Berliner Zeitung 17.11.2018
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 269 · 1 7./18. November 2018 29<br />
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4Millionen<br />
lingt, die Gesamtzahl der leistbaren<br />
Wohnungen zu erhöhen. Wenn man<br />
sich dieses Ziel steckt, ist es kontraproduktiv,<br />
Mietsteigerungen in bisher<br />
sehr günstigen Wohnungen<br />
durchzusetzen, um mit den Einnahmen<br />
teure Neubauten auf ein halbwegs<br />
leistbares Mietniveau herunterzusubventionieren.<br />
Das ist aber eine<br />
umstrittene Diskussion, weil sich die<br />
Herausforderungen nicht auf dieses<br />
eine Ziel fokussieren lassen.<br />
Sondern?<br />
Nurüber Neubauzahlen zu reden,<br />
ist zu kurz gegriffen, aber genauso<br />
richtig ist: Nurüber die Mietpreise zu<br />
reden ist auch zu kurz gegriffen, weil<br />
wir auch mehr Wohnungen brauchen.<br />
Die Diskussionen zum Stadtentwicklungsplan<br />
Wohnen haben da<br />
einen ganz guten Weggefunden. Von<br />
den rund 200 000Wohnungen, die bis<br />
2030 gebaut werden, soll die Hälfte<br />
von gemeinwohlorientierten Bauträgernerrichtet<br />
werden und nicht mehr<br />
als 6,50 Euro je Quadratmeter kosten.<br />
Der Stadtsoziologe Andrej Holm wirbt für eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit.<br />
Prozent des<br />
Haushaltseinkommens<br />
sollten höchstens für<br />
die Miete gezahlt werden –inklusive der<br />
Betriebskosten.<br />
MIKE FRÖHLING<br />
DieGenossenschaften in Berlin haben<br />
Mieten, die unter denen der landeseigenen<br />
Unternehmen liegen. Wasmachen<br />
die Genossenschaften anders?<br />
Genossenschaften sind den Interessen<br />
ihrer Mitglieder verpflichtet.<br />
So müssen sie die Wohnungen bewirtschaften.<br />
Und esist meist nicht<br />
im Interesse der Bewohnerschaft,<br />
höhere Mieten zu zahlen. Was die<br />
Genossenschaften vonden landeseigenen<br />
Unternehmen unterscheidet,<br />
ist, dass sich die soziale Verantwortung<br />
auf die Mitglieder der Genossenschaft<br />
beschränkt. Genossenschaften<br />
sind nicht verpflichtet, etwa<br />
Wohnungen für Familien aus Syrien,<br />
die als anerkannte Flüchtlinge hier<br />
leben, zu vergeben. Aber interessant<br />
ist, dass die Mietentwicklungen bei<br />
den Genossenschaften relativ deutlich<br />
zeigen, dass sich eine auf Unternehmensebene<br />
erfolgte Festschreibung<br />
von Bewirtschaftungsgrenzen<br />
langfristig auswirkt. Insoweit sind sie<br />
ein Beispiel dafür, dass das Prinzip<br />
richtig ist, das hinter der Gemeinnützigkeit<br />
steht.<br />
Wasmüsste in Berlin noch konkret getan<br />
werden, um vier Millionen Einwohner<br />
angemessen zu versorgen?<br />
Ich glaube, dass relativ viel von<br />
dem, was nötig ist, seit zwei Jahren<br />
rot-rot-grüner Regierung versucht<br />
wird. Der Mietpreisschutz ist das A<br />
und O. Nötig ist außerdem, den Milieuschutz<br />
räumlich auszuweiten. Das<br />
ist in den letzten Jahren schon deutlich<br />
geschehen. Das kann man immer<br />
noch ein Stückchen weiter treiben.<br />
Dasgilt auch für den Anteil von<br />
Sozialwohnungen bei privaten Bauprojekten.<br />
Schon jetzt stöhnen die<br />
Eigentümer, wenn sie einen Anteil<br />
von30Prozent Sozialwohnungen errichten<br />
sollen. Eigentlich müssten<br />
wir angesichts der Versorgungsverhältnisse<br />
viel mehr sozialen Wohnungsbau<br />
errichten. Das wird zum<br />
Teil in Städten wie Wien praktiziert,<br />
wenn wir jetzt noch mal nach Österreich<br />
schauen.<br />
Undwie wirddas dortgemacht?<br />
In Wien werden bei der Ausweisung<br />
neuer Baugebiete die Grundstückspreise<br />
durch einen sogenanntenWidmungspreis<br />
auf einem niedrigen<br />
Niveau festgeschrieben. Wenn<br />
dortSozialwohnungen entstehen sollen,<br />
wirdzugleich festgelegt, dass der<br />
Preis des Grundstücks nicht über ein<br />
bestimmtes Maßsteigen kann, damit<br />
der Bauder Sozialwohnungen mit der<br />
Förderung noch zu finanzieren ist. In<br />
Berlin lassen sich mit den gängigen<br />
Förderprogrammen und der spekulativen<br />
Grundstückspreisentwicklung<br />
im Prinzip keine leistbaren Wohnungen<br />
mehr errichten. Die Förderprogramme<br />
orientieren sich in der Regel<br />
an der Refinanzierung der Baukosten.<br />
Nötig ist deswegen, auch hier den Anstieg<br />
der Bodenpreise zu begrenzen,<br />
um preiswerten Wohnungsbau möglich<br />
zu machen. Die Bodenfrage ist<br />
eine entscheidende Frage für das sozialeWohnen<br />
in der Stadt.<br />
DasGespräch führte Ulrich Paul.