandlung<br />
förderlich ist und damit den Patienten schaden kann.<br />
Man kann daher nur hoffen, dass das Zweitmeinungsverfahren<br />
so ausgestaltet wird, dass es hilft, Regressängsten<br />
und Unterversorgung Abhilfe zu schaffen –<br />
also als Chance, die leitliniengerechte Verordnung<br />
hocheffektiver Präparate im Sinne der Patienten zu<br />
sichern. Hierin liegt eine Chance der neuen Gesundheitsgesetzgebung,<br />
deren Verantwortung sich der<br />
Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zwingend<br />
annehmen und dies förderlich für die Patienten lösen<br />
sollte. Da die kassenärztliche Vergütung für die Rheumatologen<br />
gegenwärtig gleichzeitig extrem niedrig<br />
ist, in Hessen für alle Leistungen über ein gesamtes<br />
Quartal bei 35 Euro liegt, ist die Verordnung von<br />
Biologika und den notwendigen, zugleich wichtigen<br />
ärztlichen Leistungen leider nicht adäquat ausgestaltet.<br />
Es stellt sich die Frage, wo die optimale medizinische<br />
Versorgung von Rheumakranken bleibt. Zu wünschen<br />
ist eine aktive und produktive Zusammenarbeit<br />
von den Kassenärztlichen Vereinigungen und den<br />
rheumakranken Patienten in unserem Land. Rheumakranke<br />
Menschen brauchen eine bessere Lobby in<br />
der Politik.<br />
© gpk