Download PDF 'Alle Geschichten' - Deutsche Guggenheim

schluchzen und sackte langsam in der kleinen Küche zusammen, in der man landete, wenn
man durch die Tür trat. Sie hockte so da, und nur bei jedem Schluchzer wippte sie kurz nach
oben. Vermutlich hätte sie noch weitere Stunden dort verbracht, wenn ihr nicht der
Rucksack erneut von der Schulter gefallen wäre und aus ihm der Schokoriegel. Vermutlich,
dachte Flavilla, war das einer ihrer früheren Kollegen gewesen, die nun die Aufgabe hatten,
bei ihr zu sein. Sie hob den Riegel auf und packte ihn aus. Noch nie hatte sie so etwas
gegessen. Dort wo sie herkam gab es nur Geschmack, aber kein Essen. Sie biss vorsichtig
ein Stück ab und kaute. Es war köstlich, und so beruhigte sie sich langsam, während sie aß.
Sie stützte sich mit zitternden Händen auf und blickte ins Nebenzimmer. Es war das
Schlafzimmer, und sie sah zum ersten Mal etwas, was ihr ein wundervolles Gefühl
vermittelte. Ein einziger Gegenstand in diesem grauen Raum hatte Farbe, und so langsam
begriff Flavilla, warum es sich lohnte zu leben. Und sollte sie je wieder ein Engel werden,
würde sie besser werden als je zu vor.