52eine möglichst große Übereinstimmung zwischen theoretisch berechneten (F theor ) und gemessenenStrukturfaktoren (F exp ) erhalten wird. Quantitativ wird dies ausgedrückt durch den bereits erwähntenR-Wert, der wie folgt definiert ist:exp∑ Fhkl− F=exp∑ FhklberhklR (Gl. 10.1)Sehr gut bestimmte <strong>Einkristall</strong>strukturen weisen R-Werte von kl<strong>einer</strong> 0.03, d. h. 3% auf. Schlechtbestimmte einen von mehr als 0.10, d. h. 10%. An dieser Stelle sei jedoch noch darauf hingewiesendaß in der Literatur immer verschiedene R-Werte angegeben werden, je nach dem ob sich diese aufeine Verf<strong>einer</strong>ung gegen F, d. h. den Strukturfaktor oder gegen F 2 , d. h. dem Quadrat des Strukturfaktorsbeziehen. Erste werden in der Regel als R1 bezeichnet, letztere als WR2. Die WR2-Werte sindmeist 2-3 mal größer als die R1-Werte, was bedeutet daß eine Strukturbestimmung mit einem WR2-Wert zwischen 6 und 9% immer noch von sehr guter Qualität ist. Es ist hierbei auch noch darauf zuachten ob diese Werte für alle gemessenen oder nur für die während der Messung beobachtetenReflexe angegeben sind. Letztere sind natürlich immer besser. Orientieren sollte man sich jedochimmer am WR2-Wert für alle Reflexe. Am Ende dieses Kapitels werden Sie jedoch hören daß derkristallographische R-Wert nicht das einzige Gütekriterium für eine Strukturbestimmung darstellt,sondern noch weitere Kriterien existieren, mit deren Hilfe man sich ein Bild von der Qualität desStrukturmodells und damit der <strong>Einkristall</strong>strukturbestimmung machen kann.Nach jedem Rechenzyklus können nun mit den verf<strong>einer</strong>ten Phasen zwei verschiedene Fourier-Synthesenzur Bestimmung der restlichen, noch nicht zugeordneten Elektronendichte gerechnet werden.Eine mit den gemessenen sowie eine zweite mit den berechneten F hkl -Werten. Stimmt die auf der Basisder berechneten Strukturfaktoren ermittelte Elektronendichteverteilung mit derjenigen aus den gemessenenDaten überein, so würden beide zu identischen Ergebnissen führen. Abhängig vom jeweiligenStadium der Strukturverf<strong>einer</strong>ung ergeben sich Unterschiede in den Beträgen von F und F theor exp unddamit auch in den Elektronendichteverteilungen. Die Differenz zwischen diesen beiden Elektronendichteverteilungenwird als Differenzelektronendichte bezeichnet Mit Hilfe der Differenzfourier-Syntheseam Ende eines jeden Rechenzyklus kann die Positionen sehr leichter, sogar der Wasserstoffatomelokalisiert werden.In der Strukturverf<strong>einer</strong>ung stellt sich nun das Problem, unser Modell derart zu verbessern daß wireine möglichst gute Übereinstimmung zwischen beobachteten und berechneten Strukturfaktoren erzielen.Welche Parameter können wir denn nun ändern, um unser Modell zu verbessern.Zum einen sind dies die drei Lageparameter der Atome x, y, z, die Sie bereits kennengelernt haben.Zum zweiten sind dies die sog. Auslenkungsparameter (Temperaturfaktoren) der Atome, welche unteranderem ein Maß dafür darstellen, inwieweit ein Atom um seine Gleichgewichtslage schwingt. Imersten Schritt wird ein isotroper Temperaturfaktor als zu verf<strong>einer</strong>nder Parameter verwendet, der nurisotrope Schwingungen berücksichtigt. Da die Atome in Festkörpern in der Regel nicht isotrop,sondern meist in bevorzugte Richtungen schwingen, werden im weiteren Verlauf <strong>einer</strong> Strukturverf<strong>einer</strong>ungden Atomen anisotrope Schwingungsellipsoide zugeordnet. So ein Ellipsoid ist durch insgesamtsechs Parameter gekennzeichnet. Dies sind <strong>zum</strong> einen die Auslenkungen entlang der dreiHauptachsen des Ellipsoids, die als U 11 , U 22 und U 33 bezeichnet werden sowie die drei gemischtenParameter U 12 , U 13 und U 23 , welche die Orientierung der drei Hauptachsen zu den kristallographischen
53Achsen enthalten (Abb. 10.1). Es muß ja angegeben werden, in welche Richtungen unserer Strukturdie größten Auslenkungen stattfinden. Insgesamt werden also neuen Parameter pro Nicht-Wasserstoffatom verf<strong>einer</strong>t. Die Wasserstoffatome werden nur mit isotropen Temperaturfaktorenverf<strong>einer</strong>t, was bedeutet daß pro Wasserstoffatom nur vier Parameter zu verf<strong>einer</strong>n sind. In derStrukturverf<strong>einer</strong>ung stellt sich nun das Problem die verschiedenen Parameter (Lagekoordinaten undAuslenkungsparameter) <strong>einer</strong> Struktur <strong>einer</strong> großen Menge experimentell beobachteter Daten (F exp ),anzupassen. Immer dann wenn den zu bestimmenden Parametern eine große Anzahl von Meßdatengegenübersteht, kann die Methode der kleinsten Fehlerquadrate (Least-Squares-Methode) zurOptimierung dieser Parameter verwendet werden.Da in der Regel pro Nicht-Wasserstoffatom neun verschiedene Parameter verf<strong>einer</strong>t werden und füreine gute Least-Squares-Verf<strong>einer</strong>ung eine rund zehnfache Überbestimmung der Parameter angestrebtwird, sollten pro Nicht-Wasserstoffatom mindestens 100 Bragg-Reflexe gemessen werden. Bei derLeast-Squares-Methode erfolgt eine Minimierung der Summe aller quadratischen Abweichungenzwischen experimentell beobachteten Strukturfaktoren (F exp ) und den mit Hilfe der verschiedenenParameter berechneten Strukturfaktoren (F theor ). Um Konvergenz während der Least-Squares-Verf<strong>einer</strong>ungzu erhalten, müssen jeweils mehrere Zyklen iterativ gerechnet werden. Konkret bedeutet diesdaß während <strong>einer</strong> Rechnung (Job) mehrere Zyklen, meist zehn gerechnet werden, wobei bei jedemdieser Zyklen das Programm die Werte einzelner Parameter ändert. Das Programm verschiebt beispielsweiseim ersten Zyklus ein Atom, z. B. Kupfer um einen geringen Betrag in x und berechnetanschließend ob die Übereinstimmung von (F exp ) und (F theor ), d. h. der R-Wert besser geworden ist.Wenn nicht, wird ein Parameter in eine andere Richtung verschoben. So lange bis eine Anordnunggefunden worden ist, bei der die Übereinstimmung am besten ist. Dafür stehen in diesem konkretenFall 10 Zyklen zur Verfügung. Dies bedeutet daß die Übereinstimmung in der Regel von Zyklus zuZyklus besser wird.aU 11U 22U 33bcAbb. 10.1:Kennzeichen der anisotropen Schwingungsellipsoide.Ob ein Element richtig zugeordnet ist oder nicht, kann nicht verf<strong>einer</strong>t werden. Es wird immer davonausgegangen daß die Zuordnung richtig getroffen wurde. Ob dies tatsächlich der Fall ist, kann jedochin den meisten Fällen während der Strukturverf<strong>einer</strong>ung festgestellt werden. Ein Maß hierfür ist derTemperaturfaktor. Wie bereits erwähnt ist dieser ja nicht nur von der Temperatur abhängig, sondern esgehen hier auch noch andere Größen ein. Dessen Bezeichnung ist daher etwas mißverständlich. Umdies zu verstehen, müssen wir uns etwas näher mit dem Temperaturfaktor beschäftigen.