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WerDer_Charly_1

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Karl Werder der Erste: Nicht Rothrist blieb des Jubilars zukünftige bleibende Stätte. Er hatte diese Ortschaft<br />

im Aargau nur als seine in Ehren gehaltene Geburtsstätte in dankbarer Erinnerung. Sein Vater als einfacher und<br />

unbemittelter Maurer- und Gipserarbeiter vermochte seinen Kindern nur wenig zu bieten, denn der Verdienst war zu<br />

mager. Sie wurden nicht verwöhnt, und bescheiden war der Weg, der den Kindern bevorstand. Die nicht rentable<br />

Arbeit in Rothrist veranlasste den Vater, sein Domizil zu wechseln. Er siedelte mit seiner Familie nach Steinhausen<br />

in den Kanton Zug über: in ein anderes Milieu und, was besonders zu erwähnen ist, in eine konfessionell streng<br />

katholische Gegend. Steinhausen war sein eigentlicher Heimatort. Hier in Steinhausen liessen sich die Eltern<br />

katholisch trauen, denn Mutter war protestantisch. Karl der Erste wurde darum auch katholisch getauft, dieser<br />

Konfession blieb er auch sein Leben lang treu.<br />

Auch am neuen Wohnort blieb des Vaters Verdienst nur spärlich. Elisa, die Mutter, musste als Seidenweberin<br />

nachhelfen, die Familie auch nur notdürftig durchzuschlagen. Trotz der einfachen und schmalen Erziehung<br />

entschwanden dem Jubilar seine Kinderjahre ohne nachteilige Folgen. Noch sind ihm auch Spielkameraden in froher<br />

Erinnerung, von denen jedoch der grössere Teil längst unter geweihter Erde ruht.<br />

Mit dem zunehmenden Alter begann dann auch die Schulzeit. Es war das Jahr 1886, als Karl mit seinem<br />

Schulsack in das Kaplanenhaus, das damalige Schulhaus, einzog. Als sein Lehrer amtete Hochwürden Kaplan Rölli<br />

in den unteren Klassen, und in der vierten Klasse war es die ehrwürdige Schwester Franziska vom Kloster<br />

Heiligkreuz. Das waren wohl liebe und gute Lehrkräfte, doch die straffe Schulordnung von heute war noch weit weg.<br />

Als Pfarrer und Schulinspektor wirkte Hochwürden Speck, der es auch verstand, erzieherisch auf die Schüler<br />

einzuwirken. Bereits nach sechseinhalb Jahren musste der junge Karl die Schule verlassen, um mit etwas Verdienst<br />

die Familie zu unterstützen. Da war wieder Schulinspektor und Hochwürden Speck, der dem Junior nebenbei<br />

Nachhilfeunterricht erteilte, damit die fehlende Schulzeit ausgeglichen werden konnte. Noch heute sagt er ihm Dank<br />

für diese weit blickende und uneigennützige Tat, die, wie er selber öfter sagt, ihm im späteren Leben sehr<br />

zustattenkam.<br />

Aber schon während der Schuljahre drängte die Familiennot, wie immer, möglichst mitzuhelfen, den schwachen<br />

Verdienst der Eltern zu ergänzen. Dazu bot besonders das obstreiche Jahr 1886 Gelegenheit, bei den Bauern<br />

während der freien Schulzeit und ganz besonders in den Schulferien auszuhelfen. Noch ist Karl in guter Erinnerung<br />

des damaligen Letten-Bauern Herr Burkart Hausheer, bei dem er täglich 10 Rappen Lohn verdiente. Wirklich kein<br />

grosses Salär, aber er war doch daheim von der Kost weg. Jede Kleinigkeit war damals für die Familie willkommen.<br />

Ab der vierten Klasse war Karl Altardiener in der Kirche. Es war ein Ehrenamt, auf das man besonderen Stolz<br />

und Wert legte. Eine Sekundarschule zu besuchen, war ihm leider nicht gegönnt, der Verdienst der Familie hat dazu<br />

nicht ausgereicht. So ging Karls Schul- und Jugendzeit zu Ende, die neben all den vielen Beanspruchungen<br />

gleichwohl manch schöne und angenehme Erinnerung zurückliessen. Nebenbei denkt er auch an das düstere<br />

Ereignis, als die Spinnerei in Hagendorn 1888 in Flammen aufging. Die Auswirkungen waren damals weiträumig<br />

spürbar.<br />

Lassen wir nun diese Jahre zurück. Jetzt galt es für Karl, ins Leben zu treten, um selbst Brot und Verdienst zu<br />

finden. Am 23. Januar 1892 trat er als junges Bürschlein in die Milchsüdi, so wie man die Milchfabrik auch nannte,<br />

zum Arbeiten ein. 15 Rappen betrug sein erster Stundenlohn, der sich dann im Herbst 1892 auf 17 Rappen<br />

steigerte. Bis zu 100 000 Büchsen Milch wurde aus der Südi täglich abgeliefert. Karls Arbeitszeit dauerte bis zu 14<br />

Stunden täglich. Ein noch ungezwungener Fabrikbetrieb, deren Ansehen schweizweit grossen Anklang fand, war<br />

also Karls erster richtiger Arbeitgeber. Mit diesem Zusatzverdienst konnte sich dann auch die Familie erholen.<br />

Das Rubelihaus meiner Ur Familie mit im Eichholz<br />

Auf den Bildern sind meine Cousinen Renata & Gaby Wyss<br />

Das Zutrauen wuchs sichtlich heran. Es wurde für die Familie möglich, wenn auch mit fremder Hilfe, das kleine<br />

weisse Häuschen im Eichholz in Steinhausen mit dem auffälligen Schrägdach zum Preis von Fr. 3100.-- käuflich zu<br />

erwerben. Diese Errungenschaft, ein eigenes Heim mit eigenem Herd, war der Stolz der Familie zur<br />

Jahrhundertwende, dem sie bis zur Auflösung der Familie treu blieben. Warum das sicher nicht den Normen<br />

entsprechende Haus den Übernamen Pulverturm trug, konnte der Schreibende nicht in Erfahrung bringen. Karl<br />

denkt noch immer an diese schöne Zeit seiner Jugend zurück, von wo aus die Kinder zur Arbeit gingen. Es war die<br />

Zeit, in der die Familie dank des Verdienstes von Karl und seiner Schwester Rosa erstarkte.<br />

10 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>

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