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gpk SONDERAUSGABE GESELLSCHAFTSPOLITISCHE KOMMENTARE Nr. 3/07 – September 2007 – Seite 40 samten Krankheitsverlaufs nicht. Ein Großteil der Patienten mit RA, Morbus Bechterew oder einer Psoriasarthritis befinden sich nach wie vor ausschließlich in hausärztlicher Betreuung. Hier ist die Zusammenarbeit zwischen den Hausärzten und den Rheumatologen im Interesse der betroffenen Rheumapatienten weiter zu verbessern und zu vernetzen. Integrierte Versorgungsmodelle sind der Weg in die richtige Richtung. Dabei darf nicht übersehen werden, dass neben den beschriebenen kurativen Versorgungsmängeln weiterhin auch die rehabilitative Versorgung der Rheumapatienten defizitär ist. Die dazu in einer Studie des Instituts für Sozialmedizin der Universität Schleswig-Holstein Lübeck beschriebene geringe Rehabilitationsbereitschaft auf Patientenseite mit einem Respons von nur 31,3 Prozent nach Rehabilitationsangebot muss durch eine Verbesserung der Patienteninformation angehoben werden. Die von Sozialmedizinern seit Jahren immer wieder erhobene Forderung, die in Deutschland bekannte Unter- und Fehlversorgung von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zu beseitigen, bleibt aktuell. Kosten-Nutzen der neuen hochwirksamen Rheumamedikamente Die Therapiemöglichkeiten der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen haben sich gerade in den letzten Jahren durch die innovative Entwicklungen neuer hochwirksamer Medikamente (Biologika bzw. TNF- Blocker) weiter deutlich verbessert, allerdings profitieren noch längst nicht alle Patienten von diesen neuen Möglichkeiten. Obwohl die neuen hochwirksamen Medikamente deutlich teurer sind, dürfte sich der Einsatz nicht nur für den Patienten durch Verbesserung seiner Lebensqualität, sondern auch für die Kostenträger lohnen und damit „rechnen“. Studien konnten belegen, dass durch den frühzeitigen Einsatz der TNF-alpha-Blocker die Remissionsrate deutlich erhöht werden konnte. Remission und damit Krankheitsstillstand in einer solchen frühen Krankheitsphase bedeutet, dass der Patient sein normales Leben einschließlich seiner bisherigen Berufstätigkeit uneingeschränkt auf Dauer oder zumindest für einen längeren Zeitraum weiterführen kann. Bei Patienten, die dagegen unzureichend behandelt werden oder gar unbehandelt bleiben, kommt es infolge der Progredienz rasch zu Gelenkzerstörungen und -deformierungen mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens und auf das Berufsleben. Längere Arbeitsunfä- higkeitszeiten mit entsprechenden volkswirtschaftlichen Produktionsausfällen sind die Folge. Die gesetzlichen Krankenkassen werden durch Kosten für Krankengeld und für gehäufte ambulante und stationäre Behandlungen belastet. Häufig ist infolge der eingetretenen Behinderungen ein Verbleib am bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich. Arbeitslosigkeit infolge des Verlusts des Arbeitsplatzes und entsprechende Kosten für Arbeitslosengeld oder andere Lohnersatzleistungen sind die Folge. Für den einmal arbeitslos gewordenen Rheumatiker dürfte es nicht selten sehr schwer sein, wieder ins Arbeitsleben zurückzukehren. In vielen Regionen Deutschlands sind nicht einmal für gesunde und voll belastbare Arbeitssuchende ausreichend Arbeitsplätze vorhanden. Selbst bei einer entsprechenden großzügigen Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen einer beruflichen Rehabilitation ist die Reintegration ins Arbeitsleben bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen nicht leicht. Gerade bei jüngeren Menschen wird häufig eine berufliche Neuorientierung mit einer Umschulung in einen für den Rheumatiker geeigneten Beruf angezeigt sein. Solche Umschulungen verursachen nicht selten Kosten in sechsstelligen Eurobeträgen, die von der Deutschen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit, als dem zuständigen Rehabilitationsträger, aus Beiträgen der Solidargemeinschaft zu begleichen sind. Neben den Kosten für eine berufliche Rehabilitation fallen zusätzlich Kosten für medizinische Rehabilitationen sowie für Heil- und Hilfsmittel an. Bei einem rasch progredienten Verlauf können Leistungen zur Rehabilitation auch in kürzeren Intervallen notwendig werden. Bisher nehmen aber nur 12 bis 13 Prozent der rheumatologisch betreuten Patienten stationäre Rehabilitationsleistungen in Anspruch – ein erheblicher Teil der Patienten, wie Studien von Raspe et al. nachwiesen, nie. Andererseits werden einem Teil der Patienten erst in einer Rehabilitationsklinik wichtige ergänzende Maßnahmen wie Ergotherapie und Patientenschulungen zugänglich gemacht. Ist die Krankheit erst einmal so weit fortgeschritten, dass eine Leistungsfähigkeit für den allgemeinen Arbeitsmarkt und damit eine volle Erwerbsfähigkeit nicht mehr gegeben sind bzw. durch Rehabilitation nicht wieder erreicht werden können, entstehen hohe Kosten im Zusammenhang mit der zu zahlenden Erwerbsminderungsrente. Eine prospektive multizentrische Langzeitstudie des Rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbundes Niedersachsen/Bremen
gpk SONDERAUSGABE GESELLSCHAFTSPOLITISCHE KOMMENTARE Nr. 3/07 – September 2007 – Seite 41 über einen Zeitraum von acht Jahren zeigte, dass bei jedem vierten Patienten innerhalb der ersten sechseinhalb Krankheitsjahre mit der Frühberentung zu rechnen ist. Auch hier ist im Durchschnitt von Geldleistungen von 100.000 Euro pro Rentenfall auszugehen. Gegebenenfalls sind noch Leistungen aus der Pflegeversicherung notwendig. Immer auch Folgekosten und ethische Aspekte beachten Bei einer Kosten-Nutzen-Analyse und der Betrachtung der hohen Therapiekosten ist immer die Betrachtung der Folgekosten notwendig. Dies muss auch dann gelten, wenn für die Folgekosten infolge des gegliederten deutschen Sozialversicherungssystems ein anderer Sozialleistungsträger zuständig ist. Eine Kosten-Nutzen-Analyse muss immer die volkswirt- Literatur Bräuer W, Merkesdal S, Mau W: Langzeitverlauf und Prognose der Erwerbsfähigkeit im Frühstadium der chronischen Polyarthritis. Z. Rheumatol 2002; 61: 426-434 Mau W: Wissenschaftliches Gutachten für die Enquetekommission „Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW“ des Landtages von Nordrhein-Westfalen, 2004 Mau W, Bornmann M, Weber H et al.: Die Prognose der frühen chronischen Polyarthritis und ihre beruflich-sozialen Folgen. Z. Rheumatol 1998; 57: 251-354 Schneider M et al: DGRh-Leitlinie zum Management der frühen rheumatoiden Arthritis, 2. überarbeitete Auflage, Steinkopff, Darmstadt, 2007 Leitlinien zur Rehabilitationsbedürftigkeit bei Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Stand 2003, unter www.deutsche-rentenversicherung-bund.de Gesellschaftspolitische gpk Kommentare ISSN: 0016–9102 Herausgeber: Leo Schütze und Erich Schwaiger Redaktion: Leo Schütze (Chefredakteur), Dr. Rudolf Hammerschmidt (verantwortlich), Dr. Franz-Josef Bohle, Günther Sauerbrey, Erich Schwaiger Umbruch: Wolfgang Laack Leo Schütze GmbH Verlag Gesellschaftspolitische Kommentare Bestellanschrift: Büro Eifel, Postfach 10 17, 54614 Schönecken, Tel.: (0 65 53) 9 21 10, Fax: (0 65 53) 9 21 13; E-Mail: Schuetze-Eifel@t-online.de Berliner Büro: Reinhardtstraße 18, 10117 Berlin; Tel.: (0 30) 20 65 87-0; Fax: -29; E-Mail: berlin@leoschuetze-eurogroup.de Wir bitten, Paket- und Päckchensendungen ausschließlich an Leo Schütze, per Adresse Johann Weber, Kapellenweg 3, 54614 Dingdorf, zu senden. Erscheinungsweise: monatlich. Der monatliche Bezugspreis beträgt EUR 4,00 zuzüglich Porto und Versandkosten. Zu wichtigen Themen erscheinen Sonderausgaben. Diese werden gesondert berechnet. Bankkonto: Gesellschaftspolitische Kommentare, Konto 5 023 228, Raiffeisenbank Westeifel eG, BLZ 586 619 01 Druck: Grafische Werkstatt Franz Pruckner, Detmolder Straße 13, 10715 Berlin. Tel. (0 30) 85 4795 90, Fax (0 30) 85 73 11 96 E-Mail: gw-pruckner@t-online.de Die mit Verfassernamen oder Abkürzungen gekennzeichneten Artikel geben nicht in jedem Fall die Auffassung der Redaktion wieder. Die mit gpk gekennzeichneten Anmerkungen stammen von der Redaktion, nicht vom Verfasser. Nachdruck zu den üblichen Honorarbedingungen nur nach Zustimmung durch die Redaktion. Zitierung nur mit Quellenangabe. schaftlichen Gesamtkosten im Fokus haben und nicht nur die Kosten des den Sozialmediziner befragenden Sozialleistungsträgers. Heute eingesparte Medikamenten- oder Rehabilitationskosten können uns allen morgen teuer zu stehen kommen. Die gegenwärtige Praxis der sektoralen Budgetbetrachtung beeinträchtigt die mögliche hohe Qualität der Patientenversorgung. Ärzten verbietet sich aus ethischen Gesichtspunkten eine rein betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse ohnehin, sozialmedizinisch sind alle Kofaktoren des Einzelfalles in eine Entscheidung einzubeziehen. In einem nach wie vor so reichen Land wie der Bundesrepublik Deutschland sollte für jeden Patienten eine optimale Therapie, auch wenn diese mit kurzzeitig höheren Kosten verbunden ist, möglich sein. © gpk Edelmann E: Rheumatoide Arthritis – Keine Alte-Leute-Krankheit. Notfallmedizin 2003; 29: 340-346 Merkesdal S, Ruof J, Bernitt K et al.: Indirect medical costs in early rheumatoid arthritis. Composition and changes in indirect costs within the first three years of RA. Arhritis and Rheumatism 2001; 44: 528-534 Schlademann S, Hüppe A, Raspe H: Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie zur Akzeptanz und zu Outcomes einer Beratung auf stationäre medizinische Rehabilitation unter erwerbstätigen GKV-Versicherten mit rheumatoider Arthritis (clinicaltrials.gov identifier NCT00229541). Gesundheitswesen 2007;69: 325-335 Blosze J, Josenhans G, Raspe H: Versorgung von cP-Patienten. Überweisung zum Rheumatologen und Zugang zu Reha- Maßnahmen mangelhaft. Mobil 1998; 3: 26-29 Beirat: Dr. Franz Altherr MdL (Mittelbrunn), Erwin Aymann (Kleve), Wolf-Michael Catenhusen (Münster), Dr. Paul Hoffacker (Essen), Peter Keller (Zellingen), Monika Knoche MdB (Hannover), Prof. Paul Krupp (Kempten/Allgäu), Alfred Kugler † (München), Karl-Josef Laumann (Hörstel-Riesenbeck), Dr. Volker Leienbach (Köln), Dr. Rolf Linkohr (Stuttgart), Dr. Bruno Menzel † (Dessau), Friedrich Merz MdB (Brilon), Dr. Gerd Müller MdB (München), Dr. Helga Otto (Claßnitz), Prof. Dr. Martin Pfaff (Stadtbergen), Dr. Godelieve Quisthoudt-Rowohl MdEP (Hildesheim), Willi Rothley (Rockenhausen), Gudrun Schaich-Walch (Frankfurt a.M.), Regina Schmidt-Zadel (Ratingen), Theo Starzner M. A. (München), Dr. Dieter Thomae (Sinzig- Bad Bodendorf), Dr. Hans-Peter Voigt (Northeim), Josef Vosen (Düren).
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