Society 365 / 2014
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KUNST & KULTUR<br />
INTERVIEW<br />
Strukturen für Europa<br />
Was bedeutet für<br />
Sie das Gedenkjahr<br />
<strong>2014</strong>? Was<br />
sollte der Zweck<br />
sein?<br />
Bei einem<br />
Gedenkjahr kann ich etwas lernen – von<br />
dem, was historisch passiert ist –, indem es<br />
besser aufgearbeitet wird. Dann kann ich<br />
mir überlegen, wie man das Ganze in der<br />
Zukunft besser gestalten kann, was auf dieses<br />
Jahr ganz besonders zutrifft. Ich habe<br />
das Gefühl, dass der erste Weltkrieg historisch<br />
so aufgearbeitet wurde, wie man es<br />
sich kaum besser hätte wünschen können.<br />
Ein Beispiel ist das Buch von Christopher<br />
Clarke, „Schlafwandler“, das zum dominanten<br />
Werk über den ersten Weltkrieg<br />
geworden ist. Aber ich versuche immer<br />
darauf hinzuweisen, dass es ja auch noch<br />
diverse andere Jahrestage gibt, angefangen<br />
am 28. Jänner, dem 1200. Todestag von<br />
SOCIETY-Interview mit Karl Habsburg<br />
über das Gedenkjahr <strong>2014</strong>, die Lehren aus<br />
der Geschichte und die zukünftigen<br />
Entwicklungen in Europa.<br />
Interview: Gertrud Tauchhammer<br />
Karl dem Großen. Auch da versucht man,<br />
die historische Aufbereitung weiter voran<br />
zu treiben. Das, was zum Beispiel derzeit<br />
in der Ukraine passiert, muss man in einen<br />
historischen Kontext stellen. Die Probleme<br />
sind nicht zuletzt auf die Struktur zurückzuführen,<br />
die wir bei Karl dem Großen<br />
und dem byzantinischen oder römischen<br />
Europa finden. Oder der 16. September, der<br />
200-jährige Gedenktag des Wiener Kongresses:<br />
Man kann viel daraus lernen, was<br />
sich für unser Zusammenleben als wichtig<br />
darstellt. Und wenn ich heute mit Blue<br />
Shield zum Beispiel in Syrien tätig bin,<br />
sehe ich, dass der Konflikt dort eine Folge<br />
des Vertrags von Sèvres ist, der ja eine Konsequenz<br />
des ersten Weltkriegs war.<br />
Was können wir aus den vergangenen<br />
Zeiten lernen?<br />
Ein typisches Beispiel wäre der Wiener<br />
Kongress: In einer riesigen Umbruchszeit,<br />
150 | SOCIETY 1_<strong>2014</strong>