Night Night, 2001 Silbergelatineabzug, 239 x 301,5 cm Exemplar 2/2 Sammlung Olbricht
Name: Maxime Amberger Alter: 14 Jahre Schule: Nelson Mandela International School, Berlin Mein Freund Djamal Ich kann mich noch daran erinnern, wie das schwarze Auto unsere ungepflasterte Straße entlangfuhr. Es fuhr langsam, so als ob jemand Interesse an unserem lausigen Schicksal haben könnte. Unsere Augen lagen tief in unseren Schädeln; wir hatten bereits vergessen, dass es so etwas wie Farbe gab. Unsere Haut hatte die eisige Berührung des Winters, die heiße Zunge des Sommers lange nicht mehr gespürt. Ich saß am Straßenrand und starrte das Auto an, das weiß Gott nicht hierhin gehörte. Keiner von uns besaß ein Fahrrad, geschweige denn ein Auto; wir hatten kaum genug, um uns satt zu essen, und für diejenigen, die nicht einmal mehr dafür genug hatten, gab es noch die Mülltonnen. Aber dieses Reiche-Leute-Auto fuhr nun unsere Straße entlang und beobachtete uns. Als es an mir und meinem Freund Djamal vorbeifuhr, wurde es noch langsamer. Mein Herz hörte auf zu schlagen; ich weiß nicht, warum. Sekunden dehnten sich aus zu Stunden während wir die getönten Scheiben anstarrten, nichts ahnend, ohne das Gesicht zu sehen, das uns fixierte. Dann raste das Auto auf einmal davon und Stille kehrte in unsere Straße zurück. Bald vergaßen wir den Lärm des Autos, das unser Leben in Kürze verändern sollte. Ich muss zugeben: wir hatten vergessen, wie man lebt. Vielleicht fragen Sie sich, wie dies möglich ist: Nicht zu wissen, wie man lebt. Oder vielleicht laufen auch Sie hastig vorbei, wie alle anderen, in der Hoffnung, so einen Anblick wie unseren nicht bald wieder sehen zu müssen, diese Körper, die leben, deren Seelen aber längst entschwunden sind. Ein glückliches Kind war ich wohl nie. Ich weiß noch, wie mein Papa mich geschlagen hat, auch meine Mama, wenn er zu blau war. Ich habe ziemlich viel Elend in meinem Leben gesehen, nach einer Weile hört man auf, das Glück zu suchen, die Liebe zu suchen. Man ignoriert die Schreie deren, die hinter geschlossenen Türen geschlagen werden; man läuft an Leichen vorbei, die in das schmutzige Wasser des Flusses geworfen wurden. In jener Nacht schlief ich auf der Straße neben Djamal. Er war wie ein Bruder; er kämpfte noch dagegen, seine Seele zu verlieren, er glaubte noch an das Gute in Menschen, auch wenn er es nie zu spüren bekam. Ich weiß noch, wie ich von dem Auto träumte, das wir an jenem Nachmittag sahen. Plötzlich schüttelte mich Djamal wach, er schrie irgendetwas, und als sich meine glasigen Augen öffneten und mich meine unruhigen Träume losließen sah ich Djamal, wie seine große, magere Gestalt in der tiefen Dunkelheit der Nacht stand. Er schaute die Straße hinunter. Dann hörte ich es, ein Geräusch, das mich für immer heimsuchen sollte. Als das Auto an uns