Gesellschafts- politische Kommentare - Leo Schütze Gmbh
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gpk SONDERAUSGABE GESELLSCHAFTSPOLITISCHE KOMMENTARE Nr. 3/07 – September 2007 – Seite 9<br />
tionszeitpunkt erhielten 78 Prozent dieser kurz kranken<br />
Patienten bei Rheumatologen DMARDs und<br />
52 Prozent niedrig dosierte Glukokortikoide.<br />
Dass die unterschiedliche Versorgung bei Hausärzten<br />
und internistischen Rheumatologen Konsequenzen<br />
für die Betroffenen hat, zeigte eine Nachuntersuchung<br />
von Patienten mit RA, die initial in der Kerndokumentation<br />
erfasst worden waren. Von denjenigen,<br />
die über drei Jahre ausschließlich vom Hausarzt<br />
betreut worden waren, standen noch 59 Prozent unter<br />
einer Basistherapie gegenüber 83 Prozent der weiter<br />
rheumatologisch Behandelten.<br />
Hausarztpatienten hatten jedoch nicht etwa die leichteren<br />
Verläufe: Einen signifikanten Funktionsverlust<br />
gegenüber dem Ausgangswert mussten 37 Prozent<br />
von ihnen hinnehmen gegenüber 23 Prozent der<br />
rheumatologisch betreuten Patienten. Der Anteil von<br />
Patienten mit schweren Schmerzen ging nur bei den<br />
Rheumatologen-Patienten zurück (von 33 Prozent auf<br />
19 Prozent gegenüber 34 Prozent auf 31 Prozent).<br />
Von den Hausarztpatienten waren 57 Prozent im vergangenen<br />
Jahr arbeitsunfähig gegenüber 28 Prozent<br />
der rheumatologisch mitbetreuten Patienten (25).<br />
Gründe für die Verzögerungen beim Beginn einer<br />
ausreichenden Versorgung und für diskontinuierliche<br />
Versorgungsverläufe sind zum Einen die nach wie vor<br />
lückenhafte Kenntnis früher Überweisungskritierien,<br />
zum Anderen lange Wartezeiten bei Rheumatologen<br />
und große Entfernungen bis zum nächsten rheumatologischen<br />
Behandlungsangebot. Teilweise spielt auch<br />
Bagatellisierung der Beschwerden seitens der Patienten<br />
eine Rolle.<br />
Nach den Ergebnissen eines aktuellen Bevölkerungssurveys<br />
des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums<br />
kann man davon ausgehen, dass heute die<br />
große Mehrheit der RA-Kranken (>80 Prozent) früher<br />
oder später einen Rheumatologen erreicht – viele<br />
davon allerdings zu spät. Defizite fanden sich insbesondere<br />
bei der Versorgung Rheumafaktor-negativer<br />
RA-Kranker. Darüber hinaus bestätigten sich die auch<br />
aus der Kerndokumentation bekannten Defizite bei<br />
der ambulanten Versorgung mit ergänzenden Maßnahmen<br />
wie Funktionstraining, Patientenschulung<br />
oder Schmerzbewältigung (26).<br />
6. Schlussfolgerungen<br />
In der Versorgung von Kranken mit entzündlich-rheumatischen<br />
Krankheiten hat sich in den vergangenen<br />
20 Jahren einiges bewegt: Die regionalen kooperativen<br />
Rheumazentren haben regionale Kooperationsund<br />
Vernetzungsstrukturen geschaffen und damit die<br />
wohnortnahe, ambulante Versorgung verbessert. Ein<br />
erklärtes Ziel der Fortbildungs- und Aufklärungsarbeit<br />
der Rheumazentren ist es, Hausärzte zu früherer Zuweisung<br />
zur rheumatologischen Mitbetreuung zu motivieren.<br />
Wenn wir heute eine frühere Zuweisung zu rheumatologischer<br />
Diagnostik und Therapie konstatieren können,<br />
so ist dies in erster Linie ein Erfolg der Arbeit der<br />
Rheumazentren und der an ihnen beteiligten Einrichtungen.<br />
Auch die Zahl der vertragsärztlich oder als Ermächtigte<br />
tätigen internistischen Rheumatologen hat sich in<br />
den letzten 20 Jahren verdoppelt. Heute kommen auf<br />
einen internistischen Rheumatologen 116.000 erwachsene<br />
Einwohner. Gemessen an der Bedarfsberechnung<br />
von zwei Rheumatologen je 100.000 Erwachsene<br />
und angesichts der nur begrenzten Teilnahme<br />
ermächtigter Rheumatologen an der ambulanten<br />
Versorgung sind wir von einem befriedigenden<br />
Zustand allerdings noch weit entfernt.<br />
Einer bedarfsentsprechenden Zahl ambulant tätiger<br />
Rheumatologen stehen verschiedene Hinderungsgründe<br />
entgegen:<br />
● So gibt es weiterhin keine gebietsspezifische Bedarfszulassung,<br />
d.h. eine Zulassung für einen internistischen<br />
Rheumatologen kann nur erfolgen, wenn im<br />
jeweiligen Planungsbereich freie Sitze für fachärztliche<br />
Internisten zu vergeben sind. Im Einzelfall kann<br />
ein Sonderbedarf von den Zulassungsausschüssen<br />
anerkannt werden. Dies erfordert den Nachweis, dass<br />
die Besetzung zur Wahrung der besonderen Qualität<br />
der vertragsärztlichen Versorgung in einem Versorgungsbereich<br />
unerlässlich ist. Die Beurteilung wird<br />
durch die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung (KV)<br />
und den jeweiligen Zulassungsausschuss (ohne einheitliche,<br />
definierte Planzahlen) vorgenommen.<br />
● Von 36 medizinischen Fakultäten in Deutschland<br />
haben nur 21 eine selbständige Einheit für Rheumatologie<br />
auf Lehrstuhl- oder sonstiger Hochschullehrerebene.<br />
Dies bedeutet, dass in einem Drittel der<br />
medizinischen Fakultäten Rheumatologie fachfremd<br />
gelehrt wird oder zumindest nicht auf Dauer in der<br />
Fakultät verankert ist. Hieraus entstehen Defizite in<br />
der ärztlichen Ausbildung, die einen Teil der Unsicherheit<br />
nicht spezialisierter Ärzte in der Erkennung und<br />
Behandlung entzündlich-rheumatischer Krankheiten<br />
erklären können.<br />
● Durch den Abbau stationärer rheumatologischer<br />
Kapazitäten werden auch die Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
zum Rheumatologen verringert. Der Erhalt einer<br />
ausreichenden Zahl von Ausbildungsstätten ist<br />
dringend erforderlich.