WerDer_Charly_1
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Ein US-Kriegsbomber vom Typ B-17G wasserte<br />
notfallmässig im Zugersee<br />
Foto: Quelle "Neue Zuger Zeitung" vom Montag, dem 5. Oktober 2015, im Bild die Schaffner-Crew und der Bomber<br />
Diese drei Männer, v.l.n.r.: Martin Schaffner, ein umtriebiger Unternehmer und technisch sehr versierter Mann (alias<br />
Bomber-Schaffner), sein Taucher Gottlieb Scherrer und Mitarbeiter Josef Schnellmann (ein ehemaliger Kranzschwinger<br />
und Wirt), waren die damaligen Pioniere und waren massgeblich für die Bergung des US-Bombers<br />
aus dem Zugersee im Jahr 1952 verantwortlich. Schaffner selbst hatte eben den Riecher zum Geld.<br />
Mein Vater Karl der Zweite war einer der vielen Zeitzeugen der Wasserung<br />
Am 16. März 1944 tobten über Hitler-Deutschland brutalste Luftschlachten. Die achte US-Flotte griff die Städte<br />
Augsburg, Ulm, aber auch Friedrichshafen an. Ein Flugzeug, ein US-Bomber B-17G mit der Seriennummer 42-<br />
38160, wurde beim Angriff von der deutschen Luftabwehr über Augsburg schwer beschädigt. Darum flüchtete der<br />
Pilot mit seiner Mannschaft in die Schweiz, um eine Notlandung zu vollziehen.<br />
An diesem 16. März 1944 fuhr mein Vater Karl der Zweite mit seinem Lastwagen (Wehrmachtsford G 997) von<br />
Zug in Richtung Baar. Auf der Höhe der damaligen Kistenfabrik fiel ihm auf, dass alle Leute stillstanden und nach<br />
oben schauten. Er parkierte seinen Lastwagen an der rechten Seite der Baarerstrasse, stieg aus und blickte selbst<br />
auch zum Himmel. Dort sah er neun Fallschirmspringer - es waren US-Soldaten in Vollmontur - und einen US-<br />
Bomber im Tiefflug in Richtung Zugersee gleiten. Dabei kam einer der Springer ums Leben. Der Pilot konnte sein<br />
Flugzeug geistesgegenwärtig zu den Gestaden des Zugersees lenken, wo die viermotorige Maschine fast<br />
unbeschädigt im Wasser versank. Vater wendete seinen LKW und begab sich zum Unfallort, wo er noch sehen<br />
konnte, wie der Pilot, noch immer in Vollmontur, unverletzt aus dem Wasser zum Ufer schwamm. Zur gleichen Zeit<br />
war der Vater meines späteren Schulfreundes Urs (Samy) Fischer, Albert Fischer, mit seinem Fahrrad unterwegs<br />
nach Zug. Auch er, Albert Fischer, radelte sofort zum Ort des Geschehens, wo er mit seinen Sprachtalenten in<br />
Englisch als Übersetzer zwischen dem Piloten, den Springern und den Untersuchungsbehörden zum Einsatz kam.<br />
Die Unfallstelle war ungefähr dort, wo heute das Hafenrestaurant steht.<br />
Und so lag der US-Kriegsbomber auf dem lehmigen Grund des Zugersees, bis im Jahr 1952 ein mutiger<br />
Garagist aus dem aargauischen Suhr namens Martin-Hugo Schaffner das Wrack in einem spektakulären Aufwand<br />
aus dem schlammigen See zog. Mit einem grossflächigen Floss, Marke Eigenbau, drei speziellen Seilwinden und<br />
einem zusätzlichen Hilfsfloss mit einer 45 Meter langen Eisenleiter stieg Taucher Gottlieb Scherrer bis zum<br />
Seegrund hinunter. Dort lag der US-Bomber mit überschlagener Nase tief im lehmigen Seegrund. Der Bug steckte<br />
laut Taucher Scherrer mehrere Meter in einer schlammigen Masse. Nach einem ersten Versuch, das Wrack zu<br />
heben, rissen die Zugseile. Erst der zweite Versuch war erfolgreich, sodass das Flugzeug mit viel Aufwand an Land<br />
gezogen werden konnte.<br />
Im Anschluss wurde die viermotorige Maschine, die B-17G, auf der verlängerten Schützenmattwiese ausgestellt<br />
und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Stolz führte mich Vater in Begleitung von Mutter Rosa zum Ort des<br />
Geschehens, an dem er uns erstmals die Geschichte erzählte. Laut einer speziell erstellten Broschüre besuchten<br />
am ersten Tag weit über 10 000 Schaulustige den gestrandeten US-Bomber, der am Seeufer auf Holzböcken<br />
ausgestellt war. Schaffner verkaufte damals die extra gefertigte achtseitige Broschüre vor Ort zum Preis von Fr. 1.10<br />
inklusive Eintritt zur Besichtigung der Flugruine. Auch die Zeitungen berichteten ausführlich über die Notwasserung.<br />
Später baute Martin-Hugo Schaffner in der Chollermühle eine eigene Tankstelle und stellte einen der vier Motoren<br />
auf dem Garagenareal aus. Dadurch wurde die Tankstelle BOMER-SCHAFFNER für einige Jahre zum Begriff eines<br />
zur damaligen Epoche spektakulären Zeitgeschehens.<br />
Nach Recherchen des Zugers Oskar Rickenbacher, der bei der Notwasserung 1944 gerade 13 Jahre alt wurde, verstarb<br />
der Selfmademan und Pionier Martin Schaffner am 5. Oktober 1965 an einer Lungenentzündung mit nur 42 Jahren.<br />
Der sogenannte Zugersee-Bomber wurde 1972 in St. Moritz verschrottet.<br />
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