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WerDer_Charly_1

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Erinnerung an Grossvaters Beerdigung 1955<br />

Der alte Leichenwagen mit dem damaligen Kutscher Karl Zimmermann<br />

Am Todestag, es war am Sonntag, 30. Oktober 1955, fuhr ich mit Vater und Mutter nach Aegeri. Dort<br />

besuchten wir Grossmutter Anna-Helena, die sich im Klösterli in einer Erholungskur befand. Grossmutter wollte nach<br />

Hause, ihr Gefühl sagte, dass sie nicht mehr länger in Aegeri bleiben wollte. Mit unserem schwarzen Ford, dessen<br />

Modell vorne noch getrennte Scheiben hatte, fuhren wir so gegen 14 Uhr in Richtung Cham. Kaum bogen wir von<br />

der Zuger- in die Knonauerstrasse ein, kam auch schon mein Cousin Heinz Werder aus dem Haus gerannt. Er<br />

meldete uns noch während des Einparkens des Wagens: „DER GROSSVATER IST TOD!“ Ich erinnere mich noch<br />

ganz genau, welche ein Schock diese Aussage bei Oma Anna-Helena auslöste.<br />

Anwesend im Haus waren Onkel Hans mit seiner Frau Augusta, die meinen Opa im Beisein von Hausarzt Dr.<br />

Walter Spiller ins Sterben begleitet haben, und eben Heinz. Auch Dorfpfarrer Franz-Josef Muff war inzwischen<br />

wegen der heiligen Ölung am Sterbebett im ersten Stock links eingetroffen. Dort war Karl der Erste bis zu seiner<br />

Beerdigung im offenen Sarg, umgeben von einem Blumenmeer, aufgebahrt. Zahlreiche Leute gingen die drei<br />

Treppen hoch und runter, um sich von Karl dem Ersten zu verabschieden. Nebst Familienmitgliedern stand auch<br />

Vorbeter Gretener in den Tagen der Trauer Totenwache.<br />

Am 2. November 1955, also am Tag von Allerseelen, einem leicht in Nebel gehüllten Mittwochmorgen, war es<br />

dann so weit. Die Beerdigung meines geliebten Grossvaters und Göttis stand bevor. Vor dem Haus KS-7 fuhr Karl<br />

Zimmermann mit seinem Zweipferdegespann den alten Leichenwagen vor. Die Pferde trugen schwere schwarze<br />

Decken. Hochwürden Pfarrer Josef Muff mit seinen Ministranten stellten sich am Seiteneingang bei der Haustür auf,<br />

wo man den Sarg mit dem Leichnam für die Segnung aufbahrte. Der Leichenzug wurde durch den Vorbeter<br />

Gretener formiert.<br />

In Front der Leichenwagen, gefolgt von einem Altardiener mit Kreuz. Dann kam Pfarrer Franz-Josef Muff mit<br />

Gefolge und viel Weihrauch. Im Anschluss reihte sich die Musikgesellschaft mit einer grösseren Fahnendelegation<br />

verschiedener Vereine ein. Nun nahmen mich Vater und Mutter, die zu dieser Zeit mit Ludmilla gerade<br />

hochschwanger war, an der Hand. Die Familie mit Onkel Hans, Tante Augusta in Begleitung von Hansjörg, Heinz,<br />

Annagret und Ursula mit Susi schritt hinter der Musikgesellschaft her. Die Töchter von Onkel Hans trugen alle<br />

Schwarze-Ärmel-Schürzen mit weissen Punkten. Dann übernahm Vorbeter Gretener die Regie. Frauen und Männer<br />

wurden getrennt. Als Erstes kamen die Männer, dann die Frauen. Jetzt begann Gretener laut, sehr laut zu beten.<br />

Gleichzeitig gliederten sich Verwandte, Anverwandte, Freunde und Nachbarn, aber auch viele Geschäftsleute in die<br />

Prozession ein. Es war ein beeindruckender Leichenzug, der sich auf Kommando Greteners in Bewegung setzte. Im<br />

Trauerschritt bewegte sich die Gemeinschaft von der Knonauerstrasse zur Luzernerstrasse in Richtung der<br />

katholischen Kirche St. Jakob, wo die Trauergemeinde am Gottesdienst zu Ehren von Karl dem Ersten teilnahm.<br />

Soviel ich weiss, fasst die Kirche in Cham rund 800 Leute. Am Tag des 2. Novembers 1955 war das Gotteshaus im<br />

Kirchbühl bis zum letzten Platz belegt. Auch an der Totenmesse waren Frauen und Männer getrennt. Grossmutter<br />

wurde in Begleitung ihrer noch lebenden Schwestern durch Herrn Reck im schwarzen Ford zur Kirche gefahren.<br />

Nach der Grabsegnung verabschiedete sich die Musikgesellschaft Cham mit dem Trauerstück „Ich hat' einen<br />

Kameraden“. Gegen Mittag traf sich die Trauergemeinde im Saal des Restaurants Bären, wo die "Bären"-Anna,<br />

Rosa Baumgartner, ein ausgiebiges Mittagessen auftischte.<br />

Karl Werder-Müller, geboren am 28. November 1878, gestorben am 30. Oktober 1955 in Cham, wurde 77 Jahre alt.<br />

Zur selben Zeit, am 30. Oktober 1955, als mein Grossvater verstarb, kam Maria-Magdalena Gschwend,<br />

die Frau, welche ich Jahre darauf, also am 8. August 1981, in Zug heiratete, zur Welt.<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 55

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