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Download PDF 'Alle Geschichten' - Deutsche Guggenheim

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Name: Lisa Weng<br />

Alter: 13 Jahre<br />

Schule: Albrecht-Dürer-Oberschule<br />

Jaulende Wölfe waren dicht hinter ihm, das spürte er ganz genau. Sie hätten ihn um<br />

Haaresbreite ergriffen, doch der Nebel, der ihn plötzlich umhüllte, ließ das Hecheln hinter<br />

ihm verstummen.<br />

Ein gefällter Baumstamm ließ ihn auf alle Vieren fallen. Plötzlich fiel ihm ein Kreuz, von<br />

Menschenhand aus Stein gehauen, ins Auge. Zitternd vor Kälte streckte er seine rechte<br />

Hand aus und berührte die Mitte des Kreuzes. Wie aus dem Nichts kam ein dröhnend lautes<br />

Geräusch. Schnell rappelte er sich auf; er verengte seine Augen zu Schlitzen – vor ihm<br />

erstreckte sich ein gigantischer Wasserfall, der von wild wuchernden Teichpflanzen beinahe<br />

ganz versteckt wurde und nur so rauschte und sprudelte. Das kristallklare Wasser war so<br />

unwiderstehlich, so dass ihn die große Lust übermannte, in den Teich hinein zu steigen. Das<br />

Wasser war warm und reichte ihm bis zur Brust. Der Wasserfall zog wie eine durchsichtige<br />

Gardine auf und ließ ihn hindurch schreiten; ihn blendete ein grelles goldenes Licht, und er<br />

verschwand hinter der sich wieder zuziehenden Gardine.<br />

Eine Neonka, kaum größer als ein Daumen, saß Beine baumelnd auf einem Schilfblatt. Aus<br />

ihrem zierlichen Körper und an den Gelenken traten glitzernde Libellenflügel hervor.<br />

Zwischen ihren spindeldünnen langen Fingern und Zehen, die mit Krallen versehen waren,<br />

spannte sich eine Art Schwimmhaut. Das Neonmädchen flocht ein Körbchen aus langen<br />

Grashalmen, wobei sie den Himmel am Horizont beobachtete, der in rosa und violetter Farbe<br />

mit goldenen Streifen überzogen, schimmerte. Der Wind trug ein leises Tuscheln heran. Sie<br />

schreckte ein wenig auf und ließ ihr halbfertiges Körbchen ins Teichwasser fallen, woraufhin<br />

sie entsetzt um sich schaute, bis sie einen dunklen Schatten an der Hütte sah, die nicht weit<br />

entfernt von ihrem Teich stand. Zunächst scherte sie sich nicht darum, doch nach einem<br />

kurzen Moment spreizte sie ihre Flügel und flog auf die Hütte zu. Da war wieder dieses<br />

Tuscheln. Ihr Blick fiel auf die vermoderten übereinander gestapelten Baumstämme, die<br />

eifrig weiter flüsterten: „…und ich stand früher mal in dieser Hütte als Weihnachtsbaum,<br />

jedoch sollte mein Leben als Brennholz…“ - „Heule nicht wieder“, drängte sich ein hagerer<br />

Baumstamm dazwischen, „Ich musste in alten Zeiten mit heißer Lava kämpfen, als der<br />

Vulkan ausgebrochen war, und kurz danach siedelten sich tausende Borkenkäfer in meinem<br />

Körper an, das war so was von widerlich!“ - „Ach, eine Runde Mitleid“, brummte ein sehr<br />

dicker Baumstamm, „Wieso hast du sie nicht alle mit deinem üblen Mundgeruch<br />

verscheucht?“ - „Und ich, und ich war der erste Baum der von vielen Neons behaust wurde,<br />

ach ja und mein Opa war auf dem Mond!“, schwindelte der kleinste von allen. Sofort

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