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Society 365 / 2014

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DIPLOMATIE<br />

KOMMENTAR<br />

Als die bisher<br />

letzte Verhandlungsrunde<br />

bei<br />

den Wiener<br />

Atomgesprächen<br />

mit dem Iran im Mai zu<br />

Ende ging, machte sich zunächst<br />

Ernüchterung breit. Keine<br />

Fortschritte wurden erzielt,<br />

kein neuer Gesprächstermin<br />

wurde vereinbart, lauteten die<br />

ersten News. Doch kaum hatten<br />

die Verhandler durchgeatmet,<br />

drangen doch positive<br />

Signale an die Öffentlichkeit.<br />

Experten rechnen damit, dass<br />

die ersehnte Einigung über<br />

eine friedliche Nutzung der<br />

iranischen Atomkraft bis Juli<br />

erzielt wird.<br />

EU-Außenbeauftragte<br />

Catherine Ashton und der<br />

iranische Außenminister<br />

Mohammad Javad Zarif hatten<br />

sich in Wien mit Spitzendiplomaten<br />

der Gruppe 5+1<br />

(Vetomächte USA, Russland,<br />

China, Großbritannien, Frankreich<br />

sowie Deutschland) an<br />

den Tisch gesetzt, um in ihrer<br />

bisher längsten Gesprächsrunde<br />

einen Fahrplan zur Beilegung<br />

des seit Jahren dauernden<br />

Konflikts um die Atomanlagen<br />

des Iran auszuarbeiten. Der<br />

Westen erwartet Garantien,<br />

dass das Nuklearprogramm<br />

ausschließlich für friedliche<br />

Zwecke genutzt wird.<br />

•<br />

Atomgespräche unter<br />

hohem Druck<br />

Das bisherige Zwischenabkommen<br />

vom November 2013<br />

ist mit dem 20. Juli befristet.<br />

Die Vereinbarung zielt auf einen<br />

Stopp der Urananreicherung<br />

auf zwanzig Prozent und<br />

schärfere Kontrollen der iranischen<br />

Atomanlagen ab; im Gegenzug<br />

soll eine Lockerung der<br />

geltenden Wirtschaftssanktionen<br />

erfolgen. Dieses Szenario<br />

setzte die internationalen<br />

Verhandler in Wien unter<br />

Zeitdruck. Bei dem komplexen<br />

Thema ist allerdings die sprichwörtliche<br />

Politik der kleinen<br />

Schritte wieder einmal gefragt.<br />

Unter hohem Druck stehen<br />

die Delegierten sowohl<br />

Iran auf dem Weg zur<br />

regionalen Großmacht<br />

Der Iran war zuletzt oft in den Schlagzeilen. Die<br />

Wiener Verhandlungen um das Atomprogramm<br />

Teherans waren das Top-Thema.<br />

Analyse von Hermine Schreiberhuber<br />

der iranischen Seite als auch<br />

westlicher Staaten nicht nur<br />

aus Zeitgründen, sondern weil<br />

der Atomdialog innenpolitisch<br />

nicht auf ungeteilte Zustimmung<br />

stößt. Konservative Kreise<br />

im Iran werfen Staatspräsident<br />

Hassan Rohani vor, dem<br />

Westen zu viele Zugeständnisse<br />

zu machen. In den USA sind<br />

Teile der republikanischen Opposition<br />

der Ansicht, Präsident<br />

Barack Obama bewege sich<br />

zu weit auf Teheran zu. Dazu<br />

kommt die Position Israels, das<br />

ein iranisches Atomprogramm<br />

a priori ablehnt.<br />

•<br />

Positive Signale aus<br />

Teheran und Brüssel<br />

Der Iran sei weiter entschlossen,<br />

den Atomstreit mit dem<br />

Westen auf dem Verhandlungsweg<br />

beizulegen, verlautete<br />

kurz nach der Wien-Runde offiziell<br />

aus Teheran. Von einem<br />

Scheitern könne keine Rede<br />

sein. Zudem traf umgehend<br />

ein neues Inspektorenteam<br />

der Internationalen Atomenergiebehörde<br />

(IAEA) aus Wien in<br />

Teheran ein. Präsident Rohani<br />

sandte beruhigende Signale;<br />

für einen fristgerechten Abschluss<br />

der Atomgespräche<br />

mit den „5+1“ bleibe genügend<br />

Zeit. Zudem könnte das Zwischenabkommen<br />

um sechs Monate<br />

verlängert werden.<br />

Auch in Brüssel wurden<br />

Berichte über ausbleibende<br />

Fortschritte zurückgewiesen.<br />

Man habe eine Menge Arbeit<br />

geschafft, so der Sprecher der<br />

EU-Außenbeauftragten unter<br />

Hinweis auf die komplexe Materie.<br />

Ein hochrangiger US-Vertreter<br />

definierte die Gespräche<br />

als sehr schwierig. Von großen<br />

Diskrepanzen zwischen den<br />

Positionen beider Seiten war<br />

in Washington die Rede. Israels<br />

Regierungschef Benjamin<br />

Netanyahu warnte erneut vor<br />

einem atomar bewaffneten<br />

Iran. Russland nannte die Gespräche<br />

„nützlich“.<br />

•<br />

Experten glauben an<br />

politischen Willen<br />

Experten in Wien rechnen<br />

trotz aller Schwierigkeiten<br />

damit, dass ein Abkommen<br />

erzielt wird. „Letztlich zählt<br />

ZUR PERSON<br />

ag. HERMINE<br />

SCHREIBERHUBER war<br />

Mstellvertretende Ressortleiterin<br />

für Außenpolitik bei der<br />

Austria Presse Agentur (APA).<br />

Ferner verfasst sie Reportagen<br />

für Wochenzeitungen wie „Die<br />

Furche“ und wirkt an politischen<br />

Büchern mit.<br />

der politische Wille“, bringt es<br />

der Politologe Heinz Gärtner,<br />

Direktor des Österreichischen<br />

Instituts für Internationale Politik<br />

(OIIP), auf den Punkt. Die<br />

Journalistin und Autorin Gudrun<br />

Harrer meint, die USA und<br />

die Briten wollen einen Deal,<br />

aus wirtschaftlichen und strategischen<br />

Gründen. Zugleich<br />

warnt Harrer, die soeben ein<br />

Buch über IAEA-Inspektionen<br />

im Irak 1991-98 (Dismantling<br />

the Iraqi Nuclear Programme)<br />

veröffentlicht hat, vor einer<br />

Überfrachtung des Abkommens,<br />

das sich auf nukleare<br />

Abrüstung beschränken solle.<br />

Nahost-Diplomaten weisen<br />

darauf hin, dass die iranische<br />

Bevölkerung schon aus Nationalstolz<br />

weitgehend hinter dem<br />

Atomprogramm der Regierung<br />

steht. Der Regierung gehe es<br />

generell darum, als regionale<br />

Großmacht anerkannt zu werden.<br />

Hierbei steht der Iran im<br />

Wettbewerb zu Saudi-Arabien.<br />

2013 rückte die Verhandlergruppe<br />

5+1 von der Forderung<br />

ab, dass der Iran gar keine atomaren<br />

Fähigkeiten haben dürfe,<br />

sondern sie fordert Einschränkungen<br />

des Atomprogramms.<br />

OIIP-Direktor Gärtner plädiert<br />

für größtmögliche Transparenz<br />

auf iranischer Seite.<br />

In Richtung Transparenz<br />

geht die Vereinbarung weiterer<br />

Maßnahmen zur Kontrolle des<br />

iranischen Atomprogramms<br />

zwischen der IAEA und dem<br />

Iran. Laut IAEA sollen diese<br />

praktischen Maßnahmen, die<br />

bis zum 25. August umzusetzen<br />

sind, Klarheit über eine<br />

Fotos: Nelson, Dragan Tatic<br />

66 | SOCIETY 1_<strong>2014</strong>

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