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Name: Jenny Börger<br />

Alter: 15 Jahre<br />

Schule: Friedrich-Ebert-Oberschule<br />

Und da war er wieder, dieser Ton. Obwohl ich oft unter dieser Brücke schlafe, denn ich bin<br />

obdachlos, habe ich ihn gestern das erste Mal vernommen. Es war aber auch kein Ton,<br />

sondern mehr ein Wimmern. Mein Freund John hatte es auch gehört, denn er war<br />

aufgewacht. Als ich ihn fragte, ob wir dem Geräusch nachgehen wollen, sagte er, dass er<br />

lieber schlafen wolle. Mich hatte es aber neugierig gemacht. Ich wartete, bis es wieder<br />

ertönte und ging in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Ich war mir fast sicher, es kam<br />

aus dem Gebüsch hinter der großen Pfütze. Vorsichtig balancierte ich auf einer kleinen<br />

Mauer, um mir nicht nasse Füße zu holen. Als ich die Stelle erreichte, wimmerte es wieder,<br />

aber diesmal war es ganz nah. Es war Winter und stockduster, man konnte kaum etwas<br />

sehen. Die einzige Lichtquelle, mein Feuerzeug, nutzte nicht viel. Ich musste mich ganz auf<br />

mein Gehör verlassen. Plötzlich sah ich es, da lag etwas verborgen, es war kaum sichtbar.<br />

Ein kleiner schwarzer abgemagerter Hund hatte sich in einer Rolle aus rostigem Stacheldraht<br />

verheddert. Der Draht hatte sich tief in sein Bein geschnitten und ihm eine tiefe, blutende<br />

Wunde zugefügt. Sicherlich lag er schon länger dort, denn er war sehr schwach und<br />

abgemagert. Er tat mir schrecklich leid und ich beschloss sofort, ihm zu helfen. Ich würde<br />

ihn mitnehmen und gesund pflegen.<br />

Eingewickelt in meinen Mantel trug ich ihn zu meinem Schlafplatz. John, den ich ohne<br />

weiteres als Freund bezeichnen würde, lehnte meine Idee, den Hund zu behalten, spontan<br />

ab. „Lass den Köter doch da liegen. Einen Hund durchfüttern, wo wir selbst nicht mal<br />

wissen, wie wir satt werden sollen!! Langsam habe ich die Nase voll von deinen verrückten<br />

Ideen. Vielleicht wäre es besser, sich ohne dich durchs Leben zu schlagen. Mit Sicherheit<br />

wäre es weniger stressig.“ Ich kannte John schon lange, und genau so lange gewöhnte ich<br />

mich an seine Wutausbrüche. Je mehr Alkohol er tagsüber hatte auftreiben können, desto<br />

schlimmer waren sie.<br />

In dem Moment wachte unser Kumpel Sam von Johns Geschrei auf. Er hatte die ganze Zeit<br />

neben uns gepennt. Als er den Hund sah, wollte er wissen, was los ist. Ich erzählte ihm, wie<br />

ich den Hund gerettet hatte und dass ich im Moment nicht weiter wisse, denn der Hund<br />

müsse unbedingt behandelt werden und bräuchte Futter. Jetzt rechnete ich mit heftigen<br />

Vorwürfen, aber weit gefehlt. Sam war meiner Meinung und befürchtete nicht, im

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