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WerDer_Charly_1

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Damit genug zu meiner Person, reden wir von meiner Schwester Hedy, sie hat ja auch so ihre eigenen<br />

Erfahrungen gemacht. Bei Hedy verlief alles viel ruhiger und gemächlicher bis zu dem Zeitpunkt, als wir zwei<br />

Schwestern uns entschlossen, ein paar Tage in unserer Heimat, der Walzerstadt Wien, zu verbringen. Dort dinierten<br />

wir im "Kerzenstüberl", wo wir von drei jungen Kellnern umschwärmt wurden. Wir waren ja ebenfalls jung, im besten<br />

Alter, dazu noch hübsch. Wir konnten auch gut mit unserem Charme umgehen. O wie haben wir diesen einen Abend<br />

in Freiheit genossen!<br />

Am anderen Tag bummelten wir durch die romantischen Gassen der Wiener Altstadt und genehmigten uns da<br />

und dort ein Gläschen, bis es dunkel wurde. Dann überlegten wir uns, in welchem Etablissement wir zwei Hübschen<br />

uns niederlassen möchten. Unser Blick fiel auf eine diskrete Leuchtschrift OPIUMHÖHLE. Diesem Lokal mit dem viel<br />

versprechenden Namen wollten wir sein Geheimnis entlocken. Und schon liefen wir die in diffuses Licht getunkte<br />

Treppe hinunter. Dabei stürzten wir beinahe in die Arme einer geheimnisvollen Dame, welche uns lächelnd, aber<br />

verdächtig freundlich den Weg zum Ort des Geschehens zeigen wollte.<br />

Wie eine Furie schrie Hedy mich an und zerrte mich zurück nach oben. Begleitet von einem fragenden Blick der<br />

netten Dame, erreichten wir wieder die Oberfläche, wo wir unseren Trip nach Hause in Angriff nahmen. Noch Jahre<br />

später bis ins hohe Alter sagte mir Hedy, dass sie mir damals auf der Treppe ins Verderben das Leben gerettet<br />

hätte. Nur sei gesagt, dass ich bis heute nicht herausgefunden habe, was uns im Keller der "Opiumhöhle" wirklich<br />

erwartet hätte.<br />

Wieder verflogen einige Jährchen, wir heirateten und setzten einige Kinder auf den fruchtbaren Boden der freien<br />

Schweiz. Hedy wählte mit ihrem Ehemann Franz Scherer die Zahl vier, ein Knabe namens Peter und drei Töchter,<br />

Irene, Rita und Marliese. Ich persönlich entschloss mich für das Dreimädelhaus mit Erika, Ruth und Claudia. Auch von<br />

den sieben Kindern mit dem Blut der Travniceks könnte man einige Geschichten erzählen, kleine Episoden sind ja in<br />

<strong>Charly</strong>s angekündigtem Buch "Wer ? der <strong>Charly</strong>" festgehalten. Doch bleiben wir an dieser Stelle bei Hedy und mir.<br />

Meine Schwester Hedy entpuppte sich als ausgezeichnete Schneiderin und exzellente Köchin. Was Hedy in<br />

die Hände nahm, gelang, und von diesen Fähigkeiten profitierten einige ganz gut. Besonders stolz war meine<br />

Schwester darüber, dass sogar ihr Arzt mit Gattin eines Tages zum Essen erschien und dass sich dieser<br />

kulinarische Vorgang nicht nur einmal wiederholte.<br />

Ja und ich? Ich wollte eben Lehrerin werden, doch auf keinen Fall im Kloster landen. Kurzum entschloss ich<br />

mich für den Einsatz mit Kindern, und so wurde ich Krankenschwester. Vielen Kranken durfte ich helfen, gesund zu<br />

werden, andere konnte ich beruhigend in die Ewigkeit begleiten. Eine kleine Story aus dieser Zeit will ich hier<br />

erzählen. Als Kathja Osterwald, die Frau des weltbekanten Jazz-Musikers Hazy Osterwald, 1965 in Arosa verstarb,<br />

hinterliess sie drei kleine Kinder: Rolf, Linda und Sven hiessen die drei Osterhäschen. Als Krankenschwester durfte<br />

ich die Nachkömmlinge der Osterwald-Dynastie für einige Zeit liebevoll betreuen.<br />

Nach vielen harten Arbeitsjahren verliess unsere gute Mutter Elisabeth im Jahre 1961 diese schöne Welt, in<br />

der doch gerade der Weltfriede im Anmarsch war. Elisabeth Travnicek war eben schon eine spezielle Frau und<br />

Mutter, an die ich immer wieder denken muss.<br />

Eines Tages wechselte mein Schwager Franz den Wohnsitz, um unerwartet in eigener Regie das Jenseits zu<br />

ergründen. Ja Hedy, zu der Zeit rumorte oft ein Gedanke in deinem Kopf: Du und ich zusammen eine Wohnung, du<br />

besorgst den Haushalt und sammelst Kräuter, und ich sorge für unseren Unterhalt! So hätte das niemals funktioniert!<br />

Mein Mann Gody wäre damit nie zurechtgekommen.<br />

Wie das so ist im Leben, die Zeit brachte eine andere, eine bessere Lösung. Mit dem Wechsel meiner<br />

Wohnung an die Voltastrasse waren wir plötzlich nur noch Minuten voneinander entfern. Von jetzt an sahen wir uns<br />

wieder fast täglich, und unsere Gedanken und Wünsche eilten oft in Richtung Österreich. Doch es kam, wie es<br />

kommen musste; wir zwei Gegensätze waren nicht immer gleicher Meinun, und trotzdem hatten wir schöne Zeiten.<br />

In all den Jahren hatte Hedy immer den gleichen Wunsch, noch einmal das Städtchen Heidenreichstein zu<br />

besuchen, welches sie in ihrer Jugend mit einer Freundin kennen gelernt hatte. In allen Farben schilderte sie die<br />

Vorteile des Ortes, die Vorzüge der lieben Menschen, und sie wurde nicht müde, dieses Juwel in Niederösterreich<br />

zu preisen. Am 18. Juli 1993 erfüllte sich Hedys Wunsch. Im Alter von 84 Jahren flog meine Schwester mit mir nach<br />

Wien. Viermal mussten wir umsteigen, immer das Gepäck im Schlepptau, bis uns am Abend um 19.30 Uhr der letzte<br />

Bus auf einer Fahrt von zweieinhalb Stunden zum ersehnten Bestimmungsort nach Heidenreichstein brachte. Ich<br />

war müde, und meine Stimmung war ganz unten im Keller angekommen.<br />

Dann geschah etwas Seltsames. Diese Fahrt wurde zu einer der schönsten meines Lebens. Die untergehende<br />

Abendsonne tauchte die einzigartige Landschaft in ein magisches Licht, links die Sonnenblumenfelder, kein Mensch<br />

weit und breit störte die eindrückliche Idylle. Da rief Hedy lauthals: "Jetzt ins Nirwana und nie mehr zurück!" Wir<br />

ahnten nicht, wie schnell sich so ein Wunsch erfüllen kann. Nur zwei Monate später, es war am Samstag,<br />

27. September 1993, waren wir zu einem kleinen Lunch verabredet. Doch dieses gemütliche Beisammensein fand<br />

nicht mehr statt. Ohne Abschied zog es dich in dein gewünschtes Nirwana, wo du hoffentlich weitere ausgedehnte<br />

Sonnenblumenfelder in der Abendsonne bewundern kannst und deinen Franz wiedertriffst.<br />

Leb wohl, Schwesterherz, ich vermisse dich. Die letzte Travnicek, die Antonia, klebt noch immer auf dem Boden<br />

dieser kriegslustigen Erde fest. Lass dich wissen, dass ich mir wünsche, dass in jedem unserer sieben Kinder einen<br />

Tropfen Travnicek-Blut pulsiert.<br />

Gezeichnet im Mai 1995<br />

Antonia, die letzte Travnicek, von der Voltastrasse aus Luzern<br />

126 I Lebenswerk Wer ? der <strong>Charly</strong>

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