Download PDF 'Alle Geschichten' - Deutsche Guggenheim
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Name: Fabian Lutz<br />
Alter: 13 Jahre<br />
Schule: Friedrich-Ebert-Oberschule<br />
Men waiting<br />
Ich bin der Außenseiter hier. Ich stehe abseits von all den anderen, auf der linken Seite mit<br />
geducktem Kopf. Wir alle warten auf Arbeit. Der Himmel ist so grau wie mein jetziges<br />
Leben. Vor genau einem Monat und 24 Tagen ist meine Frau gestorben. Sie war mein Ein<br />
und Alles. Sie hat den Krebs leider nicht überlebt. Ich verstehe nicht, warum sie sterben<br />
musste. Seitdem sie tot ist, bin ich immer ruhig und traurig, und nicht mehr der Alte. Ich<br />
denke, dass es eine Bestimmung ist, dass meine Frau sterben musste. Nach ihrem Tod<br />
habe ich jetzt eine bessere Bindung zu ihren Großeltern. Aber wieso musste sie sterben?<br />
Wieso?<br />
Wir alle wollen nur einen Job. Nach dem Tod meiner Frau bin ich kriminell ausgerutscht und<br />
habe so viele Freunde verloren. Ich hoffe, dass alles besser wird. Wenn ich keine Arbeit<br />
finde, muss ich unser Haus verkaufen und werde fast alles verlieren. Ich besuche ihr Grab<br />
fast jeden Sonntag. Ich liebe sie auch nach ihrem Tod wie sonst niemanden. Wir wollten<br />
heiraten und einen Sohn bekommen, aber zwei Wochen vor der Hochzeit kam der Anruf mit<br />
dem Ergebnis der Krebsvorsorgeuntersuchung. Sie war nicht mehr zu retten – und der ganze<br />
Plan war hin. Wir weinten nur noch, es war grauenvoll. Sie war so eine gute Frau, ich verlor<br />
meinen festen Job, als ich vor Trauer nicht mehr richtig arbeiten konnte und wollte. Ich wich<br />
fast nie von ihrer Seite, als sie leidend im Krankenhaus lag. Sie wünschte sich immer<br />
genügend Geld zum Leben und ein Haus mit mehr als zwei Zimmern – irgendwo, nur nicht<br />
in diesem armen Viertel. Wir wollten auch immer Haustiere haben, doch jetzt merke ich,<br />
dass das alles nicht mehr in Erfüllung gehen wird. Es sollte wohl nicht so sein. Und nun<br />
stehe ich mit den anderen Männern hier und hoffe auf Arbeit. Wir sehen alle nur wie Penner<br />
aus, wie Leute, die nichts mehr wert sind. Ich glaube, wenn einer von uns stirbt, dann stört<br />
das keinen Menschen. Niemanden. Ich hasse mein Leben, doch Selbstmord ist ja auch<br />
sinnlos. Das Leben hat man ja nur einmal. Ich hoffe, dass mein Leben irgendwann doch<br />
noch mal einen Sinn bekommt. Vielleicht bekomme ich ja doch irgendwann einen Job und<br />
alles wird gut. Ich habe alles Geld für die Beerdigung hergeben müssen, doch das war mir<br />
meine Frau wert. Eine schöne Beerdigung war das Letzte, was ich ihr noch geben konnte.<br />
Ich vertraue auf Gott und hoffe, es ist nur eine Bestimmung für mich. Und wenn ich diese<br />
Prüfung bestehe, dann wird alles besser. Das ist Gottes Bestimmung und der Glaube daran<br />
lässt mich weiter hoffen und leben.