Society 365 / 2014
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WIRTSCHAFT<br />
RECHT<br />
Kolumne<br />
Wirtschaftskrieg durch<br />
Sanktionen?<br />
Die Wirtschaftssanktionen der USA und EU gegen<br />
Russland im Zuge der Ukraine-Krise stellen einen<br />
Verstoß gegen die WTO-Verpflichtungen dar. Sie<br />
sind daher als Kriegshandlungen anzusehen.<br />
Text von Georg Zanger<br />
Kein Tag vergeht, ohne dass<br />
neue Sanktionsdrohungen<br />
von Washington gegen<br />
Russland angekündigt werden.<br />
Obama setzt auf einen<br />
„spürbaren Schlag gegen die<br />
russische Wirtschaft“. Das US-Vermögen der<br />
Rossija Bank wurde eingefroren, die Kreditkartenfirmen<br />
Visa und Mastercard haben<br />
ihre Zahlungsdienste für Kunden russischer<br />
Banken (vorübergehend) eingestellt. Die US<br />
Ratingagenturen Standard & Poor’s und<br />
Fitch haben Russland schlechter eingestuft<br />
und damit die Kreditbeschaffung erschwert.<br />
Es herrscht bereits Krieg.<br />
•<br />
Wirtschaftspolitisches Kalkül<br />
Die Medien jubeln, dass nun schon bald<br />
vierzig Milliarden Euro Investitionskapital<br />
aus Russland abgezogen wurde und spekulieren<br />
mit der Überlebensfähigkeit der<br />
russischen Wirtschaft.<br />
Offenbar steckt hinter der US-Drohung<br />
aber nicht bloß „Empörung“ sondern kalkulierte<br />
Wirtschaftspolitik im internationalen<br />
Wettbewerb: Mit einem Schlag sollen<br />
nicht nur Russland sondern auch die<br />
EU wirtschaftlich geschädigt werden.<br />
In der US-Exportstatistik liegt der Handel<br />
mit Russland gerade einmal auf Platz 31.<br />
Güter im Wert von weniger als zehn Milliarden<br />
Dollar wurden 2013 nach Russland ausgeführt.<br />
Die EU hatte hingegen 2013 einen<br />
Anteil von 49,7 Prozent an Russlands Außenhandelsumsatz<br />
und war damit der mit<br />
Abstand stärkste Handelsblock. Die Handelsbilanz<br />
zwischen Russland und Deutschland<br />
ist im Jahr 2012 um 6,9 Prozent auf mehr als<br />
80,51 Milliarden Euro gestiegen. Russland<br />
ist weiterhin einer der Märkte mit den größten<br />
Perspektiven für deutsche Exporteure.<br />
Österreich ist die Drehscheibe für den europäischen<br />
Osthandel und in Russland besonders<br />
stark engagiert.<br />
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US-Unternehmen stehen bereits in den<br />
Startpositionen, in der Hoffnung das entstehende<br />
Vakuum durch ihre Exporte zu<br />
schließen: „Die turbulenten Ereignisse in<br />
der Ukraine könnten auch zu einem Kurswechsel<br />
bei der US-Energiepolitik führen“,<br />
meinte der republikanische Sprecher des<br />
Repräsentantenhauses im Kongress, John<br />
Boehner, und forderte die Abschaffung des<br />
Exportverbots für US-Gas, um „der Aggression<br />
Russlands zu widerstehen“.<br />
•<br />
Globalisierung<br />
Die Wirtschaft ist weltweit globalisiert.<br />
Um den Missbrauch einer Machtposition<br />
zu verhindern, wurden Organisationen<br />
wie die UNO und die WTO geschaffen,<br />
denen die USA, die EU und Russland angehören.<br />
Jede unnötige Schädigung der Handels-<br />
und Geschäftsinteressen anderer Vertragsparteien<br />
ist zu vermeiden. Ohne dem<br />
vorgesehenen Streitbeilegungsverfahren<br />
darf es keine Sanktionen, keine Ausnutzung<br />
von Machtpositionen geben.<br />
Das gilt auch und insbesondere für die<br />
USA, die infolge der Beherrschung des internationalen<br />
Bankwesens über die exklusive<br />
Möglichkeit verfügen, Zahlungsströme<br />
Dr. GEORG ZANGER,<br />
ist seit 1975 selbstständiger<br />
Rechtsanwalt in<br />
Wien mit Spezialgebiet<br />
Wettbewerbsrecht. Er<br />
ist außerdem Präsident<br />
der Austrian Chinese<br />
Business Association.<br />
www.zanger-bewegt.at<br />
zu blockieren. Die Diktatur des Welthandels<br />
durch eine einzige Wirtschaftsmacht<br />
widerspricht dem Globalisierungswesen.<br />
Wird russischen Banken und damit<br />
ihren Kunden, darunter wichtigen Unternehmen,<br />
der Zugang zum internationalen<br />
Bankmarkt verwehrt, und dadurch<br />
die Handlungsfähigkeit der russischen<br />
Wirtschaftsbetriebe eingeschränkt und<br />
werden weitere gleichartige Maßnahmen<br />
angedroht, liegt ein klarer Verstoß gegen<br />
die WTO-Verpflichtungen vor. „Sanktionen<br />
sind Kriegshandlungen. Sie verbieten<br />
nämlich einer Nation den Handel“. (Gerald<br />
Celente, US-Wirtschaftsexperte, format.at)<br />
•<br />
Nachteil für Europa<br />
Die Annexion der Krim war eindeutig<br />
rechtswidrig – aber sie war unblutig und<br />
von der Mehrheit der Bevölkerung getragen.<br />
Anders als die über dreißig Militärinterventionen<br />
der USA nach 1945. Die kosteten<br />
Millionen Menschen das Leben. Hat ein<br />
Europäischer Staat oder gar die EU jemals<br />
Sanktionen gegen die USA angedacht?<br />
Die EU und ihre Mitgliedstaaten stehen<br />
im permanenten Wettbewerb zu China,<br />
Russland und den USA. Dass der Gleichschritt<br />
bei Wirtschaftssanktionen vor allem<br />
Europa – im Verhältnis zu den USA<br />
– schadet, wird von vielen EU-Ministern<br />
offenbar nicht bedacht. Einige europäische<br />
Politiker, darunter der deutsche Bundesaußenminister<br />
Frank-Walter Steinmeier und<br />
Tschechiens Regierungschef Bohuslav<br />
Sobotka, warnen nachdrücklich vor den<br />
Folgen des Wirtschaftskrieges für die europäische<br />
Wirtschaft.<br />
Wir sind von Basel II bis Basel III immer<br />
zum Nachteil unserer Wirtschaft dem Diktat<br />
der USA gefolgt. Es wird Zeit für ein eigenständiges<br />
Handeln im europäischen Interesse!<br />
102 | SOCIETY 1_<strong>2014</strong>