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Society 365 / 2014

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KUNST & KULTUR<br />

INTERVIEW<br />

➢<br />

bau werden wir auch nie ein funktionierendes<br />

Europa haben. Wir wollen ja kein zweites Amerika<br />

sein. Wir wollen kein Kulturgemisch sein, wo<br />

jeder seine Identität verliert, sondern wir wollen<br />

eine Struktur haben, in der die Identitäten, die<br />

Sprachen, die kulturellen Ausdruckformen erhalten<br />

bleiben, um daraus das Beste zu machen. Die<br />

einzelnen Mitgliedsstaaten setzen sich gegen das<br />

Subsidiaritätsprinzip zur Wehr, weil sie das Gefühl<br />

haben, dass dem Staat damit gewisse Machtmöglichkeiten<br />

entgleiten. Bei der Subsidiarität<br />

wertet man immer die unteren Stufen auf, das ist<br />

eine Bottom-up-Organisation. Die meisten Nationalstaaten<br />

– Österreich ist ein klassisches Beispiel<br />

– sind aber typische Top-down-Organisationen.<br />

Wir brauchen aber eine Struktur, die wirklich von<br />

unten heraufkommt und in verschiedene Ebenen<br />

hinaufwächst.<br />

Wie geht es mit der Paneuropa-Bewegung nach<br />

dem Tod Ihres Vaters weiter?<br />

Starke Persönlichkeiten wie mein Vater haben<br />

der Organisationsstruktur eine besondere Ausdrucksform<br />

verliehen. Es ist eine Struktur, die in<br />

gewissem Sinne versucht, ein europäischer Vordenker<br />

zu sein und Europa mit bestimmten Wertvorstellungen<br />

zu versehen. Das geht manchmal<br />

besser und manchmal schlechter, je nachdem,<br />

wie gerade das Bedürfnis dafür da ist. Sehr viele<br />

Forderungen der Paneuropa-Union haben sich reell<br />

umgesetzt, sehr viel fehlt aber auch noch.<br />

Welche thematischen Vorlieben haben Sie<br />

persönlich?<br />

Eine meiner Haupttätigkeiten zurzeit ist meine<br />

Tätigkeit bei Blue Shield. Etwas, das für mich<br />

immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist das internationale<br />

Recht. In dem Maße, wie die Rolle<br />

der Nationalstaaten abnimmt und die Vereinten<br />

Nationen als entsprechende Staatenvertretung<br />

nicht funktionieren, nimmt die Wichtigkeit des<br />

internationalen Rechtes zu. Das ist ein Bereich,<br />

der ungemein formbar ist und in dem man sich<br />

noch sehr gut einbringen kann, insbesondere<br />

beim humanitären Völkerrecht. Im Laufe der<br />

letzten zehn bis zwanzig Jahre im Vergleich zu<br />

den vierzig Jahren vorher hat es eine unglaubliche<br />

Beschleunigung der Entwicklung des internationalen<br />

Rechts gegeben. Im Konfliktrecht<br />

zum Beispiel hat sich relativ viel geändert: Wir<br />

haben keine internationalen Konflikte zwischen<br />

Nationen mehr, sondern interkulturelle, interethnische,<br />

interreligiöse Konflikte, die mit Grenzen<br />

nichts mehr zu tun haben, weil sie entweder<br />

in einem Land oder auch über mehrere Länder<br />

hinweg stattfinden. Da spielt auch die Schaffung<br />

des Internationalen Strafgerichtshofes eine Rolle.<br />

Vor dem Jahr 2001 gab es keinen funktionierenden<br />

Internationalen Strafgerichtshof, es gab<br />

nur regionale Strafgerichtshöfe wie jenen für das<br />

ehemalige Jugoslawien. Aber heute haben wir<br />

einen funktionierenden Internationalen Strafgerichtshof,<br />

der auch Sanktionen aussprechen<br />

Karl Habsburg-Lothringen<br />

ist Präsident der Paneuropa-Bewegung<br />

Österreich<br />

»Europa will<br />

kein zweites<br />

Amerika sein.<br />

«<br />

CURRICULUM<br />

VITAE<br />

Karl Habsburg-Lothringen<br />

ist am 11. Jänner 1961 in<br />

Starnberg/Deutschland geboren.<br />

Er studierte Rechtswissenschaften<br />

in Salzburg,<br />

den USA und Wien. Seit<br />

1986 ist er Präsident der<br />

Paneuropa-Bewegung in Österreich.<br />

Von 1996 bis 1999<br />

war er Mitglied des Europäischen<br />

Parlaments, wo er als<br />

Sprecher für Menschen- und<br />

Minderheitenrechte der<br />

Fraktion der Europäischen<br />

Volkspartei fungierte. Seit<br />

2003 ist er Präsident der<br />

Österreichische Gesellschaft<br />

für Kulturgüterschutz und<br />

seit 2008 Präsident der<br />

ANCBS „Association of<br />

National Committees of<br />

the Blue Shield“. Er ist CEO<br />

der Raven-Consulting in<br />

Salzburg.<br />

und tatsächlich auf der Basis des internationalen<br />

Rechtes agieren kann.<br />

Und wie sehen Sie die Zukunft Europas in Richtung<br />

Nordafrika, mit den neuen Strukturen, die<br />

dort entstanden sind?<br />

Ich glaube, dass sich in Afrika insgesamt ungemein<br />

interessante Strukturen entwickeln. Zu verschiedenen<br />

Ländern Nordafrikas kann man noch<br />

relativ wenig sagen, weil die Entwicklung unsicher<br />

ist. Libyen hat einen großen Konflikt hinter<br />

sich, der noch nicht ausgestanden ist. In Ägypten<br />

weiß man überhaupt nicht, welche Gruppierung<br />

dominant sein wird. Die Chance ist relativ groß,<br />

dass es eine totalitäre Regierungsform sein wird.<br />

Es gibt nur wenig stabile Länder wie Marokko und<br />

eventuell Tunesien. In Westafrika gibt es die westafrikanische<br />

Staatengemeinschaft ECOWAS, die<br />

derzeit als Wirtschaftsgemeinschaft immer mehr<br />

an politischer Dimension gewinnt. Hier steckt viel<br />

Potential darin. Wir schauen heute immer noch<br />

auf den afrikanischen Kontinent herab. Langfristig<br />

liegen wir damit aber falsch. Deshalb finde ich<br />

es sehr gut, dass Österreich den grundsätzlichen<br />

Entschluss gefasst hat, sich im internationalen Bereich<br />

um afrikanische Belange zu kümmern.<br />

Sie waren vor Kurzem in Venedig und sind vom<br />

Sankt-Markus-Orden in Ihrer Funktion des Präsidenten<br />

des St.-Georg-Ordens als Ehrengast empfangen<br />

worden. Können Sie uns da ein bisschen<br />

was dazu sagen?<br />

Wenn man an das alte Venedig denkt, denkt<br />

man meistens nur an Architektur. Das allein ist<br />

leider eine ziemlich tote Angelegenheit, aber der<br />

Orden von San Marco erfüllt das Ganze mit einer<br />

echt menschlichen Dimension und mit Leben.<br />

Deswegen war ich auch sehr froh und dankbar,<br />

dass ich an der Feierlichkeit teilnehmen durfte.<br />

Da ist eine starke Tradition vorhanden, und es besteht<br />

auch wirklich dieser Wille, die Elemente der<br />

Tradition in die Zukunft hineinzutragen. •<br />

Fotos: SOCIETY/Prochnow<br />

152 | SOCIETY 1_<strong>2014</strong>

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