Gesellschafts- politische Kommentare - Leo Schütze Gmbh
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gpk SONDERAUSGABE GESELLSCHAFTSPOLITISCHE KOMMENTARE Nr. 3/07 – September 2007 – Seite 21<br />
so früh wie möglich mit den besten Mitteln behandelt<br />
werden.<br />
Beides hat mit Prävention zu tun: Präventive Behandlungen<br />
müssen oft an große Patientengruppen verabreicht<br />
werden, da man die Zielgruppe nicht genau<br />
identifizieren kann. Dies ist mit hohen Kosten verbunden,<br />
und es ist deshalb vor allem für kostspielige<br />
Behandlungen von sehr hoher Wichtigkeit, die Zielgruppe<br />
rasch zu erkennen. Frühe Behandlung dieser<br />
Gruppe wird dazu beitragen, dass Patienten länger<br />
einem normalen Leben nachgehen können, weitgehend<br />
schmerzfrei und unbehindert.<br />
Ökonomische Auswirkungen hat dies aber vor allem<br />
im Arbeitsmarkt. Studien auf dem Gebiet der RA<br />
haben ausnahmslos gezeigt, dass der Verlust der<br />
Arbeitsfähigkeit und des damit verbundenen gesellschaftlichen<br />
Produktivitätsverlustes den weitaus<br />
größten Anteil der Kosten darstellt. So machen zum<br />
Beispiel indirekte Kosten oder Produktionsausfall bei<br />
Patienten im arbeitsfähigen Alter (30 bis 65 Jahre) in<br />
Deutschland mehr als zwei Drittel der Gesamtkosten<br />
aus [9].<br />
Je nach Land, Arbeitsumgebung und Stichprobe beziehen<br />
nach 10 Jahren Krankheit bis zu 50 Prozent<br />
der Patienten eine Invalidenrente [10-13]. Im späten<br />
Stadium der Krankheit können nur ungefähr 10 Prozent<br />
der Patienten im arbeitsfähigen Alter einem Beruf<br />
nachgehen [5] (Graphik 4, S. 20).<br />
Aber auch kurzfristig, im frühen Krankheitsstadium,<br />
sind Arbeitsausfälle häufig [3], auch wenn sie zu diesem<br />
Zeitpunkt keinen Großteil der indirekten Kosten<br />
ausmachen. Dass auch diese zum Teil verhindert<br />
werden können, hat eine neue Studie gezeigt [14].<br />
Unter TNF-Blocker Behandlung gingen Krankschreibungen<br />
um mehr als 40 Prozent zurück. Eine andere<br />
Studie aus Deutschland zeigte eine Tendenz zu verringerten<br />
indirekten Kosten für RA Patienten im Jahre<br />
2001 verglichen zu 1998 (d.h. bevor die Biologika<br />
angewendet wurden) [15].<br />
Wie werden nun solche Daten in ökonomischen Modellen<br />
zum Berechnen der Kosteneffektivität von RA<br />
Behandlungen angewandt? Vereinfacht dargestellt,<br />
versucht man in diesen Modellen den „normalen“<br />
Krankheitsverlauf darzustellen, mit fortschreitender<br />
Behinderung und dadurch steigenden Kosten und<br />
sinkender Lebensqualität.<br />
Aufgrund der klinischen Resultate analysiert man<br />
dann, wie sich diese Kosten- und Lebensqualitätskurven,<br />
mit einer neuen Behandlung über einen be-<br />
stimmten Zeitraum hinweg, verändern werden (Graphik<br />
5, S. 22).<br />
Das Resultat zeigt dann, ob die Kosten der neuen<br />
Behandlung durch Einsparungen bei den Krankheitskosten<br />
kompensiert werden, und wenn nicht, wie viel<br />
man für die über Jahre hinweg verbesserte Lebensqualität<br />
(QALY) bezahlen muss.<br />
Aus dieser Darstellung ist auch klar ersichtlich, dass<br />
man ökonomische Betrachtungen in RA, und in speziellen<br />
Kosteneffektivitätsanalysen, ausschließlich über<br />
einen längeren Zeitraum hinweg betrachten muss. Es<br />
ist die Prävention, das Verhindern oder Verlangsamen<br />
der Progression der Behinderung, welche die größten<br />
Vorteile bringt. Jedes Jahr, ja sogar jeder Monat, um<br />
welche die schwereren Krankheitsstadien hinausgeschoben<br />
werden, bedeuten eine Kosteneinsparung<br />
und einen Gewinn an Lebensqualität.<br />
Die Gesamtkosten in Schweden steigen um rund<br />
5.000 Euro pro 0.5 HAQ 2 [3], in Deutschland und<br />
Frankreich ungefähr um 6.000 Euro [5, 9]. Daraus<br />
ergibt sich, dass sich Kosten durchschnittlich um fast<br />
1.000 Euro erhöhen für jede klinisch signifikante Verschlechterung.<br />
Oder anders ausgedrückt, um ungefähr<br />
420 Euro pro Jahr.<br />
Im Spiegelbild dazu senkt sich die Lebensqualität um<br />
fast 0.15 (oder 15 Prozent) für jeden halben HAQ<br />
point [3, 5]. Anders ausgedrückt, RA-Patienten verlieren<br />
pro Jahr ungefähr 0.01 QALY 3 , wobei man, wie<br />
bereits erwähnt, zusätzlich bedenken muss, dass die<br />
Lebensqualität dieser Patienten bereits etwa 20 bis<br />
30 Prozent unter derjenigen der Normalbevölkerung<br />
liegt [5].<br />
Die meisten Modellrechnungen haben gezeigt, dass<br />
TNF-Blocker – wenn angewandt für die richtigen Patienten<br />
– vom gesellschaftlichen Standpunkt gesehen<br />
kosteneffektiv sind, das heißt unter dem (inoffiziellen,<br />
im europäisch-gesundheitsökonomischen Raum ak-<br />
2 HAQ (Health Assessment Questionnaire) ist ein Standardinstrument, mit<br />
welchem sowohl in klinischen Studien als auch in klinischer Praxis die<br />
Behinderung von RA-Patienten gemessen wird. Das Instrument misst von 0<br />
(keine Behinderung) bis 3 (schwerste Behinderung). Klinisch gesehen ist<br />
eine Veränderung von 0,22 Punkten signifikant. Im Durchschnitt verschlechtern<br />
sich Patienten um 0,034 Punkte pro Jahr, wobei es natürlich<br />
viele Patienten gibt, bei welchen die Krankheit um vieles schneller fortschreitet.<br />
3 QALY’s werden berechnet durch gewichten der Lebensjahre mit deren<br />
Qualität und können somit für alle Krankheiten gleich berechnet und für<br />
Entscheidungen über Gesamtbudgets verwendet werden. Dies erklärt,<br />
weshalb Resultate von Kosteneffektivitätsanalysen im Allgemeinen als<br />
„Kosten/gewonnenem QALY“ berechnet werden.