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WerDer_Charly_1

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Lassen wir doch Ursula selbst zu Worte kommen<br />

Sie erzählt uns über ihr Zeitfenster in Frankreich aus ihrer eigenen Perspektive<br />

Nach Abschluss der 2. Sekundarschule – damals gab es für Mädchen noch keine 3. Sek. – verliess ich im<br />

Frühling 1959 mein Elternhaus, um ein Jahr als Au-pair in einem Mädchenpensionat in Frankreich zu verbringen,<br />

genauer gesagt in Trappes, dem damaligen Ort des Güterbahnhofs von Paris.<br />

Ich weiss noch, wie ich am Badischen Bahnhof staunte, dass die französischen Züge noch mit Dampf fuhren,<br />

und in allen Wagen gab es ein Abteil „reservé pour les mutilés de la guerre“. In Paris angekommen, lernte ich auch<br />

gleich noch die Metro kennen, das Gedränge in den Zügen und das Gehetze durch die endlosen unterirdischen<br />

Korridore. “A Paris on court toujours!“ Das war das Erste, was die "mère supérieure" zu uns (mit mir war noch ein<br />

Mädchen aus Luzern) sagte. Das verstand ich, aber später dann vieles nicht, und kein Mensch sprach ein Wort<br />

Deutsch. Zu jener Zeit sprach kein Franzose deutsch, selbst wenn er es gekonnt hätte.<br />

Die Ecole St. Marie war ein Pensionat für Mädchen aus Paris und Umgebung. Sie trafen am Sonntagabend ein<br />

und blieben bis Samstagmittag. Ein nagelneues Gebäude stand zu ihrer Verfügung: unten Klassenzimmer, oben<br />

Schlafsäle. Das Kloster war zum Teil von Bomben zerstört worden. Die Nonnen hingegen wohnten im alten Haus<br />

bzw. in dem Teil, der übrig geblieben war. Der Speisesaal war irgendwie an die weggerissene Fassade angeklebt<br />

worden. Alles war sehr einfach. Die Küche verfügte weder über Kühlschrank noch über Tiefkühler oder<br />

Abwaschmaschine, obwohl täglich für etwa 80 Personen gekocht wurde.<br />

Die Nonnen und natürlich auch wir wuschen die persönliche Wäsche selbst im Lavabo. Die grossen Stücke<br />

und das, was javelwasserverträglich war, wurden in Netzen in die Wäscherei gegeben, feucht wieder abgeholt und<br />

im Garten an die Leine gehängt. Im Winter hing die Wäsche in mehreren Schichten an den Radiatoren in den<br />

Gängen. Die gestärkten Hauben der Nonnen bügelte die Küchenschwester mit kleinen Eisen, die auf dem riesigen<br />

schwarzen Herd in der Küche erhitzt wurden und die sie abwechslungsweise benutzte. Das Bild links vermittelt<br />

einen Blick in den Schlafsaal von uns Mädchen. Mein Bett befand sich ganz rechts beim Radiator am Fenster.<br />

Anmerkung zu Trappes<br />

Anlässlich einer Begegnung mit meiner Cousine Gisela Emmenegger-Wyss im August 2016 kam heraus,<br />

dass Gisela einst als angehender Teenager im selben Internat in Trappes war wie einst die Ursula<br />

Wer ? der <strong>Charly</strong> Lebenswerk I 71

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