03/2013 Wirtschaftspolitische Informationen: Wachstum und Wohl<strong>stand</strong> durch Liberalisierung? Seite- 11 -Abb. 2.3: Mögliche Auswirkungen des Freihandels- und Investitionsabkommens zwischen den USA undder EU auf das reale Pro-Kopf-Einkommen weltweit, Veränderungsraten in ProzentQuelle: ifo Institut (2013b, S. 30)diesem Abkommen beteiligten Länder und erhöht denAnpassungsdruck. Das liest sich im Bericht des ifo-Instituts ungetrübt optimistisch: „Diese Länder [Ländermit substantiellen Verlusten des Pro-Kopf-Einkommens]haben also starke Anreize, die Liberalisierung nichttarifärerBarrieren mitzugestalten“ (ifo Institut (2013b),S. 43). Im Klartext: Der Wettbewerbsdruck nimmt zu.Eine Folge könnte auch sein, dass die Lohnkosten einmalmehr ins Zentrum der Auseinandersetzung ummehr Wettbewerbsfähigkeit rücken und eine Abwärtsspiralein Gang gesetzt wird, an deren Ende die Beschäftigtendie Verlierer sind – sowohl in den Drittstaaten,aber auch in der EU und in den USA.Die „diskriminierende“ Wirkung für Schwellen- und Entwicklungsländerlassen sich kaum dadurch abwenden,dass ein Beitritt zur <strong>TTIP</strong> durch Drittstaaten möglichsein soll. Denn dies würde auch eine Öffnung der Agrarmärkteder Entwicklungsländer voraussetzen. InsbesondereIndien war dazu bislang nicht bereit. Daranscheiterte im Übrigen eine weitere multilaterale Liberalisierungim Rahmen der Welthandelsorganisation WTO(Doha-Runde, Mitte 2007) (vgl. Langhammer, R., 2013,S. 10).Zu einer skeptischen Einschätzung hinsichtlich dermöglichen Wachstumsimpulse kommt eine aktuelleStudie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung(IMK). Demnach ist zwar wegengroßen Handelsvolumina von Exporten und Importeninnerhalb der Sektoren (intra-sektoraler Handel, Abb.2.4) und auch zwischen verbundenen Firmen mit einerIntensivierung der Handelsbeziehungen zwischen derEU und den USA zu rechnen. Aber nennenswerte kurzfristigegesamtwirtschaftliche Wachstumsimpulse seiennicht zu erwarten (IMK Report 83, Juni 2013, S. 14).Eine weitere Studie des IMK bezweifelt den langfristigprojizierten 13-prozentigen Pro-Kopf-BIP-Zuwachs inden USA. Die Bedeutung der Exporte der US-Amerikanerin die EU (gemessen an deren Anteil am BIP mit2,4 Prozent) sei zu gering, als dass durch die Liberalisierungeine nennenswerte Wirkung entstehen könnte(IMK Report 85, Juli 2013, S. 17).
03/2013 Wirtschaftspolitische Informationen: Wachstum und Wohl<strong>stand</strong> durch Liberalisierung? Seite - 12 -Abb. 2.4: Intraindustrieller HandelIntraindustrieller Handel zwischen den USA und EU27 in 2012Anteile an Im- und Exporten in ProzentChemieRestliche GüterMaschinenComputer/Elektrotechnikdavon: ElektrotechnikEnergieträgerStraßenfahrzeugeMetalle und…Rohstoffedavon: PKW und -teileNahrungsmittelComputerPapier, -erzeugnisseTextilien/BekleidungKautschukwarenAnteil an den Ausfuhren der EU27 in die USA in ProzentAnteil an den Einfuhren der EU27 aus den USA in Prozent0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0Quelle: IMK Report 83, EurostatGrafik: IG Metall, FB GrundsatzfragenQuelle: IMK Report 83, Juni 2013, S. 13Die insgesamt positive Bewertung des ifo-Instituts wird– allerdings nur schwach – gestützt durch eine Studiedes Centers for Economic Policy Resarch (CEPR,03/2013), die methodisch komplett anders angelegt istals die ifo-Studie und deswegen auch zu anderen Ergebnissengelangt. Die Studie im Auftrag der EU-Kommission erwartet im Vergleich zur Projektion desIst-Zu<strong>stand</strong>s im Falle einer umfassenden Liberalisierungbis 2027 insgesamt (also über den gesamten Zeitraum!)ein um 0,5 Prozent höheres BIP in der EU undein um 0,4 Prozent höheres BIP in den USA. Die Anforderungenan eine zunehmende Flexibilität der Beschäftigtenseien vernachlässigbar, da nur in geringem Umfangdamit zu rechnen sei, dass Beschäftigte den Arbeitsplatzwechseln und auch in einen anderen Sektorwandern müssten.Insgesamt haftet den bislang existierenden Studien zuden Effekten des <strong>TTIP</strong> eine große Unsicherheit an. Zudemscheinen die Wirkungen selbst bei einer ambitioniertenbzw. umfassenden Liberalisierung nur sehr geringzu sein. Deutliche Wirkungen in der EU und in denUSA, das zeigt die ifo-Studie, sind verbunden mit einerUmverteilung des globalen Wohl<strong>stand</strong>s zu Lasten derEntwicklungs- und Schwellenländer. Der Wettbewerbsdrucksteigt global.2.6 Anforderungen an eine transatlantischeHandels- und Investitionspartnerschaftim Interesse der BeschäftigtenDer Teufel steckt bekanntlich im Detail. Die zu erwartendenWohlfahrtswirkungen der transatlantischenHandels- und Investitionsabkommens hängen wenigerdavon ab, ob eine vollkommene Liberalisierung umgesetztwird, sondern eher davon, wie sich die Interessender Beschäftigten und Verbraucher der teilnehmendenLänder gegenüber den Interessen der Investoren behauptenkönnen.Die Wirkungsanalysen vernachlässigen soziale undökologische Effekte. Es handelt sich dabei weniger umqualitative Wohlfahrts-, sondern lediglich um quantitativeWirtschaftswachstumsanalysen. Das liegt zum einensicherlich an der Bewertungsproblematik, zum anderenaber auch an der ungeklärten Frage, ob im Zuge derHandelsliberalisierung soziale und ökologische Standardsbeibehalten, aufgehoben oder harmonisiert werden.Es kam deshalb schon im Vorfeld der Mandatserteilungzu heftigen Debatten in den Gewerkschaftenund anderen Nicht-Regierungs-Organisationen mit demZiel, auf die Eckpfeiler des Verhandlungsmandats Einflusszu nehmen.Grundsätzlich begrüßen die DGB-Gewerkschaftenunter bestimmten Bedingungen ein Freihandelsabkommenzwischen der EU und den USA. Für mancheSektoren besteht die Hoffnung, dass durch die Liberalisierunggerade durch einheitliche technische StandardsProduktivitätsfortschritte erzielt und Wachstumspoten-